Blaue Bänder

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Wieder fand sich Hermine in einem Zaubertrankklassenzimmer wieder. Es war der selbe von dem sie schon einmal träumte. Keine Bänke, keine Regale, nur ein alter Kessel wurde achtlos an die Wand geschoben. Außerdem befand sich erneut ein Schreibtisch in der Mitte, an dem Hermine saß. Sie erkannte das Buch vor sich und spürte sogleich das Bedürfnis jede einzelne Zeile lesen zu wollen. Doch wieder verschwammen die Buchstaben vor ihren Augen. Wie schon in ihrem ersten Traum sah sie sich panisch nach Hilfe um. Sie sah ihren Professor an der Tür stehen. Er kam langsam auf sie zu.

„Keine Spiele mehr", befahl er erneut.

„Was meinen Sie, Professor?", fragte sie.

„Die blauen Bänder sind keine Lösung. Sie tun dir gut. Am Ufer findest du das, was du suchst. Dort ist es dunkel".

„Warum sagen Sie mir das? Was bedeutet das?", fragte sie. In Hermine kam das Gefühl auf, dass Snape Informationen verbarg, die sie dringend benötigte.

„Ufer und Wasser sind Gegensätze", erklärte er. „Das Wasser ist voller Leben. Am Ufer erwartet dich Dunkelheit".

Hermine versuchte seiner Erklärung zu folgen. Gerade wollte sie ihn fragen, was genau er damit meinte, als der Raum sich auflöste und Snape verschwand. Sie sank tiefer in den Schlaf.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, erinnerte sie sich nicht mehr daran.

Hermine verbrachte den Tag damit dem Drang zu widerstehen, in die Bibliothek zu gehen und nach Büchern über den Regentau zu suchen. Von diesem Pflanze hörte sie das erste Mal am Tag zuvor im Unterricht Alte Runen. Laut Professor Babbling verursacht der Regentau Atembeschwerden. Aber Hermine wusste nichts über das Gift, die Verwendung und auch sonst nichts über die Pflanze an sich. Doch sie erinnerte auch sich an Snape's Forderung: Sie werden keine Forschungen mehr anstellen! Immer noch verstand sie nicht, weshalb er sie so verbissen davon abhalten wollte. Aber sie vertraute ihm. Und sie wollte ihn nicht verärgern. Zu groß war die Gefahr, dass er jeden noch so kleinen Fehltritt als Vorwand nutze, um sie nicht mehr bei ihrer Arbeit unterstützen zu müssen. Hermine entschied sich dazu, ihre Neugier herunterzuschlucken und sich all die Fragen für ihre nächste Besprechung aufzuheben. Jetzt fieberte sie lieber dem Nachsitzen am Nachmittag entgegen.

Kurz vor fünf Uhr verließ Hermine den Gryffindorturm mit einer Mischung aus leichter Unsicherheit und freudiger Erwartung. In ihrem Magen breitete sich ein immer stärker werdendes kribbelndes Gefühl aus, je näher sie dem Kerker kam. Dort angekommen hielt sie noch einen Moment inne, holte dann tief Luft und klopfte dreimal an die dunkle Eichentür.

"Herein!", ertönte die gedämpfte dunkle Stimme von Snape.

Hermine drückte die Klinke herunter und sofort roch sie den typischen Geruch von intensiven Kräutern. Obwohl sie noch nie zuvor hier gewesen war, spürte sie eine gewisse Vertrautheit. Der Raum war rund und die Wände vollgestellt mit deckenhohen Regalen. Sie erblickte ihren Professor und begann zu lächeln. Er saß hinter seinem Schreibtisch und hatte vor sich einen Stapel Pergamente ausgebreitet. Ein kleines Tintenfass mit einer großen weißen Feder stand vor ihm. Als Hermine eintrat, schaute er nicht auf – solang, bis sie ihn mit einem freundlichen "Guten Abend, Professor Snape!" begrüßte. Jetzt hob er doch den Kopf. Eine kurze Verwirrung machte sich auf seinem Gesicht breit angesichts der freundlichen Begrüßung, die sie ihm entgegenbrachte. Normalerweise wagten es Schüler nicht, dass Wort zuerst zu ergreifen und ihm vor allem nicht selbstbewusst und freundlich, statt ängstlich und schüchtern gegenüberzutreten.

"Sie sind zu spät, Miss Granger", sagte er forsch, ohne auf ihre Begrüßung einzugehen.

"Entschuldigen Sie, Sir. Es sind sicher nur ein paar Minuten", gab Hermine vorsichtig zurück.

"Vier, um genau zu sein. Wenn ich Ihnen um fünf Uhr sage, meine ich das auch! Ich habe nicht den ganzen Abend Zeit", blaffte er sie an.

"Tut mir leid", sagte Hermine noch einmal. "Es wird nicht wieder vorkommen".

Nur Wer Zusammen Ist, Ist Nicht AlleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt