17. Grazie di esistere

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"Wollen wir heute Abend bei mir was essen?" Puh. Beim Gedanken an Tommi und mich in seiner Wohnung wurde mir sofort warm. Ich nickte lächelnd. "Total gerne. Davor sollte ich aber nochmal ins Hotel und mir was Trockenes anziehen, ich bin klatschnass", lachte ich. "Kein Problem", antwortete er. "Ich setze dich dort ab und geh dann noch schnell einkaufen."

Auf der Fahrt zurück in die Innenstadt konnte ich mich kaum auf das konzentrieren, was Tommi mir erzählte. Ich saß zurückgelehnt im Beifahrersitz, mit meinem Gesicht zu ihm gewandt und war völlig benebelt vor lauter Gefühlen. Ich beobachtete, wie sich ein Regentropfen von einer seiner nassen Haarsträhnen abseilte und auf seine Wange fiel. Von da aus rann sie langsam hinunter bis zu seinen Lippen. Wir hatten uns geküsst, mehrmals. Und nun lud er mich in seine Wohnung ein. Himmel. 

I like the way I can't keep my focus, I watch you talk, you didn't notice, 
I hear the words but all I can think is we should be together.

Wir hielten direkt vor dem Hotel. "Soll ich dich nachher abholen?" - "Nein, schon gut. Ist ja direkt beim Café von heute morgen. Das schaffe ich", lächelte ich ihn an. "Also gut, dann erwarte ich dich um 19 Uhr bei mir - reicht dir das?" Ich sah auf mein Handy. 17:18 Uhr. "Ja, das klingt gut. Bis später", sagte ich schnell und stieg aus, da uns in dieser Sekunde ein Taxi anhupte. Bevor die Autotür zufiel, hörte ich ihn noch sagen "Ich kann es kaum erwarten."

Oh Boy. Du hast keine Ahnung, wie wenig ICH es erwarten kann. Nach einem kurzen Stopp an der Rezeption, um mein Gepäck abzuholen und wieder einzuchecken, stieg ich beflügelt in den Aufzug zu meinem Zimmer. Mein Blick fiel in den Spiegel - ich sah wirklich aus wie ein begossener Pudel. Aber meine Augen leuchteten wie nie zuvor. Ich konnte nicht fassen, was für ein Tag da hinter mir lag. Und er war noch lange nicht vorbei. So richtig würde ich es wohl erst realisieren, wenn ich mich heute Abend in die flauschige Hotelbettdecke kuscheln würde.

Today was a fairytale. You've got a smile, takes me to another planet. Every move you make, everything you say is right. Today was a fairytale. 

90 Minuten später bog ich in die Straße ein, in der sich Tommis Wohnung befand. Ich trug wieder die olivgrüne Stoffhose und das weiße Top vom Vorabend - mein Kleid war klatschnass und etwas anderes hatte ich schließlich nicht dabei. Zum Glück packte ich immer ein bis zwei Unterhosen mehr ein als eigentlich nötig. Nur auf den BH musste ich nach einigem Hadern verzichten. Eine gefühlte Ewigkeit hatte ich den Hotelföhn draufgehalten - er wurde einfach nicht trocken. Und mit zwei riesigen nassen Flecken wollte ich nun auch nicht bei Tommi aufkreuzen. Deshalb überwindete ich meine Unsicherheit - chill, Lou, in Großstädten ist das ganz normal - und stand nur mit meinem Top bekleidet vor seiner Tür, unter dem sich meine Brüste leicht abzeichneten. Ein Moment, in dem ich mal wieder dankbar für meine kleine Oberweite war. 

"Komm rein", begrüßte mich Tommi an der Wohnungstür. Nachdem ich meine Schuhe ausgezogen hatte, schob mich seine warme Hand durch den langen Flur. Es roch verführerisch nach gerösteten Pinienkernen. "Machen wir etwa deinen berühmten mediterranen Nudelsalat?", fragte ich spitz. Er ließ theatralisch die Schultern hängen. "Dich kann man wohl nicht mehr überraschen, du weißt zu viel." Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. "Den wollte ich schon immer mal probieren", flüsterte ich. "Soll ich dir noch was helfen?" Er nahm meine Hand und zog mich wortlos in die Küche. Auf einem kleinen Tisch vor dem Fenster standen zwei wunderschöne Schalen, die verdächtig nach Motel a Miio aussahen, und zwei Weingläser. Eine kleine Box spielte Musik von Eros Ramazzotti. Mein Herz flatterte. Er hatte an alles gedacht. 

"Die Nudeln kühlen gerade schon ab. Möchtest du die getrockneten Tomaten schneiden? Ich kümmere mich schon mal um die Soße." Er legte mir ein Brett und ein Messer auf die Theke. "Soweit ich mich erinnere, besteht die Soße aus Ketchup, Salz und Pfeffer", lachte ich, worauf er mich gespielt böse anschaute. "Vielleicht."

Wenige Minuten später schütteten wir nacheinander alle Zutaten in eine große Schüssel. Tommi reichte mir Salatbesteck und ich machte mich daran, alles zu vermengen. "Eigentlich würde ich das jetzt über Nacht ziehen lassen", sagte er auf einmal so nah an meinem Ohr, dass ich zusammenzuckte. Er stand direkt hinter mir und legte seine Arme um mich. "Hast du schon Hunger? Oder wollen wir ihm zumindest eine halbe Stunde geben?" Ich lehnte meinen Hinterkopf an seine Brust. "Ich kann warten", murmelte ich. Er nahm die Schüssel, bugsierte sie geschickt um mich herum und stellte sie neben uns in den Kühlschrank. In der Zwischenzeit drehte ich mich um, so dass er nun direkt vor mir stand. Sein Blick wanderte von meinen Augen zu meinem Mund, über meine nackten Schultern und... noch etwas tiefer. Ich schluckte. Du trägst keinen BH, Lou. 

"Ich liebe diesen Song", sagte ich kurzentschlossen, was seine Augen wieder in meine schauen ließ. "Ach ja?", fragte er provokant. "Ich dachte, du magst nur die spanische Version", er rollte mit den Augen, woraufhin mir ein Lachen entfuhr. Ich schlang meine Arme um seine Taille und legte meinen Kopf in den Nacken, um ihn anzusehen. Dann begann ich, im Takt der Musik nach links und rechts zu schunkeln. "Jetzt zeig mir doch mal, wie gut dein Italienisch ist", forderte ich ihn auf. "Ci vuole passione con te, non deve mancare mai. Ci vuole mestiere perché, lavoro di cuore lo sai", sang ich leise, während er seine Arme um mich legte. Er lächelte mich an und zuckte mit den Schultern, bevor er miteinstimmte. "Cantare d'amore non basta mai, ne servirà di più, per dirtelo ancora per dirti che...", sangen wir mit einem breiten Grinsen und ich musste mich beherrschen, nicht loszuprusten. Das war irgendwie kitschig. Aber auch irgendwie schön. Er zog mich enger an sich, seine Lippen waren nun ganz nah an meinem Ohr. "Più bella cosa non c′è, più bella cosa di te", flüsterte er und mich überkam eine Gänsehaut. "Unica come sei, immensa quando vuoi." Plötzlich hob er mich auf die Küchentheke, drängte sich sanft zwischen meine Beine und vergrub die Hände in meinen Haaren. "Grazie di esistere...", murmelte er, während unsere Lippen miteinander verschmolzen. 

Als das Lied verklang, löste er sich von mir. "Scheiß auf die halbe Stunde, der schmeckt auch so", er ordnete notdürftig meine Haare, die er gerade verwuschelt hatte. "Wir müssen jetzt essen", sagte er und hob mich von der Arbeitsplatte. "Sonst kann ich für nichts garantieren."




Più bella cosa (Tommi Schmitt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt