2. _Naomi_

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  Wie immer wachte mein Sohn punkt genau zu Sonnenaufgang auf. Nur dass er mich für gewöhnlich weiterschlafen ließ. Diesmal hörte ich ihn die ganze Zeit durch das Haus marschieren und irgendetwas anstellen oder verräumen. Hätte ich die Schokotorte und seine Geschenke nicht bei mir im Zimmer hätte ich mir fast schon Sorgen gemacht Will könnte sie finden. Irgendwann war es sowieso Zeit zum Aufstehen und als ich ins Wohnzimmer kam fand ich meinen Sohn voll angezogen, wie er wahrscheinlich zu x-ten Mal die Tischdeko auf dem kleinen Wohnzimmertisch neugestaltete. Unwillkürlich musste ich daran denken, wie er gestern Abend so seltsam geleuchtet hatte. Und nicht so wie man es sagte, wenn sich jemand besonders freute oder so, sondern wirklich geleuchtet! Seine ganze Haut hatte begonnen Licht auszustrahlen wie die Sonne. Aber ich wollte Will seinen Geburtstag nicht verderben, also sprach ich ihn nicht darauf an. Stattdessen begann ich nach einem kurzen "Guten Morgen" zu Will, dass er völlig überhört hatte, das Frühstück vorzubereiten. Wir hatten beschlossen, seinen Geburtstag erst im Familienverband so richtig miteinander zu feiern und den heutigen Tag Will und seinem Freund zu lassen.

Immer wieder schaute ich zu Will, der nach wie vor durch das Haus lief und offenbar irgendeine Beschäftigung suchte. Irgendwie war es wirklich süß wie nervös er war, auch wenn mich das ein wenig wunderte. Immerhin war er schon seit einem Jahr mit diesem Nico di Angelo zusammen und kannte ihn bestimmt - hoffentlich - schon viel länger. Einerseits wollte ich unbedingt, dass Will im Punkt Beziehungen vorsichtig war, besonders wenn ich daran dachte, wie Jimmy mich hatte sitzen lassen als Will geboren war. Andererseits kannten sich die beiden nun schon so lange und Will schien wirklich glücklich zu sein. Trotzdem wusste ich nicht so ganz, was ich von all dem halten sollte. Wie lange würde es dauern bis die beiden beschlossen zusammen zu ziehen und Will auszog? Wir waren zwar viel auf Reisen und immer an einem anderen Ort aber ich konnte mir nicht vorstellen alleine weiterzufahren. 

"Will, Pancakes sind fertig!", rief ich Richtung Wohnzimmer um mich auf andere Gedanken zu bringen. "Was? Wieso hast du mich nicht schon vorher gerufen? Ich hätte dir geholfen!", beschwerte sich Will als er in die Küche stolperte. Als ich ihn sah musste ich lachen. "Was?", fragte Will wieder, "Ich hätte dir wirklich geholfen!" "Dein T-Shirt, Schatz. Wenn du schon das ganze Haus putzt, hätte dir auch auffallen können, dass du es verkehrt herum anhast. Und du hast dir die Haare nicht gekämmt." Verdutzt schaute mein Sohn an sich herunter. Dann drehte er das Shirt um, fuhr sich ein paarmal mit der Hand durch die blonden Locken und nuschelte verlegen: "Stimmt, danke Mom." Wir setzten uns an den Tisch und aßen erst mal schweigend. Will stocherte auf seinen Pancakes herum und starrte immer wieder zur Haustür. Normalerweise war Will nicht annähernd so nervös wie jetzt grade. "Will, dein Freund kommt erst in ein paar Stunden warum bist du schon so aufgeregt? Und schieb es nicht auf dein ADHD!", fügte ich hinzu als ich Wills Gesichtsausdruck sah. Will seufzte, stützte seinen Kopf auf die Hände und murmelte: "Kann sein, dass mir erst jetzt klar wird, wie sehr ich will das Nico...sich wohl fühlt? Beeindruckt ist?" Als er aufsah glühte sein Gesicht. Aber diesmal nicht wie die Sonne, sondern vor Röte. Ich lächelte meinen Sohn an "Will, wenn er dich wirklich liebt wird er sich immer wohl fühlen, solang du da bist. Mir hat es auch immer und überall gefallen solange meine Lieblingsperson bei mir war." Will lächelte tapfer zurück.

  Wir aßen zu Ende und mein Sohn half mir das Geschirr zu spülen und die Küche in Ordnung zu bringen. Ich holte außerdem die Geschenke und den Kuchen aus meinem Zimmer. Die Geschenke, es waren zwei von mir und ein großes von Wills Großeltern legte ich auf dem Tisch auf. Ich hatte den Kuchen über Nacht in einer braunen Tortenschachtel in einer Kühltasche gehabt, aber jetzt stellte ich die Schachtel in den Kühlschrank. Will deckte den Tisch währenddessen für sich und seinen Freund neu.

 Damit er nicht wieder im Haus Amok lief, bat ich ihn mir beim Packen zu helfen. Bestimmt bereute er schnell zugestimmt zu haben, denn ich quetschte ihn ganz nach Mummy-Manieren aus was er in den drei Tagen, in denen ich weg war, machen wollte. Will erzählte: "Also heute werden wir nur das Matratzenlager aufbauen und Kuchen essen und einfach reden. Morgen gehen wir dann um 20:00 Uhr ins Kino auf der Hauptstraße und schauen und Star Wars in 4D an! 4D, Mom! Das wird soo cool! Davor sind wir noch Eis essen, aber Abendessen machen wir uns zuhause, weil die Restaurants auf der Hauptstraße einfach eine Katastrophe sind." Will holte tief Luft und redete dann gleich weiter. Seit wann war er so gesprächig? "Übermorgen ist nix geplant, aber ich hab Nico gesagt er soll für jeden Fall packen! Vielleicht gehen wir ins Freibad oder gehen einfach spazieren oder so. Tja, und Über-Übermorgen kommst du eh schon zurück mit einem nagelneuen Job beim New Yorker Radio und kannst ihn kennenlernen!" Will schaute mich begeistert an als hoffte er auf irgendein Kommentar, aber ich musste mich stark zusammenreisen um nicht einfach vor Freude loszuheulen. Es war so offensichtlich, dass mein Sohn hoffnungslos verliebt war, dass es fast schon zu schön war, um wahr zu sein.

Ein paar Minuten später musste ich auch schon los. Als ich ins Auto stieg stand Will an der Tür und winkte. Ich fuhr durch den kleinen Vorort, in dem wir lebten und bog dann Richtung High Way, nach New York, ab als mir eine schwarze Stretchlimousine entgegenkam, auf dessen Kennzeichenschild Hades666 stand. Fast wäre ich von der Straße abgekommen. Als ich meinen Wagen an dem Riesenteil vorbei lenkte, konnte ich auf dem Rücksitz einen blassen, schwarzhaarigen Jungen von maximal 15 Jahren erkennen. Konnte das....? Ich schüttelte den Kopf über diesen seltsamen Gedanken. Nein, das konnte unmöglich Nico di Angelo sein!

Solangelo 1 - Wills GeburtstagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt