Kapitel 61

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 Mein Herz stockte. War das die Polizei? War jemand gekommen, um uns zu retten? Ariana hob einen Finger zu ihren Lippen. Einige Sekunden lang wagte ich nicht, mal zu atmen, aus Angst jemand würde die Tür aufreißen und uns finden. Es war wieder ruhig. Ich hörte nichts außer meinen eigenen Herzschlag und Arianas zittrigen Atem. Irgendwann zwang mich meine Lunge, wieder einzuatmen und ich rang nach Luft.

„Wir müssen uns bemerkbar machen!", flüsterte ich aufgeregt, „Ich wusste, dass die Polizei uns finden würde!" 

Ariana schüttelte den Kopf: „Bist du geisteskrank? Woher willst du wissen, dass das die Polizei ist? Woher soll die Polizei überhaupt wissen, dass wir weg sind? Und viel wichtiger: Warum würde es die Polizei überhaupt interessieren? Das sind Mafiageschäfte!"

 Ich wollte es mir selbst nicht eingestehen, aber sie hatte recht. Mein Vater dachte, ich wäre bei Freunden. Er würde sich frühestens morgen früh Sorgen machen, wenn er dann noch nichts gehört hatte. Ich schluckte schwer, da kam mir eine Idee: „Was ist mit Lucio? Er wusste doch, dass wir längst bei der Villa sein müssten! Er hat sicher schon Leute losgeschickt!" 

Ariana fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht. „Wir wurden nicht von irgendwem gekidnappt und eingesperrt, sondern von Carlos. Wir wissen nicht, was er vorher getan hat und was er Lucio erzählt hat. Da draußen könnte jemand sein, der versucht uns zu retten. Genauso gut möglich ist es aber, dass uns jemand töten will.

»Wir müssen hier weg«, stimmte ich zu. Ariana nickte stumm und schloss kurz die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war ihr Blick voller Entschlossenheit. »Ich habe einen Plan«, sagte sie.

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»Hilfe! Hilfe!«, schrie ich, »Warum hilft mir denn keiner!« Kein Geräusch von draußen. Ich versuchte es erneut: »Hilfe!«, rief ich so laut ich konnte. Meine Stimme hallte durch den kahlen, leeren Raum. Ariana stand mit einem Stuhl in der Hand hinter der Tür. Wir hatten nur eine Chance. Wenn vor der Tür mehr als eine Wache saß, waren wir geliefert.

Ich wollte gerade erneut schreien, da öffnete sich die Tür und ein breitschultriger Italiener stürmte in den Raum. »Was ist?«, knurrte er. Sein Blick fiel auf mich und seine kalten, berechnenden Augen musterten mich. »Warum bist du nicht gefesselt?« Er machte einen Schritt auf mich zu. Dann ließ er seinen Blick durch den Raum streifen. »Wo ist die Italienerin?«, schrie er und lief mit großen Schritten auf mich zu. Das war sein Fehler. Ariana hob den Stuhl und ließ ihn mit einem fürchterlichen Krachen auf den Kopf des Italieners fallen. „Ufff«, brachte er hervor, dann sank er auf die Knie und prallte mir einem dumpfen Schlag auf dem Boden auf. Ich schloss die Augen und erwartete fest, dass gleiche eine Gruppe Männern in den Raum stürzen würde, um uns beide zu erschießen, aber nichts passierte.

Ich seufzte erleichtert. »Wir haben es geschafft!«, flüsterte ich und Ariana nickte. Mehr oder weniger sanft stupste sie den Italiener mit ihrem Stiefel an. Er rührte sich nicht. »Ist er tot?«, fragte ich vorsichtig, während ich mich wieder aufrichtete. Zögerlich kniete sich Ariana neben den Italiener. Einige Sekunden vergingen. »Er hat eine Platzwunde am Kopf, aber er atmet«, verkündete sie, sichtlich erleichtert. Ich griff nach den Seilen mit denen Ariana und ich zuvor gefesselt waren und während Ariana anfing seine Taschen zu durchsuchen. Etwas ungeschickt fing ich an, jeweils die Hände und die Füße des Italieners zusammenzubinden.

»Er hat eine Pistole«, hauchte Ariana. Ich schluckte. In meinem Kopf spielten sich alle möglichen Szenarien ab, wie unser Versuch zu entkommen, hätte enden können, hätte der Italiener den Raum mit der Waffe in der Hand betreten. Ich konnte nicht atmen. Meine Sicht verschwamm und ich stolperte einige Schritte zurück, bis mein Rücken die Wand traf. Der Raum schien sich zu drehen und ich ließ mich auf den Boden fallen. Es ist alles gut Lily. Du lebst. Es ist nichts passiert. Die Polizei ist sicher schon unterwegs hier hin. Die Polizei. Mein Vater. Der Gedanke daran sorgte nicht im Geringsten dafür, dass ich mich beruhigte. Ich ließ meinen Kopf auf meine Knie sinken. »Ich kann nicht atmen. Ich kann nicht atmen«, presste ich immer wieder zwischen hektischen Atemzügen hervor. 

Mafioso to goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt