Mi. 17.05.2023

426 4 0
                                    

Lautstark knallt Anette den Hörer zurück auf den Telefonapparat.
Sie flucht genervt in den Raum: „Boah, ey! Feiertag steht an und alle drehen am Rad!"
Ihre Kollegin schreckt zusammen und sieht zu ihr rüber: „Alles in Ordnung? Du hast mir gerade einen Schreck eingejagt!"
„Sorry... mich hat grade dieser Kunde genervt... wollte ich nicht. Sorry." murmelt sie.
Fiona steht auf und geht zu ihr rüber.
„Komm her, lass dich umarmen." bietet sie ihr an.
Anette lächelt und steht auf, damit sie die Umarmung ihrer Freundin empfangen kann.
„Danke!" meint Anette, mit einem breiten Lächeln auf den Lippen.
Der restliche Tag vergeht leider ähnlich holprig.
Immer wieder kommen dringende Anfragen herein, die noch vor dem Feiertag abgearbeitet werden müssen.
Nach einigen Überstunden kann sie endlich nach Hause fahren.
Energielos sitzt Anette im Bus und starrt ins Leere, da spricht sie jemand von der Seite an.
„Hallo."
Anette merkt erst bei der zweiten Begrüßung, dass sie gemeint ist.
Sie sieht skeptisch zur Seite und fragt: „Hallo?"
Vor ihr steht ein Mann mittleren Alters, der sein Handy in der Hand hält.
„Ähm, ich muss zu einer bestimmten Straße und irgendwie zeigt mein GPS an, das ich mich davon eher entferne. Jetzt bin ich mir unsicher, ob ich im richtigen Bus sitze. Und hier ist niemand mehr, außer ihnen. Entschuldigen sie bitte, wenn ich sie gestört habe."
Er wirkt unsicher und senkt direkt den Blick, als Anette ihm ins Gesicht sieht.
„Ähm, ja, wo müssen Sie denn hin?"
Der Unbekannte zeigt ihr die Straße am Handy und sieht kurz in ihre Augen.
„Diese Augen. Verdammt! Diese Farben. Wow." schießt es Anette, die kurz nach den passenden Worten sucht.
„Ähm, ja, also. Wir kommen dort schon hin, nur fährt dieser Bus noch den Norden aus und kommt dann erst wieder rein ins Zentrum. Schneller wären sie mit einer anderen Linie gewesen, aber sie können auch hierbleiben." lächelt sie ihm verlegen entgegen.
Er sperrt sein Handy und nickt: „Ah, sehr gut. Vielen Dank. Und nochmal Entschuldigung für die Störung."
Anette sieht ihm nach, wie er sich hastig wegdreht und in die hinteren Reihen setzt.
„Schade, hättest auch hier bleiben können. Diese Augen ..." schwärmt sie gedanklich und blickt wieder aus dem Fenster.
Als sie an ihrer Haltestelle ankommt und von ihrem Sitzplatz aufsteht, sieht sie erneut nach hinten in den Bus.
Der Unbekannte sieht zu ihr rüber, lächelt und hebt kurz die Hand.
Sie erwidert seine Verabschiedung und steigt aus. Luft weht ihr ins Gesicht und kühlt ihre Wangen.
Hinter ihr gehen die Türen zu, die hydraulischen Stoßdämpfer stellen den Bus wieder gerade und das Fahrzeug setzt sich lautstark in Bewegung.
Anette geht ein paar Schritte, bleibt stehen und dreht sich um.
Der Bus wird immer kleiner in der Ferne und biegt hinter ein Haus ein.
„Verdammt. Der war irgendwie süß. Ich hätte ihm meine Nummer geben sollen. Mist!" ärgert sie sich und kickt ein Steinchen zur Seite.
„Der hätte mir sicher bei meiner Aufgabe helfen können, 4 Hände sind besser als 2. Jetzt muss ich die doofe Strafe wieder alleine angehen." nuschelt sie und geht weiter.


geMainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt