Kapitel 33

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Erst nachdem Lucio sich vergewissert hatte, dass niemand anderes im Raum war, ließ er die Waffe wieder sinken. Ich ließ die Decke sinken, da ich sie nun nicht mehr als mehr oder weniger sinnvolles Versteck benötigte. „Es war nur ein Albtraum", sagte ich mehr zu mir selbst als zu Lucio. Doch er hörte es trotzdem. Lucio steckte die Waffe wieder in seinen Hosenbund und setzte sich auf meine Bettkante. Frustriert rieb er sich mit einer Hand über sein Gesicht. „Willst du darüber reden?", fragte er leise. Ich schüttelte heftig den Kopf und ließ mich dann wieder auf mein Kopfkissen sinken. Ich schloss meine Augen, in der Hoffnung, er würde es als Zeichen zu gehen, wahrnehmen. Doch das tat er nicht.

Eine Weile lang war er still. Doch dann fing er an zu erzählen. „Sie sagen immer, dass es nach dem ersten Mord leichter wird. Oder, dass die erste Leiche am schwersten anzusehen ist. Letztendlich ist es jedoch jedes Mal das Gleiche. Du lernst nur mit der Zeit, damit umzugehen. Du findest Wege, es zu verarbeiten. Entweder du verdrängst es, oder du machst dir klar, dass es nicht deine eigene Entscheidung war, jemanden zu töten. Wäre es nicht Teil deines Vertrauensbeweises gewesen, hätte ein anderer es erledigt. Du hast Bernotti nicht getötet. Mein Vater hat es getan." Oder eben du, wollte ich hinzufügen. Tat es Jedoch nicht, da Lucio anscheinend ignorieren wollte, dass ich Bernotti nicht wirklich getötet hatte.

„Willst du, dass ich heute Nacht hierbleibe?", fragte er mich. Beinahe sofort wollte ich nein sagen. Mein Stolz sagte mir, dass ich ihn nicht brauchte und dass ich alt genug war, selbst nach einem schrecklichen Ereignis, allein zu Hause zu bleiben. Mein Kopf sagte mir, dass es vollkommen idiotisch war, dass er hierblieb, denn er war ein Krimineller und ein Mörder. Doch egal was er war, ich wollte heute Nacht nicht allein mit den Erinnerungen aus der Werkstatt bleiben.

Also nickte ich kurz, wandte mich jedoch schnell von ihm ab, damit es nicht so wirkte, als bräuchte ich ihn hier. Lucio stand auf und schaltete das Licht, welches er vorher noch angemacht hatte, aus. Mondlicht beleuchtete nun mein Zimmer schwach. Gemütlich kuschelte ich mich wieder in meine Decke ein und schloss die Augen. Plötzlich senkte sich die Matratze neben mir. Blitzschnell wandte ich mich zu Lucio um, der sich mittlerweile die Schuhe ausgezogen hatte und sich nun mit ausgestreckten Beinen auf meiner Decke ausgebreitet hatte. Er saß halb aufrecht und lehnte seinen Kopf an der Rückenlehne an.

„Was zur Hölle tust du da?!", fuhr ich ihn an. Lucio seufzte und rollte mit den Augen. Zumindest glaubte ich, dass er das tat, denn genau konnte ich es bei dem geringen Licht nicht erkennen. „Ich werde sicherlich nicht die ganze Nacht in der Küche sitzen. Und es ist ja nicht das erste Mal, dass wir beide zusammen in einem Bett schlafen! Ich habe ja mittlerweile festgestellt, dass du keine Decken klaust!"

„Du...", setzte ich an, doch führte meinen Satz nicht fort, weil ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte. „Ja, ich?", grinste Lucio. „Ahgrr! Du bist unmöglich!", schrie ich und begrub meinen Kopf unter meinem Kissen. „Schlaf jetzt! Wenn du müde bist, schmeckt der Kaffee, den du mir morgen früh machst, bestimmt nicht!", lachte Lucio. Ich nahm das Kissen von meinem Gesicht und schaute ihn mit zwei hochgezogenen Augenbrauen an, die er in der Dunkelheit vermutlich noch nicht einmal sehen konnte. „Du kannst dir deinen Kaffee so was von selbst machen!" Lucio grinste mich nur an. „Wir werden sehen, Evangeline!"

Als ich Lucio gerade damit drohen wollte, dass ich ihn das nächste Mal, wenn er Kaffee bei Vito bestellte, vergiften würde, sollte er mich noch einmal so nennen, fiel mir auf, dass er es geschafft hatte, mich abzulenken. Ich hatte weder an Bernotti, noch an Lucios zerstörtes Leben, noch an die Tatsache, dass er Bernotti vielleicht getötet hatte, gedacht. Ich war nicht mehr so panisch und nervös. Meine Angst davor, dass die Polizei bei mir auftauchen würde, um mich festzunehmen, oder vielleicht sogar Bernottis Geist, um mich auf ewig zu verfluchen, war ebenfalls verschwunden.

„Danke", flüsterte ich leise. Dann drehte ich mich von Lucio weg und kuschelte mich ein. „Wofür?", fragte er. Dafür, dass er mich damals in Vitos Café nicht getötet hatte. Dafür, dass er Bernotti für mich ermordet hatte und mir somit die schwerste Entscheidung meines Lebens genommen hatte. Dafür, dass er gerade hier war und die dunklen Gedanken vertrieb. „Für alles", antworte ich knapp.

Dann schloss ich meine Augen. Die ersten paar Sekunden wartete ich auf irgendeine sarkastische Bemerkung von Lucio, doch sie kam nicht. Vermutlich hatte er verstanden, dass ich es ernst gemeint hatte. Schließlich versank ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf, aus dem ich bis zum Morgen nicht erwachte.

Irgendetwas hielt mich fest. Oder eher irgendjemand. Ein Arm. Lucios Arm?! Um meine Hüfte?! Hatte er sich im Schlaf bewegt?! Hinter mir hörte ich ein leises Lachen. Er schlief definitiv nicht mehr. „Ich gebe dir genau fünf Sekunden, in denen du deinen Arm wegbewegen kannst. Danach wirst du es echt bereuen!", sagte ich so laut, dass ich damit vermutlich selbst einen schlafenden Lucio geweckt hätte. Doch dieser interessierte sich anscheinend nicht so wirklich dafür, denn er bewegte sich nicht mal ansatzweise von der Stelle. „Eins...", zählte ich hoch, „Zwei..." Ich sollte mir langsam mal überlegen, was ich Lucio denn überhaupt antun konnte, denn zurzeit konnte ich mich noch nicht einmal bewegen. „Drei...", zählte ich ganz langsam weiter um Zeit zu schinden. „Vier..."

„Was hast du überhaupt vor zu tun, wenn du fertig mit dem zählen bist? Mich aus dem Bett werfen?", fragte mich Lucio belustigt. Seine Stimme war vom Schlafen rau, doch trotzdem konnte ich dem Sarkasmus gut heraushören. „Mir wird schon was einfallen!", antwortete ich schnippisch.

„Dann ist ja gut, denn immerhin hast du noch eine ganze Sekunde Zeit!"

„Vielleicht solltest du diese Sekunde lieber nutzen, um dich von mir weg zu bewegen!"

„Ab dem Zeitpunkt, an dem ich auch nur ansatzweise annehme, dass du mir gefährlich werden könntest mach ich das vielleicht auch! Aber sein wir mal ehrlich, Fragolina, du kannst mir nichts anhaben. Versprich mir, dass du mir Kaffee machst und hmmm... eventuell auch Frühstück und ich lass dich gehen"

Ich lass dich gehen... Das klang ja gerade so, als würde er mich einsperren. Aber das hier war meine Wohnung, mein Zimmer, mein Bett. „Ich werde nicht im Traum daran denken dir...", wollte ich gerade anfangen, da kam mir eine Idee. Eine sehr gute Idee, die mir vermutlich im Nachhinein noch leidtun würde, jedoch würde es den Moment wert sein. „In Ordnung! Ich mach dir Frühstück!", sagte ich mit einem Lächeln auf dem Lippen, das Lucio zum Glück nicht sehen konnte.

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Hallo :)

Ein extrem spätes Update... Nach meinem Urlaub wird wieder alles normal und ich update wieder wie immer. Ich kann auch nicht wirklich auf eure Kommentare antworten, weil ich fast nie Internet hab und selbst das, was ich hab, extrem langsam ist...

Naja... Ich hoffe ihr hasst mich jetzt nicht zu sehr :) Das nächste Kapitel kommt auf jeden Fall Mittwoch, denn da bin ich wieder zu Hause. Vielleicht schaff ich es auch früher... Mal sehen :)

LG Wendy <3


Mafioso to goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt