Kapitel 16

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Ich holte aus, um ihn zu schlagen, doch er fing meine Hand mit Leichtigkeit ab. Mein Handgelenk war nun in einem unbequemen Winkel nach hinten gebogen. Ich starrte Lucio wütend an, was ihn anscheinend zu belustigen schien. „Lass mich gehen. Wenn du mich nicht fahren kannst, bestell ich mir eben ein Taxi!", befahl ich. „Du wirst sicherlich kein Taxi hierher bestellen. Sieh es ein, Prinzessin! Du kommst hier nicht weg", Makkaroni ließ meine Hände los und griff nach einem weiteren Glas Rum, welches er mir dann hinhielt, „Trink was! Lebe ein bisschen!" Ich drückte das Glas weg. „Ich trinke nicht"

„Warum nicht? Sag mir nicht, dass es daran liegt, dass du noch zu jung bist, denn deine Freunde wirkten auf der Party echt ziemlich besoffen", grinste er mich an. „Mein Vater...", wollte ich gerade erklären, als er mich unterbrach: „Dein Vater ist nicht hier und in...", er schaute auf seine Uhr, „Zwei Minuten ist Mitternacht. Da solltest du doch wenigstens anstoßen. Und glaub mir: Das hier...", mit seiner Hand machte Lucio eine ausladende Geste und zeigte auf verschiedene Partygäste, „...willst du nicht nüchtern ertragen!"

Dann hielt er mir das Glas erneut vor die Nase. Ich schüttelte den Kopf. Bevor Lucio weiter mit mir diskutieren konnte unterbrach jemand ihn. „Noch eine Minute!", schrie eine laute Stimme, die zu einem Typen gehörte, der nicht viel älter als Lucio zu sein schien. Dieser war nun dabei, mit einem Glas Champagner in der Hand, auf die Bar zu klettern, um sich dort hinzustellen.

Der ganze Raum fing an, auf Italienisch und Englisch gemischt, von 30 runter zu zählen. „Letzte Chance, Principessa", flüsterte Lucio mir von hinten in mein Ohr. Er hielt mir sein Glas hin, aber ich winkte ab. Sein heißer Atem kitzelte meinen Nacken. Ich schüttelte meinen Kopf um ein Zittern zu unterdrücken. Er schien dies entweder nicht zu merken, oder bewusst zu ignorieren.

 Genervt wandte ich mich wieder der laut zählenden Menge zu. „Fünf... Vier... Drei... Zwei... Eins..." Alle  jubelten und hoben die Gläser zum Anstoßen. Glückwünsche wurden auf Italienisch, sowie auf Englisch, ausgesprochen. Dann bewegte sich die Menge nach draußen. Von dort hörte ich schon das Zischen von Raketen und das Explodieren von Sprengkörpern. Zumindest hoffte ich die ganze Zeit, dass es Sprengkörper und keine Schüsse waren...

Ich hätte jetzt bei meinen Freunden sein sollen. Mit ihnen jubeln sollen. Vermutlich hätten mich Celia und Sarah gezwungen, irgendwelche Typen anzutanzen, mit denen ich dann eine äußerst seltsame, unangenehme Konversation gehabt hätte. Irgendwann hätte mich dann vermutlich ein ziemlich betrunkener Alex gerettet und alles wäre so gewesen, wie immer.

Stattdessen befand ich mich auf einer Mafiaparty... Mittlerweile hatten sich fast alle Gäste nach draußen begeben oder sie standen noch an der Bar, um sich noch ein stark alkoholisches Getränk zu holen. "Frohes neues Jahr, Evangeline!", grinste Lucio hinter mir. Ich spürte die Wut in mir aufsteigen. Er war der Grund, wieso ich überhaupt hier war.... Hätte er nicht getrunken, wäre ich jetzt vielleicht schon fast wieder zu Hause. Aber nein... Er musste sich betrinken und als Konsequenz daraus hatte ich keine Ahnung, wie ich jemals wieder bei meinen Freunden ankommen sollte. "Du weißt, dass das jetzt der Moment ist, indem du mir auch ein schönes neues Jahr wünscht", erklärte Makkaroni immer noch grinsend...

Wie sehr ich sehen wollte, dass das spöttische Grinsen aus seinem Gesicht verschwand. Ich wandte mich zu ihm und starrte ihm genau in die Augen: "Ich wünsche dir, ein wundervolles neues Jahr und hoffe, du betrinkst dich so sehr, dass du nicht wieder aufstehst oder wenn du es tust eine Kugel in den Rücken geschossen bekommst", zischte ich ihn an. Er stellte sein nun leeres Glas auf einen der Stehtische, die im ganzen Raum verteilt waren. "Du weißt, es ist eine sehr unehrenhafte Art, jemanden zu töten, indem man ihm in den Rücken schießt. Außerdem gehören die meisten, die heute hier sind, zur Familie. Und wie man so schön sagt 'Blut ist dicker als Wasser'. Also wenn du mich tot sehen willst, musst du den Mut haben, es selbst zu tun."

Lucio überrumpelte mich, indem er mich näher zu ihm zog.Sein warmer Atem auf meinem Gesicht roch stark nach Alkohol. Was tat ich hier? Wieso rannte ich nicht weg? Oder trat zumindest zur Seite? "... und du musst danach mit den Konsequenzen leben können...", er hob seine Hände zu meinem Hals. "Und ich denke, wir beide wissen, wer gewinnen würde, wenn du versuchen würdest mich zu töten." Mein Herzschlag pochte mir in den Ohren, als seine Hände meinen Hals umfassten. Es erinnerte mich an den Überfall... Doch dort hatte er meine Luftröhre zugedrückt und mich fast ermordet... Jetzt schien er mit seinen Händen einfach nur meinen Kopf festzuhalten und mich so daran zu hindern, mich weg zu bewegen. Wir hatten immer noch Blickkontakt, doch anstatt seines typischen aggressiven oder spöttischen Gesichtsausdruckes, flackerte etwas Anderes in seinen Augen auf, als er seine Stirn gegen meine lehnte.

Was tat er da?! Was tat ich hier?!!? Er war betrunken. Das war seine Ausrede, wieso er sich so verhielt. Doch was war meine? Ich brach den Blickkontakt ab und schaute auf meine Füße. Schnell legte ich meine Hände auf seine Brust und drückte ihn leicht, aber bestimmt weg. Normalerweise hätte mein geringer Kraftaufwand ihn vermutlich noch nicht mal ansatzweise bewegt, doch er schien zu merken, dass ich Platz brauchte, denn er trat einen Schritt zurück und ließ seine Hände wieder an seine Seiten sinken. Sein Gesicht war eine Maske und ein spöttisches Grinsen schlich sich auf sein Gesicht.

Ich drehte mich auf dem Absatz um und lief durch die Eingangshallte nach draußen. Dann schloss ich die Augen. Sekunden lang atmete ich einfach nur ein und aus. Ich versuchte meinen Kopf wieder klar zu bekommen und fröstelte ein wenig, doch weigerte ich mich wieder rein zu gehen. Etwas weiter vom Haus entfernt standen viele der Mafiosi und schossen Raketen in die Luft oder beobachteten einfach nur das Feuerwerk am Himmel, während sie plauderten. Sie wirken so wie... normale Menschen?! Vermutlich plauderten sie dennoch nicht... Vermutlich heckten sie irgendwelche geheimen Pläne aus um die Weltherrschaft an sich zu reißen oder was Mafiosi sonst so in ihrer Freizeit taten...

"Alles ok, bei dir?", fragte mich eine leise Stimme. Erschrocken riss ich meinen Kopf herum und sah ein dunkelhaariges Mädchen vor mir. "Oh, ich wollte dich nicht erschrecken... Du sahst nur so verloren aus... Ich bin Ariana.", entschuldigte sie sich. Ich atmete einmal tief durch, dann antwortete ich. "Nein, ist schon ok. Ich war nur kurz etwas... verwirrt...", ich hielt ihr die Hand hin, „Lily", stellte ich mich vor. Doch anstatt meine Hand zu nehmen umarmte sie mich kurz, was mich etwas überrumpelte. 

"Du bist zum ersten Mal hier, oder?" Ich nickte und das Mädchen lachte. "Ist das so offensichtlich?", fragte ich grinsend. "Naja. Du stehst allein draußen, bist nicht vollständig betrunken oder irgendein Schmuckstück." Ich schaute sie verwirrt an: "Schmuckstück?" Sie verdrehte die Augen: "Du weißt schon. Du hängst nicht, wenig bekleidet, am Arm von irgendeinem Typen." Jetzt musste ich lachen. "Da hast du wohl recht. Ich glaub dafür bin ich viel zu bekleidet"

Plötzlich runzelte Ariana die Stirn und schien eine Weile lang nachzudenken. Dann fragte sie: „Doch, wenn du kein Schmuckstück bist, wieso bist du dann hier?", sie zeigte auf meine roten Haare, „Du wirkst auch nicht wie eine Italienerin... Aber du wirkst zu jung und nun ja... auch zu intelligent, um wegen einer unbeglichenen Schuld für die da...", das Mädchen nickte zu der Gruppe Mafiosi, die immer noch Raketen in die Luft jagten, „... arbeiten zu müssen..." Dann hörte sie auf zu reden.

Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, dass Ariana auf eine Antwort zu warten schien. Ich wollte mich gerade erklären, als mir Lucios Drohung einfiel. Ich durfte nicht darüber reden. Die Tatsache, dass sie hier war, bedeutete vermutlich zwar, dass sie zur Familie gehörte... Aber was, wenn das hier ein Test war Ariana wirkte zwar nett, aber es könnte auch alles nur gespielt sein. Seit wann war ich nur so paranoid?! Oh, richtig... Da war so eine Sache mit der Mafia... „Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich dir das erzählen darf...", antwortete ich schließlich zögerlich. Ariana wirkte etwas enttäuscht, zeigt mir jedoch mit einem Nicken, dass sie es verstand.

„Eine Frage habe ich trotzdem noch: Du bist mit Lucio hergekommen, oder? Ihr standet zumindest die ganze Zeit zusammen da... Also ich stalke euch nicht, oder so... Nur Lucio übernimmt normalerweise keine normalen Aufträge und da du nicht so wirkst, als würdest du hier Leute kennen, nehme ich an, dass du ein Auftrag bist. Oder läuft da was zwischen euch?", bohrte Ariana neugierig nach. Oh Gott... Bitte lass sie nicht ein Fangirl von Lucio sein, das jetzt nur nett tut und mich in Wirklichkeit nur verhören wollte. Vermutlich wird sie mir gleich drohen und mir sagen, dass sie mir die Augen auskratzen wird, wenn ich mich an Lucio ranmachen sollte...

Ein Lachen unterbrach meine Gedanken. „Ich hab das gerade laut gesagt, oder?", fragte ich Ariana zerknirscht. Immer noch lachend, konnte sie nur nicken. Als sie sich wieder gefangen hatte, brachte sie unter japsen den Satz „Ich bin seine Schwester!" hervor.

Mafioso to goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt