⭑Wellen [TWILIGHT]

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Claire Hale
Fandom: Twilight
[Noch bevor Bella nach Forks kam]

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"Beruhige dich." Charlisles Stimme drang immer wieder zu mir - ich versuchte sie mit vollster Kraft von mir weg zu schieben.

Dieser Satz brachte nichts. Gar nichts - wenn mir alles zu viel wurde.
Niemand wusste hier wie es war, wenn man mit Gefühlen & Emotionen überflutet wurde. Wie es war, wenn man zehn Gefühle gleichzeitig in sich wahrnahm - und dann auch noch irgendwie leben und Handlungen angehen musste.

Wie es war, wenn man die Wut des Gegenübers regelrecht aufsog - wodurch man den restlichen Tag so geladen war, dass man alles um sich herum in Brand stecken könnte.
Niemand wusste, wie schmerzvoll und energieraubend all dies war.
Keiner von den Cullens - noch den Hales - wusste, wie schlimm es war.

Niemand - ausser am ehesten Jasper.

Ich war noch nicht allzu lange von Charlisle und Esme adoptiert worden - aufgenommen worden in die Familie.
Es war Jasper, welcher mich damals gefunden hatte.

Zwar verblasste mein menschliches Leben langsam aber sicher - aber an einige Sachen erinnerte ich mich leider noch ganz genau.

Ich war obdachlos gewesen. Früher hatte ich einen Job gehabt - wusste nicht mehr, was es genau war. Es war mein erster Job nach der abgebrochenen Schule gewesen. Dann war alles den Bach runter gegangen. Familie krank. Beerdigungen. Arztbesuche. Psychiatrieaufenthalte. Eingesperrt. Medikamente.
Danach auf den Strassen. Eiskalte Winter. Hunger. Alkohol. Habgierige Menschen. Schlimme und brutale Menschen. Einsamkeit. Verzweiflung.

Ich hatte damals den Entschluss gefasst, irgendwo hin zu gehen. Ich hatte nicht gewusst wohin - bloss weg von der stinkenden und unmenschlichen Stadt.
Kam damals in einem Wald an - es war Winter gewesen und ich wusste mittlerweile nicht mehr, was mich genau geritten hatte - dass ich im tiefsten Winter einfach so in den Wald hinausgegangen war.

Ich erinnerte mich daran, dass ich irgendetwas gefühlt hatte. Eine Anziehung - eine Anziehung meinesgleichen. Aber von einem anderen Menschen. Menschen? Nein, irgendetwas anderes.

Als würde jemand durch den Wald nach mir rufen - der aber meinen Namen gar nicht kannte. Deswegen rief er irgendetwas anderes - lautloses.

Danach wurden die Erinnerungen verschwommen - Edward hatte mir erzählt, dass Jasper mich gefunden und sofort unterkühlt zu ihrem derweiligen Zuhause gebracht hatte.

Jasper hätte dieses Etwas auch gespürt - dieses gemeinsame Gefühl. Hätte mich nicht einfach im Wald sterben lassen können.

Charlisle versuchte mich danach gesund zu pflegen - auch da erinnerte ich mich nur noch an Bruchstücke. Etwa an kurze Momente in denen er mir Blut abnahm - oder wie Alice mir das Kissen zurecht gerückt hatte.

Irgendwann, hatte mir Emmet erzählt - konnte Charlisle aber nichts mehr tun.
Ich war zerbrochen - so hatten sie es genannt. Mein menschlicher Körper war so durchlöchert und zerfetzt gewesen - innerlich wie äusserlich.

Wenn ich mich nun anstrengte, zurück zu denken - musste ich zugeben, dass ich auch nicht mehr hätte leben wollen. Nicht mehr so.

Also fällte Charlisle die Entscheidung - er hätte damals wirklich alle anderen Wege probiert, hatte mir Rosalie erzählt.
Aber vielleicht hatte ich letztendlich auch gar nicht mehr gesund werden wollen.

Also verwandelte Charlisle mich - und diese Erinnerung fühlte ich immer noch in mir. Als wäre es nicht schon Jahre her.

Der Schmerz war grenzenlos gewesen - hatte gedacht, ich hätte das Schmerzmaximum dieser Welt schon kennengelernt gehabt. Doch als er mich biss - da durchflutete der Schmerz meinen ganzen Körper. Nirgens war kein unbändiger Schmerz zu spüren.

Später hatte er mir gesagt, dass er noch nie so eine schmerzvolle und schlimme Verwandlung hatte miterleben müssen - und dass er sich bis heute unfassbare Vorwürfe machte.
Ich sah es tagtäglich in seinen Augen - diese Schuldgefühle.

Esme hatte mittlerweile den Verdacht, dass ich meine Hypersensibilität schon damals besass - nur natürlich nicht in diesem Ausmass, von welchem ich sie nun fühlen musste.

Ich erinnerte mich noch daran, als ich aufwachte. In meinem neuen, stärkeren Körper.
Ich fühlte mich robuster - undurchdringlicher.
Ich konnte wieder richtig atmen - richtig sprechen. Mein Bauch tat nicht mehr weh von dem viel zu wenigen Essen.
Mein Kopf schmerzte nicht mehr, weil ich so viel geweint hatte.

Es war ein spektakuläres Event gewesen, hatte mir Emmet erzählt. Er hätte sich damals sogar Popcorn gemacht, auch wenn er es gar nicht hatte essen wollen - aber daran glaubte ich eher weniger.

Das Schönste aber war nicht die unbändige Kraft - das schnelle Rennen oder diese Unsterblichkeit gewesen.
Für mich war endlich dies geschehen, was ich seit meinem ganzen Leben wollte; Nicht mehr alleine zu sein.

Ich hatte endlich eine Familie, die mich beschützte, wenn ich es brauchte. Und welche ich beschützen konnte, wenn sie es brauchten.

Dadurch, dass ich meine und anderer Gefühle so derart stark empfing - war mein Blutdurst um einiges grösser, als etwa bei meinen anderen Familienmitgliedern.

Jasper hatte das Gleiche durchgemacht, hatte man mir gesagt. Und deswegen war ich die letzten Jahre sehr oft an seiner Seite gewesen.

Er gab mir Sicherheit - denn er fühlte das Gleiche wie ich. Er konnte zwar anderer Gefühle auch beeinflussen - was ich nicht konnte - aber dies half mir selbst oftmals sehr.

Auch wenn ich es nicht sonderlich gut mit meinem Stolz vereinbaren konnte - manipulierte er oftmals meine Gefühle, wenn es mir selbst zu viel wurde.
Aber er fragte stets zuerst um mein Einverständnis. Niemals würde er dies tun, ohne mit mir darüber zu sprechen.

Manchmal war mir alles so zu viel - sodass ich nur noch in meinem Zimmer sass und schrie. Die Ohren zuhielt - auch wenn dies natürlich überhaupt nichts brachte.

Es waren nämlich nicht nur die Gefühle derer, die gerade um mich herum waren - welche mich einnahmen.
Es waren alle Gefühle, die ich je gefühlt hatte. Welche, die Wochen zurücklagen - andere, die Jahrzehnte zurücklagen.

Wie eine Welle überfluteten sie mich - und auch Charlisle konnte dagegen nichts tun.
Es kam und ging.
Wie Wellen.

seelenverwandte | oneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt