19. Stay the night

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CN Gewalt gegen Frauen

"Ich weiß selbst nicht, wieso ich das Bedürfnis habe, das loszuwerden. Wahrscheinlich, weil es sich heute noch darauf auswirkt, wie ich... wie ich mich Männern gegenüber verhalte." Er schwieg. Er hörte einfach nur zu. "Mein Vater... mein Erzeuger hat meiner Mutter schlimme Dinge angetan. Ich war noch ganz klein, aber bis heute sehe ich die grausamsten Situationen immer wieder vor meinen Augen. Wie... wie er sie an den Haaren aus meinem Kinderzimmer zog. Das Blut unter seinen Fingernägeln. Die blauen Flecken an ihren Armen." Ich merkte, wie mein Puls zu rasen begann und atmete tief durch, bevor ich weiter sprach. "Uns geht es heute gut. Sie hat sich schon vor langem getrennt, da war ich noch in der Grundschule. Vor ein paar Jahren haben wir sogar beide eine Therapie gemacht. Aber... es verfolgt mich bis heute. Auch, und darauf will ich eigentlich hinaus, bis in meine Beziehungen mit Männern." Ich merkte, wie er vorsichtig seinen Arm hinter mir wegzog. "Hey, lass das", ich piekste ihn in die Brust. "Du darfst mich weiter berühren. Du sollst sogar." Ich lächelte. "In den letzten Jahren habe ich mich aber wirklich schwergetan, Männer zu daten. Dieses schnelle Kennenlernen, kurz schreiben und sich dann mit einem Mann zu treffen, den man eigentlich gar nicht kennt. Was für alle anderen normal ist, hat sich für mich nie richtig angefühlt. Ich... unterschwellig war immer die Angst da, dass die Typen gewalttätig werden könnten. Ich konnte mich nie wirklich öffnen."

Schon wieder spürte ich, dass er angespannt war. "Ist das aber nicht das, was wir gerade tun?", fragte er zögernd. Ich griff nach seiner Hand, die auf meiner Taille ruhte, und zog seinen Arm noch enger um mich. "Ja, genau das ist es. Aber zum ersten Mal macht es mir nichts aus. Und ich kann mir nicht genau erklären, woran das liegt...", überlegte ich. "Ich schon", sagte er selbstbewusst und zeigte präsentierend auf sich selbst. Ich lachte. "Woran? Dass keiner vorher so gut aussah wie du? So funktioniert das nicht", ich schüttelte grinsend den Kopf. "Weißt du... ich glaube, es liegt daran, dass ich wirklich lange genug Zeit hatte, dich kennenzulernen - wenn man es so nennen kann. Ich kannte deine Art, ich wusste bereits einiges über dich, mir war deine Stimme vertraut." Tommi lehnte seinen Kopf an meinen. "Natürlich kannte ich den Menschen dahinter nicht persönlich. Es hätte gut sein können, dass du auch ein Frauenschläger bist", fügte ich trocken hinzu.

Eine Weile saßen wir schweigend und eng miteinander verschlungen da. "Hat er... hat er dich auch..." - "Geschlagen? Nein", antwortete ich. "Niemals. Ich war seine Prinzessin", ich schüttelte mich. "Er hat immer versucht, mich auf seine Seite zu ziehen. Hat vor mir schlecht über meine Mutter gesprochen. Er hat gesagt, dass sie an allem Schuld sei", ich schluckte. "Ich war fünf, natürlich habe ich ihm geglaubt." Jetzt war es soweit, eine Träne kullerte über meine Wange. Das wird für immer der schlimmste Teil an der Geschichte bleiben. "Das tut mir so leid", flüsterte Tommi und wischte mit seinem Finger über mein Gesicht. Ich griff nach seiner Hand und führte sie an meine Lippen. "Das muss es gar nicht. Ich wollte auch nicht, dass dieser schöne Tag nun so traurig endet. Aber irgendwie... mir war es wichtig, dass du das weißt. Gerade fühle ich mich unglaublich wohl mit dir. Aber nur, also... falls wir uns überhaupt wiedersehen..." - "Das werden wir", unterbrach er mich. "Am Montag ist die Show in München." Ich lächelte. "Okay, dann... wenn wir uns wieder sehen. Und ich vielleicht mal keine Berührungen aushalten kann. Dann weißt du, woran es liegt." Er sah mir lange in die Augen, bevor er mich beschützend auf die Stirn küsste.

"Jetzt musst du mir aber auch ein Geheimnis von dir verraten", ich stupste mit der Nase an seine Brust. "Aber bitte ein etwas fröhlicheres", kicherte ich. Er überlegte kurz. "Okay. Es ist absolut nicht mit deiner Geschichte zu vergleichen, aber es ist immerhin ein Geheimnis. Und du bist tatsächlich die erste Person, der ich das erzähle." Ich schluckte und starrte ihn gespannt an. "Ich habe tatsächlich schon ungefähr ein halbes Buch geschrieben. Einen Roman. Ich hab es nur niemandem erzählt, weil ich einfach nicht weiterkomme." Ich riss die Augen auf. "Was? Im Ernst?", rief ich ungläubig. Er lachte. "Pssst, es ist 22:30 Uhr in Deutschland, schrei nicht so", flüsterte er. "Sorry", grinste ich. "Ich kann das nur gerade nicht glauben. Darf ich es lesen?" Er zog die Augenbrauen zusammen. "Damit hätte ich rechnen können. Aber boah... nein, das kann ich nicht machen." Ich schob die Unterlippe nach vorne. "Biiitte", flehte ich in meiner süßesten Stimme. Er atmete aus. "Ich lese dir ein Kapitel vor, okay? Mein Lieblingskapitel." Ich nickte aufgeregt. Er schob die Decke zur Seite, stand auf und verschwand in der Wohnung. Kurz darauf kam er mit seinem Laptop in der Hand nach draußen und setzte sich so hin, dass ich das Display nicht sehen konnte.

Ich kuschelte mich in die Decke und nahm noch einen Schluck von meinem Wein, während er mir in wenigen Worten erzählte, was vor dem Kapitel alles passierte. Dann begann er zu lesen. Ich schloss die Augen. Auch wenn mir ab und zu ein wenig Kontext fehlte, war ich gedanklich sofort in seiner Geschichte versunken. Immer wieder schüttelte ich kaum merklich den Kopf, weil der Satzbau an manchen Stellen komplett verschachtelt, aber irgendwie künstlerisch und faszinierend war. Der Text war eine Achterbahn der Gefühle. Er wäre nicht Tommi, wenn mich das Kapitel nicht an einigen Stellen zum Lachen gebracht hätte. Am Ende passierte jedoch auch etwas, das mir die Tränen in die Augen schießen ließ. Wow.

Viel zu schnell klappte er den Laptop zu und sah mich halb beschämt, halb erwartungsvoll an. "Und?", fragte er leise. "Was denkst du?" - "Das ist großartig", sagte ich ehrlich. "Ich möchte unbedingt noch mehr hören." Er lächelte. "Aber nicht heute", sagte er, legte den Laptop zur Seite und schob sich wieder zu mir unter die Decke. "Versprich mir, dass du da dran bleibst. Ich glaube, du arbeitest da an einem Bestseller. Und zwar an einem wirklich wirklich guten. Nicht nur an einem, der sich gut verkauft, weil Tommi Schmitt draufsteht", kicherte ich. Er zog mich an sich. "Danke", flüsterte er, bevor er mich küsste.

Der Kuss wurde überraschend so intensiv, dass mir schwindelig wurde. Oder war das der Wein? Als er eine Hand in meinen Nacken legte, atmete ich laut aus. Er löste sich von mir und schaute mich an. "Bitte bleib hier. Über Nacht meine ich..." Mich überkam eine Gänsehaut. Über Nacht bleiben. In Tommis Wohnung. Bett. Ich schluckte, dann legte ich den Kopf in den Nacken. "Und das Hotelzimmer hast du dann ganz umsonst verlängert?", lächelte ich. "Scheiß drauf", murmelte er und drückte seine Lippen wieder auf meine. Meine Finger spielten mit seinen Locken, während sich seine Hände langsam auf den Weg nach unten machten.

"Darf ich?", flüsterte er atemlos. Ich nickte und er biss sich auf die Lippen. "Ich weiß, man soll Brüste nicht immer sofort sexualisieren, aber als du vorhin in diesem Top vor meiner Tür standest... da habe ich mir das hier gewünscht." Seine Hand fand den Bund meines Tops und schob sich darunter. Als er meine Brust umfasste und dabei meinen Nippel striff, entfuhr mir ein leises Stöhnen. Ich spürte sein Lächeln an meinem Mund. Gott, er machte mich wahnsinnig. Und der Wein erledigte den Rest. Mit meiner Hand auf seiner Schulter schob ich ihn leicht von mir weg, was ihn irritiert den Kopf schief legen ließ. Schnell zog er seine Hand unter meinem Top hervor. Ich schüttelte lächelnd den Kopf, richtete mich auf und setzte mich rittlings auf seinen Schoß. Er klappte den Mund auf, fing sich aber schnell wieder und vergrub die Hände in meinen Haaren, um mich zu sich heranzuziehen. Seine Lippen wurden fordernder, während seine Hände langsam über meinen Nacken und meine nackten Schultern bis zu meinen Brüsten wanderten. Er strich mit den Daumen über meine Nippel und zupfte ungeduldig am Stoff der Träger. Plötzlich griff er unter meine Oberschenkel und stand auf. Die Decke fiel zu Boden, als er mich rein in die Wohnung, durch das Wohnzimmer ins Schlafzimmer trug, ohne seine Lippen von meinen zu nehmen.

Più bella cosa (Tommi Schmitt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt