Realisationsss (Joko)

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Matthias hielt Joko gerade noch davon ab, die Treppe rückwärts runterzufallen und lehnte ihn gegen das Treppengeländer.
„Wir hätten den Aufzug nehmen sollen."

Keiner von beiden war ansatzweise nüchtern, weswegen sie wahrscheinlich auch auf die lustige Idee gekommen waren, ein Wettrennen für den ganzen Weg zu Jokos Zimmer zu veranstalten.
Jetzt hatten sie immerhin schon eine ganze Etage geschafft. Blieben ja nur noch drei.

Matthias hatte nicht das Gefühl, dass sie jemals am Hotelzimmer ankommen würden, wenn man Jokos Zustand in Betracht zog. Dieser rutschte soeben mit dem Rücken an der Wand herunter und landete auf seinem Hintern.

„Joko komm, wir habens nicht mehr weit." Er versuchte ihn wieder auf seine Beine zu kriegen, das funktionierte aber leider nicht ganz so einfach, wie er sich das vorgestellt hatte.
Matthias seufzte und gesellte sich stattdessen neben ihn.

Dann war es still im Treppenhaus. Nur ihr regelmäßiges Atmen war zu hören.
Joko genoss die Pause, die Ruhe. Fokussierte sich - so gut wie es betrunken eben ging - darauf, wieder ein wenig klarere Gedanken fassen zu können und die Übelkeit zu bekämpfen, die sich langsam in seinem Körper breit machte.

Doch das erforderte eine Menge Kraft, die Joko zu dieser Tageszeit nicht mehr besaß. Müdigkeit übermannte ihn schneller als es ihm lieb war.

„Du, Matthi?", fragte er leise, oder laut, seine Wahrnehmung fiel ihm unglaublich schwer. Er merkte bloß, dass Matthias sich zu ihm drehte und eine Hand auf seinen Arm legte. „Was gibts, mein Freund?" Joko lachte kurz und versuchte dann, sich aufzurichten. Matthias tat es ihm gleich.

„Wir sollten jetzt echt weitergehen. Ich hab nämlich keine Ahnung wie spät es ist und wir beide müssen früh raus.", erklärte er, es war ja nicht so, dass sie wegen ihm überhaupt erst im Treppenhaus sitzen geblieben waren.

Sie entschieden sich schließlich doch für den Aufzug und fuhren die restlichen Etagen zu Jokos Zimmer.
Als sie nun schlussendlich dort angekommen waren, nickte ihm Matthias zu. „Da du jetzt in Sicherheit bist, mach ich mich auch mal auf den Heimweg."

Joko lächelte und dankte ihm fürs Herbringen.
Zur Verabschiedung umarmten sich die beiden noch kurz.
„Ich seh dich dann morgen." Winkend lief Matthias in Richtung Aufzug.

Dann war Joko allein. Er öffnete seine Zimmertür und trat herein.
Seltsamerweise stieg ein unangenehmes Gefühl in ihm auf, sobald er die Türschwelle überquert hatte. Irgendwie wünschte er sich, dass Matthias noch bei ihm geblieben wäre, sie würden sowieso den Tag morgen wegen WSMDS miteinander verbringen, da hätte er auch bei ihm pennen können.

Eine schwache Erinnerung erschien plötzlich in seinem Hinterkopf und Joko fühlte sich beklommen, so als hätte er etwas wichtiges vergessen. Angestrengt grübelte er, versuchte sich an irgendetwas zu erinnern und suchte in seinem Kopf nach Hinweisen. Dann, wie ein Blitzschlag traf es ihn: Klaas. Keir. Das Konzert.
Schlagartig war er wieder nüchtern.

„Nein. Nein, neinneinneinnein.. fuuuckk."
Ungeschickt holte er sein Handy aus seiner Hosentasche. Auf seinem Sperrbildschirm wurde ihm bereits klar, wie sehr er es vergeigt hatte, als er sah wie viele Nachrichten Klaas ihm geschickt hatte.
Ein Blick zur Uhr verriet ihm, dass es zwei Uhr nachts war. Anrufen konnte er Klaas zu der Zeit nicht mehr, oder?

Joko entschied sich dagegen, wollte erstmal checken, ob Klaas vielleicht auf Nachrichten antwortete - riskieren, Klaas um diese Uhrzeit durch einen Anruf zu wecken, konnte er sich nach der Aktion nämlich erstrecht nicht leisten.

Also schrieb er drauf los.
‚Klaas, es tut mir unglaublich leid'
‚ich habs voll verpeilt nach der probe'
‚Matthi hat mich zum saufen überredet'
‚Fuck ok das machts nicht besser'

Joko kaute an seinem Daumennagel und sah sich entsetzt seine kürzlich gesendeten Nachrichten an. Wenn Klaas nicht schon sauer auf ihn war, dann nach dieser billigen Ausrede auf jeden Fall. Wieso war er auch so absolut dämlich gewesen??

,ich wollte wirklich da sein'
‚es tut mir leid'

Er wusste nicht, was er schreiben sollte. Er hatte keine Entschuldigung für sein Handeln. Unglaubliche Dummheit zählte ja wohl kaum. Besonders nicht bei etwas, was Klaas wichtig war.

‚ich weiß nicht, was ich sagen soll, um nicht noch mehr dazustehen wie ein absoluter Volltrottel'
‚bitte verzeih mir'

Joko dachte zurück an den Moment, in dem Klaas ihm stolz berichtete, dass er es geschafft hatte, Keir für einen Auftritt in LnB zu engagieren. Er wirkte so glücklich darüber und er hatte Joko direkt gefragt, ob er denn auch kommen wollen würde.
Und wie konnte Joko zu einem strahlenden Klaas schon nein sagen?

Dass Klaas auf seine Zustimmung hin noch breiter lächelte und seine blauen Augen so wunderschön anfingen zu funkeln, verpasste Joko beinahe einen Herzstillstand. Aber das war, und blieb ein Geheimnis, das er Tag für Tag mit sich trug. Niemals würde er irgendetwas riskieren.
Joko war sowas von am Arsch...

Nachdem er sich sicher war, dass er momentan keine Antwort auf seine Nachrichten erhalten würde, schrieb er noch eine letzte.

‚ruf mich an wenn du wach bist'

Klaas' lonely danceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt