Kapitel 36

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Lucio rieb sich mit einer Hand übers Kinn. „Eigentlich wollte ich dich auf dem Weg zur Bushaltestelle überraschen und dich dann ganz ausversehen anfahren. Doch du hast zu lange gebraucht und dein Bus ist längst weg. Da ein gutes Mädchen wie du bestimmt nicht die Schule schwänzt, dachte ich, ich warte einfach hier und überfahr dich, während du zur Schule läufst!", sagte er überfröhlich. Wie charmant von ihm... „Kannst du mich vielleicht wann anders überfahren? Wenn ich Glück habe und mich beeile komm ich vielleicht noch annähernd pünktlich!", zischte ich.

„War ja klar, dass es dir wichtig ist nicht zu spät zu kommen.... Man soll ja nie etwas Verbotenes tun!", grinste Lucio. Ich wollte ihm gerade an den Kopf werfen, dass meine Aktivitäten von gestern Abend jetzt nicht so wirklich erlaubt, gewesen waren. Doch mir viel früh genug auf, dass ich das vermutlich nicht auf offener Straße einfach herumposaunen sollte. Bilder von Bernotti, gefesselt und blutig in dem Raum in der Lagerhalle schwebten in meinem Kopf herum. Ich schloss kurz die Augen, als könnte ich dadurch die Gedanken an gestern Nacht vertreiben. Da ich nicht wollte, dass Lucio schon wieder sah, wie ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand erwiderte ich einfach nur: „Das hat nichts mit verboten oder nicht verboten zu tun! Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich hab nicht sooo gerne am ersten Tag direkt Nachsitzen!"

„Als ob du jemals in deinem Leben schon einmal Nachsitzen hattest!"

Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen und schaute auf die Uhr. 10 vor 8. „Das hat doch jetzt nichts damit zu tun. Weißt du was: Anstatt hier rumzustehen, kannst du mich besser direkt zur Schule fahren. Wenn du willst, kannst du dabei auch das Auto mit der Beifahrerseite gegen eine Wand fahren!" Da! Ich hatte Lucio nett gefragt, ob er mich zur Schule fahren will. Technisch gesehen zumindest...

„Für dich würde ich mein Auto sicherlich nicht gegen eine Wand fahren!", sagte Lucio und wischte mit seiner Hand einen imaginären Fleck auf dem Lack weg. Man hätte einen Liebesfilm daraus drehen können. Lucio und sein Auto. Leider mit tragischem Ende, weil ich sein geliebtes Auto bei nächster Gelegenheit vermutlich mit einem Golfschläger bearbeiten würde, wenn er mich nicht bald zur Schule brachte... Oder einen Teleporter für mich entwickelte... Sehr wahrscheinlich, Lily... Sehr wahrscheinlich...

„Was bekomme ich dafür, wenn ich dich zur Schule bringe?", fragte Lucio, scheinbar interessiert. Ich war kurz davor ‚kein kaputtes Auto' zu antworten. Jedoch war ich in diesem Moment etwas zu verzweifelt, um mir meine guten Chancen auf ein Taxi zur Schule zu versauen. Wenn mein Vater davon erfuhr, dass seine Tochter Nachsitzen hatte, würde ich mir stundenlang Vorträge darüber anhören müssen, dass ich mir damit ja die Chancen, auf eine gute Universität zu kommen, versauen würde und so... Zusätzlich würde dieses Mal dazukommen, dass ich ja allein zu Hause war. Unabhängig davon, dass ich bald 18 war, würden meine Eltern nie wieder allein verreisen und ich hätte nie wieder sturmfrei.

„Was willst du dafür, dass du mich fährst? Spritgeld bestimmt nicht, denn wenn du das wolltest hättest du einen zerbeulten Geländewagen und keinen Lamborghini!"

Lucio schien nachzudenken. „Einen Gefallen", beschloss er schließlich. Einen Gefallen. Einen Gefallen?!? Was zur Hölle sollte das jetzt, bitte? „Einen Gefallen?", wiederholte ich. Er grinste. „Soll ich es dir aufschreiben?", fragte er. Ich ignorierte ihn. „Und was soll das bitte sein?"

„Was auch immer ich will", antwortete Lucio schlicht. Alles in mir sträubte sich dagegen, dem Sohn eines Mafiabosses einen Gefallen zu schulden. Filme hatten mir gezeigt, dass das meistens eine schlechte Idee war. Vielleicht nahm ich auch einen zu großen Teil meines Wissens aus Filmen... Vielleicht war es nur ausgedacht. Genauso, wie die Tatsache, Helden in Actionfilmen immer einen Kugelhagel überlebten, selbst wenn alle anderen um sie herum draufgingen... Egal ob Wahrheit oder nicht: Es erschien mir nicht klug, einem Mafioso einen Gefallen zu schulden. Vor allem nicht wegen so einer Kleinigkeit, wie eine Fahrt zur Schule...

Ich hatte die Wahl: Laufen, Zuspätkommen und Nachhilfe, oder pünktlich sein und Lucio einen kleinen Gefallen schulden... Hmmm... Argh... „Fein! Aber das gilt nur, solange ich wirklich pünktlich an der Schule bin!", zischte ich und warf Lucio einen vernichtenden Blick zu. Der stieß sich vom Wagen ab und machte sich auf den Weg zur Fahrertür. Dafür, dass ich ihm jetzt irgendeinen kryptischen Gefallen schuldete, hätte er mir wenigstens die Tür aufhalten können...

Wir flogen praktisch den Weg zur Schule. Lucio raste über zwei, schon mehr als gelbe Ampeln und nahm mindestens zwei Autos die Vorfahrt. Aber immerhin waren wir um drei Minuten vor acht an der Schule. Schwungvoll parkte er direkt vor der Schule dort, wo eigentlich gar kein Schülerparkplatz war. Theoretisch war er ja auch kein Schüler... Lucio zog eine Sonnenbrille aus dem Fach an der Tür und setzte sie auf. Ich sah ihn mit zwei hochgezogenen Augenbrauen an. „Dein Ernst?!", fragte ich. „Wenn schon denn schon, Babe!", grinste er und stieß seine Tür auf, um auszusteigen. Babe?! Seit wann nannte er mich Babe?! Seit wann nannte irgendwer irgendjemanden Babe, der nicht gerade in irgendeinem kitschigen Film mitspielte?!

Bevor ich mir selbst die Autotür öffnen konnte, war Lucio bereits zur Stelle und öffnete sie mit einer knappen Verbeugung für mich. Jeder, und ich meine jeder, J E D E R auf dem gesamten Schulhof starrte uns an, als ich ausstieg. Das würde definitiv sehr kreative Gerüchte entfachen... Lily Porter, die sich nie mit irgendwelchen Typen abgibt, steigt zusammen mit einem extrem attraktiven Italiener aus einem teuren Auto... Warte... Extrem attraktiv?! Hatte mein Gehirn einen kitschigen, romantischen Roman verschluckt?! Und seit wann fand ich Lucio ‚extrem attraktiv'?!

Ein Räuspern rettete mich davor, mir selbst diese Frage zu beantworten. „Also, wenn du nicht hier draußen warten willst, bis du doch zu spät kommst, würde ich an deiner Stelle langsam mal reingehen! Außer natürlich du genießt es, mit mir hier zu stehen, während dich alle Mädchen hier neidisch anstarren und sich wünschen, sie könnten - genau hier - mit mir stehen!", spottete Lucio. Ich verdrehte die Augen und zog meine Tasche aus dem Auto. „Träum weiter! Außerdem bezweifle ich, dass diese Mädchen hier mit dir stehen würden, wenn sie wüssten, was du so... nennen wir es ‚beruflich' tust!"

Ohne einen weiteren Blick zurück drehte ich mich um und wollte gerade loslaufen, als Lucio meinen Arm festhielt und mich gegen das Auto zog. Nun stand ich mit dem Rücken zum Wagen, während Lucio sich mit seinen Händen links und rechts von mir abstützte. Was für eine geniale Show das gerade für die Leute auf dem Schulhof sein musste, die uns ohne Zweifel bestimmt noch immer anstarrten...

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Huhu :) Ein Update für euch :D

Mafioso to go ist Platz #9 in Jugendliteratur!!!

Ich hätte irgendwie nicht gedacht, dass das jemals passieren würde... Ich hätte heute fast unser Hotel (ja, ich bin schon wieder im Urlaub :D Diesmal mit meinen Eltern und mit glücklicherweise besserem Internet) zusammen geschrien, als ich das gelesen hab... Ihr seid echt toll <3

LG Wendy, die wegen #9, immer noch sehr hyperaktiv ist ;D (oder vielleicht einfach zu viel Kaffee getrunken hat...)

P.S. Falls irgendjemandem noch ein Lied zum verlinken einfällt, dass zu irgendeinem Charakter oder zu einem Kapitel passen könnte: Scheibt sie hier auf und ich hör mir sie an :) Ich würd gern Lieder zu den Kapitel hinzufügen, nur mir fällt (außer den Liedern, die ich beim Schreiben höre) nichts passendes ein :D

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