4 - Schulden tilgen

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„Schulden sind in der Nacht eine Sorge und am Tage eine Erniedrigung."

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Wir kauerten vor dem Lagerfeuer und assen unser Abendessen, das meine Mutter über einer schwachen Flamme für uns zubereitet hatte: Couscous mit Wüstenrosinen und Ziegenfleisch.

Mein Vater hatte speziell für mich eines seiner wertvollen Tiere geschlachtet. Zu Ehren meiner Rückkehr und der Vollendung meiner Reifung.

So war es Tradition.

Mir kamen die Tränen, als ich das herrliche Mahl verspeisen durfte. Die Kochkünste meiner Mutter waren hervorragend und mitunter ein Grund, warum ich so viele Gerichte der kasbahrischen Küche liebte. Es war mir als Kind bereits früh in die Wiege gelegt worden, die Vielfalt unserer Kultur mit dem Gaumen zu erleben.

Meine Mutter beobachtete mich mit einem müden Lächeln, wie ich mir eine grosse Portion in den Mund stopfte. Die Reise durch die Zeit und das darauffolgende, tagelange Trauern auf der Düne hatten an meiner Substanz gezehrt. Mit diesem köstlichen Mahl konnte ich meinen Magen füllen und wieder zu Kräften kommen.

„Iss, Kind. Iss so viel du willst", sagte meine Mutter und schöpfte mir eine zweite Portion.

Als sie mir meinen Teller reichte und ich ihn dankend entgegennahm, spürte ich den forschenden Blick meines Vaters und ich wusste augenblicklich, dass er nun bereit war, mit mir zu sprechen.

Das Familienoberhaupt würde Fragen stellen und die hatte ich alle zu beantworten.

„Wie fühlst du dich?", fragte er als Erstes.

Ich hob den Teller voll dampfenden Couscous vors Gesicht und lächelte ihn über den Rand hinweg an. „Dieses herrliche Essen haucht mir wieder Leben ein", erwiderte ich. „Danke. Ich fühle mich schon besser."

„Hm", brummte er in Zustimmung und schob sich einen Löffel in den Mund.

Ich tat es ihm gleich und merkte, wie ich mich mit jedem Bissen besser fühlte. Kasbahrische Gerichte waren nicht nur Nahrung für den Körper, sondern auch für die Seele.

„Was hast du eigentlich während all den Tagen gegessen?", kam schon die nächste Frage.

Ich hielt mitten im Kauen inne und blinzelte ihn an, die Backe gefüllt mit einem Stück Ziegenfleisch, das etwas zäh war, aber nach Butter und Biest schmeckte.

In seiner Vorstellung musste ich während zwölf Tagen schrecklich gehungert haben. Allerdings sah ich gewiss nicht danach aus. Mein eigenes Fleisch sass fest und prall an meinen Knochen. Womöglich hatte ich sogar etwas an Gewicht zugelegt, seit ich Sitty in Kesh verlassen hatte. Das war allein den leckeren Süssigkeiten im Harem und dem fürstlichen Leben im Palast zuzuschreiben.

„Ich ..."

Meine Gedanken begannen zu rasen, während ich das Stück Fleisch gründlich kaute, um etwas Zeit für eine Erklärung zu gewinnen. Ich schluckte. Es schmerzte, denn ein Kloss hatte sich in meiner Kehle gebildet und verschnürte mir den Hals. Ich würde schon wieder lügen müssen.

„Ich hatte ein paar Datteln dabei", schwindelte ich. „Ich habe sie mir gut aufgeteilt und nur jeden zweiten Tag eine gegessen."

Es war bloss eine halbe Lüge, denn ich hatte tatsächlich damals während meines Kampfes durch die Wüste an einer Dattel genuckelt, bis sie nur noch Spucke in meinem Mund gewesen war. Eine Dattel, die mir das Glück vor die Füsse geworfen hatte und ohne die ich es wahrscheinlich nie bis zum Lebensbaum geschafft hätte.

Mein Vater liess abermals ein Brummen verlauten. Er nickte still vor sich hin und schabte mit dem Löffel in seinem Teller herum.

„Und Wasser?", wollte er weiter wissen. „Wie hast du so lange ohne Wasser überlebt?"

Zwischen Wunsch und WirklichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt