8. Die Badewanne

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Vor lauter Aufregung stand ich am darauffolgenden Dienstag bereits 45 Minuten zu früh an meinem Gleis. Zu groß war meine Sorge, dass irgendetwas schief gehen würde. Ich schaute auf die Anzeigetafel. Bisher sah alles danach aus, als würde mein Zug nach Köln pünktlich um 12:45 Uhr abfahren. Um mir die Zeit zu vertreiben, lief ich zur Theke der kleinen Starbucks-Filiale. "Einen Flat White in grande, bitte. Mit Hafermilch." Ich grinste in mich hinein. Ich hatte noch nie einen Flat White bestellt. Ich war aber auch noch nie auf dem Weg gewesen, um Tommi Schmitt zu treffen. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf - ich konnte es einfach immer noch nicht glauben, was ich hier tat. "Auf welchen Namen, hab ich gefragt", riss mich die Barista unsanft aus meinen Gedanken. "Oh sorry. Louisa."

Mit meinem Becher in der Hand lief ich zurück zum Gleis und setzte mich auf eine der Bänke. Meinen Rucksack stellte ich neben mir ab. Für die eine Nacht hatte ich nur das nötigste dabei - darunter mein liebstes Sommerkleid, falls wir am nächsten Tag wirklich in das Café gehen würden. Ich versuchte krampfhaft, meine Erwartungen niedrig zu halten. Dass ich die Show besuchen konnte und die Chance bestand, dass wir uns vielleicht kurz unterhalten konnten, war für mich bereits etwas ganz besonderes. Aber dass er mich danach nochmals treffen wollte? Davon wollte ich einfach nicht ausgehen. Vielleicht würde er sein Angebot wieder zurückziehen, sobald er mich persönlich getroffen hatte. Never meet your Insta-DMs, und so.

Ich kramte mein Handy aus dem Rucksack. Nachdem Tommi mir am Sonntag die Zugtickets geschickt hatte, hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Dafür war gerade eine Nachricht von Marlie eingetrudelt.

Marlie: Wollen wir heute Abend bei mir Pizza bestellen? Die neue Folge Temptation Island kommt doch heute raus. Außerdem möchte ich unbedingt wissen, ob du Mister T nochmal geschrieben hast. Würde mich freuen 🍕🧡

Ich seufzte. Ich hatte niemandem erzählt, dass ich mich auf den Weg nach Köln machte. Zu groß war meine Angst, enttäuscht zu werden und im Nachhinein als naiv abgestempelt zu werden. Wenn meine Mutter wüsste, dass ich auf ein Date mit einem prominenten Mann hoffte ... sie würde sagen, ich hätte mich seit 15 Jahren nicht weiterentwickelt. Damals schwärmte ich nämlich für den Sänger einer Teenieband - und war mir sicher, dass wir später heiraten würden. Marlie würde mich zwar unterstützen, aber aus irgendeinem Grund wollte ich es ihr noch nicht erzählen. Vielleicht morgen, wenn ich wissen würde, wie sich das alles entwickelt hatte.

Lou: Sorry, ich hab mir glaub ich etwas eingefangen. Fühle mich gar nicht fit und bleibe heute im Bett. Melde mich morgen bei dir. 😘

Ich überlegte kurz und schickte noch eine Nachricht hinterher.

Lou: Von Tommi gibt es keine Neuigkeiten. Ich glaube, das ist vorbei.

Ich atmete schwer. Ich wollte meine beste Freundin nicht anlügen. Aber ich wollte erst einmal alleine für mich herausfinden, was das hier war.

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Als ich mit kleiner Verspätung aus dem Zug stieg, spürte ich, wie meine Nervosität schlagartig größer wurde. Noch schlimmer wurde es, als ich draußen vor dem riesigen Dom stand. Ich war tatsächlich in Köln. Und beim Gedanken an den Grund meines Besuchs drehte sich mir der Magen um. Ich holte tief Luft. Jetzt erstmal zum Hotel, ein Schritt nach dem anderen. Im wahrsten Sinne des Wortes: Google Maps verriet mir, dass das 25hours The Circle nur 15 Minuten zu Fuß entfernt war. Das U-Bahnticket sparte ich mir.

"Louisa Berger", sagte ich zum Rezeptionisten, der mir danach freundlich lächelnd die Zimmerkarte über die Theke schob. "Ach ja, ist ja bereits bezahlt", antwortete er. "Ihr Zimmer ist im dritten Stock. Domseite. Haben Sie einen schönen Aufenthalt."

Mit einem leisen Piepton öffnete sich die Tür zu meinem Zimmer. Wow. Es war riesig und super modern eingerichtet. In der Mitte des Zimmers stand eine freistehende Badewanne auf einem gefliesten Podest. Hinter dem Bett hing ein riesiger runder Spiegel. Ich wurde rot. War er sich dessen bewusst, als er das Zimmer für mich buchte? Ich stieg auf das Podest und schmachtete die wunderschöne Wanne an. Auf dem Rand stand eine Flasche Badezusatz bereit. Ich öffnete den Deckel. Lavendel-Orange. Es roch himmlisch. Vielleicht konnte ich heute Abend nach der Show darin eintauchen ...

Oh je, die Show! Vor lauter Staunen hatte ich doch glatt vergessen, dass ich nicht lange Zeit hatte, bis die Show losging. Ich warf einen Blick auf mein Handy. Schon 18:45 Uhr, in einer halben Stunde sollte ich los. Zum Gloria-Theater lief man zwar nur zehn Minuten, aber ich wollte nichts riskieren. Ich öffnete meinen Rucksack. Meine olivgrüne Stoffhose behielt ich an, aber für die Show hatte ich ein neues Oberteil mitgenommen. Ich zog mir das weiße Top über, schnappte mir Make-Up und Haarbürste und lief ins Bad.

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Als ich beim Gloria-Theater ankam, war vor der Halle nur noch wenig los. Die meisten waren schon drin. Am Eingang standen ein paar Menschen Schlange, um ihr Ticket vorzuzeigen. Ich zögerte. Ich wollte auf keinen Fall, dass jemand hörte, dass ich auf der Gästeliste stand. Also stellte ich mich etwas abseits und wartete darauf, dass alle reingehen würden. Ich beobachtete die Besucher:innen. Die Mehrheit der Fans war eindeutig weiblich, aber auch ein paar Typen waren dabei. Gerade, als ich dachte, dass die Luft nun rein war, liefen drei weitere Mädels an mir vorbei in Richtung Eingang. Eine hübscher als die andere, dachte ich. Als sie auf meiner Höhe waren, hörte ich eine von ihnen sagen: "Ich steh ja so auf Tommi, ich hoffe ich kann ein Foto mit ihm machen. Und wer weiß, vielleicht nimmt er mich ja mit Backstage." Sie kicherte und ich spürte einen kleinen Stich. Sie hatte wunderschöne, blonde Locken und trug ein kurzes, enges Kleid. Ich sah an mir herunter auf meine schwarzen, zertretenen Vans. Was, wenn ich ihm nicht gefiel? Jetzt war es zu spät, mein süßes Sommerkleid aus dem Hotel zu holen. Mein Magen wurde flau, ich war wahnsinnig nervös.

Als ich keine Fans mehr sehen konnte, lief ich mit klopfendem Herzen zum Eingang. Cool bleiben, Louisa. Du tust jetzt so, als wäre es total normal für dich, auf einer Gästeliste zu stehen. "Hi", sagte ich zur Kontrolleurin an der Tür. "Ich..." - "Die Show beginnt in zwei Minuten", unterbrach sie mich. "Nächstes Mal bitte etwas früher, sonst kann ich dich nicht mehr reinlassen. Ticket? Und die Handtasche bitte öffnen." Shit. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass so viel Zeit verstrichen war. "Es tut mir leid. Ich ... ich stehe auf der Gästeliste. Louisa Berger", stammelte ich und öffnete gleichzeitig den Reißverschluss meiner Tasche. Die Frau scrollte über ihr Tablet, nickte und warf einen Blick auf das, was ich dabei hatte. Handy, Geldbeutel und Kaugummi. Sie zeigte auf den Eingang. "Viel Spaß. Aber beeil dich besser, sonst störst du den Anfang."

Più bella cosa (Tommi Schmitt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt