18. Sonnenuntergang

346 12 1
                                    

Tommi füllte zwei große Portionen Nudelsalat in die hübschen Schalen. "Möchtest du Wein dazu?", fragte er und zeigte auf die Flasche. "Gerne", antwortete ich. Noch wärmer konnte mir nach der Situation eben in der Küche sowieso nicht mehr werden. Während er die Gläser füllte, linste ich unter dem Tisch schnell auf mein Handy. 

Marlie: Auch wenn ich es sehe, ich kann es immer noch nicht glauben. OMG

Marlie: Viel Spaß!!! Und erzähl mir ALLES! 😳💙

Ich grinste, während ich mein Handy wieder wegpackte. Wenn ich nicht hier in Tommi Schmitts Küche säße - ich könnte es selbst nicht glauben. Und auch so fiel es mir noch schwer.

"Ich hoffe, er schmeckt, auch wenn er nur fünf Minuten gezogen hat", riss mich Tommi aus meinen Gedanken und hielt mir sein volles Weinglas entgegen. "Bestimmt", lächelte ich und prostete mit meinem dagegen. "Guten Appetit." Und wirklich, der berühmte Nudelsalat schmeckte fantastisch, so dass wir für einige Minuten in gefräßiges Schweigen verfielen. Wir hatten schließlich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen.

"Carlottas Jobbezeichnung klingt total cool", begann ich ein Gespräch. "Davon hab ich noch nie gehört." Er nickte. "Ja, ich tatsächlich vorher auch nicht. Aber wir sind total froh, dass wir sie dabei haben. Bei der Tourvorbereitung war sie schon eine echte Unterstützung. Und auch gestern hat sie einiges organisiert, das uns einfach den Abend verschönert hat. Das sind lauter kleine Dinge, die eigentlich gar nicht nötig sind. Für sowas hat auch jemand wie Beccy oder Julian gar keine Zeit." - "Was denn zum Beispiel?", fragte ich neugierig. "Naja, zum Beispiel hat sie die Gummischlümpfe eingekauft, weil ich unbedingt welche haben wollte, aber keine Zeit mehr hatte, selbst zum Rewe zu laufen", er zog die Augenbrauen zusammen. "Oh man, wenn ich das so ausspreche, klingt das echt arrogant. Aber das meine ich damit, sie übernimmt Dinge, die nicht notwendig sind, die uns aber auf Tour ein schönes Gefühl geben", er grinste. "Sie hat auch organisiert, dass der Security am Vorhang unser Passwort kennt und dich durchlässt." Ich wurde rot. "Verstehe. Und das macht sie nur noch für die restlichen Tage, die ihr auf Tour seid?" - "Ja, erstmal schon. Sie studiert ja noch. Und außerhalb der Tour brauchen wir momentan auch keine weitere Assistenz." Er überlegte kurz und grinste gönnerhaft. "Wobei es schon schön wäre, eine private Feel-Good-Managerin bei mir zu haben. Wie wärs, wann kannst du anfangen?" Er lachte über seinen eigenen Witz, während ich flink nach dem Korken der Weinflasche griff, der vor mir auf dem Tisch lag. "Sehr witzig", ich katapultierte den Korken in seine Richtung. "Hey", protestierte er und warf lachend seinen Kopf in den Nacken. 

And you throw your head back laughing like a little kid 

"Gibst du mir eine kleine Wohnungstour?", fragte ich, als unsere Schüsseln leer waren und er gerade Wein nachschenkte. "Na klar, komm mit", forderte er mich auf. Ich griff nach meinem Glas und folgte ihm ins Wohnzimmer, das direkt an der Küche angrenzte. "Wow", entfuhr es mir beim Anblick seines riesigen Bücherregals. Ich wusste ja, dass er gerne Bücher las und noch gerner kaufte. Aber dass er nahezu seine eigene Bibliothek hatte? Ehrfürchtig ging ich auf das hölzerne Regal zu und strich mit meiner Hand über die Buchrücken. "Ich wünschte, ich hätte zumindest die Hälfte davon gelesen", murmelte er und fuhr mit einer Hand durch seine Locken. Ich scannte die Regalbretter. "Hast du das schon gelesen? Die Geschichte von Kurt hat mich total bewegt", ich zog Du darfst nicht alles glauben, was Du denkst heraus. "Ja, Zum Glück", sagte er. "Bei Büchern von Freund:innen und Kolleg:innen fällt es mir immer leichter, mir dafür Zeit zu nehmen." Ich schmunzelte, während ich das Buch wieder akkurat zurück zwischen die anderen schob. "Wie... war das nochmal mit deinem eigenen Buch?", fragte ich vorsichtig und nahm einen Schluck aus meinem Weinglas. Er lachte. "Das hab ich mir wohl einfacher vorgestellt, als es ist...

...komm, wir haben noch drei Räume vor uns", wechselte er das Thema und griff nach meiner Hand. Sein Schlafzimmer war sehr minimalistisch eingerichtet, aber wahnsinnig sauber und aufgeräumt, wie auch schon der Rest der Wohnung. Ich musste daran denken, dass er im Podcast mal davon erzählt hatte, dass alle zwei Wochen eine Haushaltshilfe zu ihm kam. Ob das wohl noch so war? Kam sie jetzt vielleicht sogar öfter? Beneidenswert. 

Nach einem kurzen Blick ins Arbeitszimmer und ins Badezimmer, wo ich die berühmte Seifenmuschel erblickte, führte er mich zurück ins Wohnzimmer. "Hey, du hast ja sogar einen Balkon! Den habe ich vorhin gar nicht gesehen", rief ich und zog ihn mit nach draußen. Dort stand ein beiges Outdoor-Sofa mit gemütlichen Polstern. In Köln ging gerade die Sonne unter. Kitschig, aber auch irgendwie passend. Ich setzte mich mit etwas zu viel Schwung auf die Polster. Huch, das war der Wein in mir. "Komm her", klopfte ich neben mich. Er schüttelte lächelnd den Kopf und ließ sich auf das Sofa fallen. Dann legte er den Arm um mich und zog mich an sich. 

Wir redeten, bis die Sonne untergegangen war. Irgendwann stand Tommi auf. "Bin gleich wieder da", flüsterte er und küsste mich auf die Haare. Zurück kam er mit einer zweiten Flasche Wein und einer kuschligen Decke, die er über uns legte. Je leerer die Flasche wurde, desto persönlicher wurde unser Gespräch. Ich fühlte mich so sicher in seinen Armen, dass ich plötzlich sagte: "Ich würde dir gerne mehr über den fünften Fakt über Lou erzählen." Er schaute mich aufmerksam an. Seine Gesichtszüge waren ganz weich. "Ich weiß auch nicht... die letzten 24 Stunden waren so intensiv, so schnell. Und irgendwie habe ich das Gefühl... du sollst wissen, wer ich bin. Bevor uns morgen wieder mehrere hunderte Kilometer trennen", sagte ich traurig. Er nahm meine Hand in seine und drückte sie. "Auch wenn ich mir nichts mehr wünsche, als alles über dich zu wissen", flüsterte er. "Du kannst auch gerne noch warten, bis der Wein nicht mehr aus dir spricht." Er küsste mich auf die Nase. Ich schluckte, wurde fast wütend. "Ich... ich kann sehr wohl einschätzen, was ich dir erzählen möchte und was nicht", sagte ich etwas zu scharf. "Tut mir leid, natürlich kannst du das. Das wollte ich gar nicht infrage stellen... Ich möchte nur sichergehen, dass du es morgen nicht bereust." Ich sah ihn lange an, bevor ich ihn an seinem T-Shirtkragen zu mir heran zog. "Das werde ich nicht", flüsterte ich zwischen zwei langen Küssen.

Più bella cosa (Tommi Schmitt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt