11. Backstage

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"Was meintest du damit, du seist das Mädchen für alles?", fragte ich Carlotta. Sie lachte. "Am liebsten nenne ich mich Feel-Good-Managerin. Ich sorge dafür, dass es den Jungs, aber irgendwie auch der ganzen Crew auf der Tour gut geht. Ich kläre zum Beispiel ab, dass im Backstage die richtigen Getränke stehen. Ich suche die Restaurants raus, bei denen wir vor der Show bestellen. Ich buche die schönsten Hotels. Und für den Fall der Fälle hab ich immer eine Schachtel Kippen auf Reserve in der Tasche. Also Hand aufs Herz - ich bin die Assistentin. Aber Feel-Good-Managerin klingt doch viel cooler, oder?" Sie strahlte mich erwartungsvoll an und ich kicherte. "Ja, das tut es wirklich. Machst du das denn schon länger? Also, zum Beispiel auch bei Felix' Solo-Shows oder so?" - "Nein, tatsächlich ist der Job hier auf die Tour begrenzt. Es ist eine Art Ferienjob sozusagen. Ich studiere hier in Köln Eventmanagement und bin nur für den einen Monat angestellt. Also für die Tourvorbereitung und jetzt die eigentliche Tour. Leider ist es also bald schon vorbei und ich muss zurück in die Uni." Sie schmollte. 

Dann lächelte sie mich an. "Erzähl mir was von dir. Kennst du Tommi schon länger?" Ich zögerte. Sollte ich ehrlich sein? Ich wusste nicht, was Tommi über mich erzählt hatte. Was er über UNS erzählt hatte. Ob er überhaupt etwas erzählt hatte. Irgendwie kam es mir komisch vor, zuzugeben, dass wir uns nur durch ein paar Nachrichten auf Instagram kannten und er mich dann völlig überraschend hierhin eingeladen hatte. Sie würde mich doch dann sofort als naiven Groupie abstempeln, oder? Plötzlich fühlte ich einen Stich. Ich konnte nicht glauben, dass ich mich das vorher noch nie gefragt hatte: Wie viele weibliche Fans hatte er wohl schon zu sich geholt? Machte er das öfter? Bin ich auch hier eine von vielen?

"Erde an Lou", holte mich Carlotta schmunzelnd aus meinen Gedanken. "Sorry, du musst mir nichts erzählen, was du nicht möchtest. Tommi hat vorhin nur gesagt, er würde eine Bekannte mitbringen. Da dachte ich... Oh, die Show geht weiter." Ich blickte zur Leinwand. Tommi nahm winkend auf seinem Sessel Platz. Er sah irgendwie gelöster aus als in der ersten Hälfte. Ich schluckte. Gerade lag seine Hand noch auf meinem Rücken, jetzt stand er wieder auf der Bühne. Ich atmete einmal tief durch und wandte mich zurück an Carlotta. "Vielleicht erzählt er dir das lieber selbst." Ich lächelte verlegen. "Aber danke, echt. Dass du mich hier so gut aufnimmst. Du machst deinem selbstgewählten Jobtitel wirklich alle Ehre." Sie strahlte. "Stets zu Ihren Diensten."

Die zweite Hälfte der Show zog sich für mich wie Kaugummi. Auch, wenn Carlotta dafür sorgte, dass ich mich Backstage nicht mehr so fehl am Platz fühlte, konnte ich mich einfach nicht entspannen und auf das Gespräch von Tommi und Felix konzentrieren. Ich wollte, dass er so schnell wie möglich wieder von der Bühne runterkam. Ich wollte ihn nicht über die Leinwand sehen. Ich wollte ihn neben mir haben. "Chips?", fragte Julian und reichte die Tüte zu mir rüber. "Gerne, danke." Neben ihm, Carlotta und mir saßen noch Felix' Managerin Beccy und Nadja, die sich um den Merchverkauf kümmerte, auf den Sofas. Zwei weitere Männer, jeweils für Ton und die Security verantwortlich, sind kurz vor Beginn der zweiten Hälfte wieder nach vorne in die Halle gegangen. Auch Nadja machte sich langsam bereit, den Backstage-Bereich zu verlassen, damit sie pünktlich zum Showende wieder am Merchstand war. Mein Herz begann, schneller zu schlagen. Das hieß ja, Tommi würde bald wieder herkommen, oder?

Tosender Applaus tönte aus den Lautsprechern neben der Leinwand. Die Show war aus - und das, was ich vor lauter Herzklopfen mitbekommen hatte, war wirklich lustig gewesen. Ich trank den letzten Schluck von meiner Cola, um meine nervösen Hände irgendwie zu beschäftigen. Gleich würde er wieder zur Tür reinkommen - und was dann? Würden wir nochmal sprechen? Würden wir uns bald wieder verabschieden müssen? Würde er etwas zu morgen sagen? 

Ein Quietschen. Die Tür ging auf. Beccy applaudierte, Julian stand auf und hielt seinem Bruder die Hand zum High-Five hin. "Super gemacht, Jungs. Mega Tourauftakt!", rief er. Nachdem er Felix abgeklatscht hatte, drehte er sich zu Tommi - und nahm seine Hand langsam runter. Denn der war schon längst an ihm vorbei und steuerte geradewegs auf mich zu.


Più bella cosa (Tommi Schmitt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt