28. Cause the morning comes and you're not my baby

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„Zzzz... Zzzz... Zzzz...", brummte es von links, während ich langsam die Augen aufschlug. Als ich gegen die Sonne blinzelte, die durchs Fenster schien, begann mein Kopf zu hämmern. „Oh Gott", stöhnte ich auf und versuchte, mich zu orientieren. Ich realisierte, dass ich in Marlies Wohnzimmer aufgewacht war und erinnerte mich daran, dass wir zur Sicherheit heute Nacht gemeinsam heimgefahren waren. „Zzz... Zzzz... Zzzz...", vibrierte mein Handy auf Marlies Wohnzimmertisch erneut. „Jetzt nicht", jammerte ich und drückte mir eines der Sofakissen aufs Gesicht. Mir war heiß und ich hatte das Gefühl, das Sofa drehte sich wie ein Karussell.

„Zzzz... Zzzz... Zzzz...", der kleine Holztisch bebte erneut. „Mein Gott", grummelte ich und tastete blind nach meinem Handy. Währenddessen fuhr ich einmal mit der Zunge durch meinen Mund, der wie ausgetrocknet war. Ekelhaft. Gleich müsste ich mir unbedingt etwas zu Tri-... Hilfe! Ich erschrak, als ich Tommis Namen auf meinem Display erkannte. Ein Anruf. Scheiße.

Meinem ersten Impuls folgend ließ ich meinen Daumen über dem roten Button schweben. Zu groß war meine Angst vor der Wahrheit. In meinem Zustand brauchte ich nun echt nicht noch eine weitere Sache, die mir Kopfschmerzen bereitete. Doch bevor ich meinen Finger aufs Display sinken lassen konnte, hörte mein Handy schon von selbst auf, zu vibrieren. Wahrscheinlich war die Mailbox rangegangen. Das Anruffenster verschwand - und ich sah das gesamte Ausmaß von Tommis Kontaktversuchen. Dreizehn Nachrichten auf WhatsApp und neunzehn verpasste Anrufe, alle aus den letzten 30 Minuten. Mein Herz wummerte. Es schien ihm wichtig zu-... „Zzzz... Zzzz... Zzzz", riss mich das erneute Vibrieren aus den Gedanken. Er versuchte es schon wieder. Ich atmete tief ein und aus. Na gut, irgendwann musste ich mit ihm reden. Dann eben jetzt.

„Hallo?", krächzte ich mit meiner - nennen wir das Kind beim Namen - versoffenen Stimme. Damit die schlafende Marlie im Nebenzimmer bloß nichts mitbekam, gab ich mir Mühe, so leise wie möglich zu sprechen. Das war keine gute Kombi. Ich räusperte mich und wiederholte: „Hallo?" - „Lou, endlich." Als ich Tommis Stimme hörte, rutschte mir das Herz in die Hose. „Was ist los? Wieso schreibst du mir so eine Nachricht? Lass uns bitte reden. Kannst du mir deine-", weiter hörte ich nicht, denn in meinem Kopf begann es zu rattern. Ich wusste, dass ich ihm heute Nacht in der U-Bahn auf dem Weg zu Marlies Wohnung geschrieben hatte, aber was genau? Tommi schwieg mittlerweile am anderen Ende der Leitung. Shit, hatte er eine Frage gestellt? „Ähm...", murmelte ich. „Warte kurz."

Schnell nahm ich das Handy vom Ohr, wischte das Anruffenster weg und öffnete unseren WhatsApp-Chat. Ich ignorierte die Nachrichten, die Tommi mir im Laufe des Morgens geschickt hatte und scrollte hoch zu meiner:

Lou: Neinn wur sehdn uns nixht vor deer Shpw. Nie wirder. Ixh bun wohgl zu naivb um einrn Typenb zu daten, der seinen Promi StAtus ausnutzz. Danke trottzderm für die Einladfung.

Beim Anblick meiner Worte drehte sich mir der Magen um. Nicht, wie man vielleicht denken könnte, weil ich mich für meine betrunkene Nachricht schämte. Auch nicht vom vielen Alkohol, mit dem ich mir heute Nacht die Magenschleimhaut verätzt hatte. Okay, vermutlich auch deshalb. Aber vor allem, weil sich mir sofort wieder das Foto von Tommi und der fremden Frau einbrannte. Weil mir schlagartig wieder bewusst war, wieso ich ihm diese Worte geschrieben hatte. Weil sie stimmten. Ich war zu verletzt, um ihn morgen in München zu treffen.

Langsam hob ich mein Handy wieder ans Ohr. „Ich will dich morgen nicht sehen", sagte ich leise. Kurz war es ruhig zwischen uns, dann hörte ich, wie Tommis Stimme leicht zitterte. „Lou, ich habe keine Ahnung, wieso du mich auf einmal nicht mehr sehen möchtest. Bitte lass uns reden", murmelte er. Reden, klar... Jetzt, wo er in meine Stadt kommt, bin ich wieder gut genug. Für eine Nacht, vielleicht auch noch für einen Tag. Und dann? Plötzlich spürte ich Entschlossenheit in mir. Ich wollte mich nicht von ihm einlullen lassen.

Ich atmete tief durch und setzte zu einer Antwort an, doch er kam mir zuvor. „Bitte... wenn du mich danach nicht mehr sehen willst, werde... muss ich das akzeptieren. Aber ich möchte verstehen, wieso du es dir nach den zwei wunderschönen Tagen, die wir gemeinsam verbracht haben, auf einmal anders überlegst", sagte er ruhig. Da wurde ich wütend. „Ich? Ich es mir anders überlege? Du hast dir doch in der nächsten Stadt direkt die Nächste gesu-", erschrocken schlug ich mir die Hand auf den Mund, doch da war es mir schon rausgerutscht. Shit, so deutlich wollte ich es eigentlich nicht sagen.

Ich hörte, wie Tommi tief ausatmete. „Was hast du da gerade gesagt?", fragte er in einem Ton, den ich überhaupt nicht deuten konnte. Es klang irgendwie bedrohlich. Plötzlich bekam ich Panik und war drauf und dran, mein Handy vom Ohr zu nehmen und aufzulegen. Ich war überhaupt nicht bereit für diese Konversation.

„Lou, wir müssen reden, also bitte sag mir-", hörte ich ihn, bevor ich ihm mit zittriger Stimme ins Wort fiel: „Wir reden... wir reden doch." - „Ich möchte dir dabei in die Augen schauen", antwortete er knapp. Ich seufzte. „Na gut", murmelte ich. „Dann melde dich morgen, wenn du angekommen bist. Ich komme zur Location", gab ich nach. Immerhin konnte ich so erstmal diesem Gespräch entfliehen. Bis morgen konnte ich mich seelisch noch vorbereiten...

Tommi atmete hörbar aus. Im Hintergrund hupte ein Auto. „Lou, wenn du mir mal zuhören würdest. Ich bin in München. Ich stehe seit einer halben Stunde auf der Leopoldstraße auf der Busspur und werde gleich abgeschleppt, wenn du mir nicht bald deine Adresse sagst."

Più bella cosa (Tommi Schmitt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt