Magie lügt nicht

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Ein lautes Pochen riss Hermine am nächsten Morgen unsanft aus dem Schlaf. Müde hob sie den Kopf und schaute auf ihren Wecker – es war kurz vor halb 8.

Hermine stöhnte auf. Ein weiteres Pochen lenkte ihre Aufmerksamkeit auf eine kleine, schwarze Eule, die draußen an ihrem Fenster saß. In ihrem Schnabel hielt sie einen roten Brief. Verwirrt setzte sie sich auf. Wer konnte ihr so früh schon einen Brief schicken? Und warum machte der Vogel da draußen so einen ohrenbetäubenden Lärm? Sobald Hermine das Fenster geöffnet hatte, flog ein junger Uhu herein und verteilte überall auf ihrer Bettdecke weiße Schneeflocken. Ein wenig genervt nahm sie den Brief entgegen und erschauderte. Es war ein Heuler. Und die Handschrift darauf erkannte sie sofort.

Hermine erschrak fürchterlich, als die tiefe Stimme ihres Professors zu Brüllen begann.

„MISS GRANGER! In mein Büro. SOFORT!".

Die Worte prallten an den Wänden ihres Schlafsaals ab und klangen noch einige Zeit in ihrem Kopf wider. Trotz ihrer Müdigkeit kletterte sie schnell aus dem Bett und warf sich ihre Uniform über. Fünf Jahre Unterricht mit Professor Snape hatten sie gelehrt, lieber keine Zeit zu verlieren, wenn er sie zu etwas aufforderte und offensichtlich bis aufs Äußerste gereizt war. Doch den Grund für seine Wut konnte sie sich nicht erklären.

Sie kletterte durch das Portraitloch und betrat den kalten Korridor. Als sie durch das verschlafene Schloss lief, fiel Hermine das erste Mal auf, wie einsam es doch in Hogwarts werden kann. Vielleicht lag es auch an der Uhrzeit, aber die morgendliche Stille erzeugte eine seltsam erdrückende Stimmung. An den Fenstern bildeten sich große Eiskristalle und an der Außenseite peitschte der Schnee gegen die Scheiben. Hermine raffte ihren Umhang enger um sich, als ein kalter Luftstoß durch den Korridor zog. Bis auf ihre eigenen Schritte hörte sie kaum etwas. Alles befand sich in winterlicher Ruhe.

„Miss Granger? Was treiben Sie hier so früh?", fragte eine bekannte Stimme hinter ihr. Hermine zuckte zusammen, da sie fest davon überzeugt war, allein zu sein.

„Professor! Wie schön Sie zu sehen", begrüßte sie ihre Hauslehrerin, als McGonagall auf sie zu kam.

„Es scheint ein wenig früh für Sie zu sein. Was treibt Sie um diese Zeit durch das kalte Schloss?"

„Ich muss zu Professor Snape", erklärte Hermine. „Er möchte mich sprechen".

„Er möchte Sie sprechen?", wiederholte McGonagall verblüfft, als wäre der Umstand, dass Professor Snape seine Schülerin am Weihnachtsmorgen zu sich ruft, für sie nicht zu begreifen. „Gut, dann begleite ich Sie. Ich möchte ihn ebenfalls sprechen. Obwohl ich den Weg in die Kerker sicherlich umsonst gehe".

„Wieso das?", fragte die Schülerin.

„Nun, ich werde Severus zu unserem weihnachtlichen Abendessen einladen. Er wird es wie in jedem Jahr ablehnen, aber dennoch möchte ich ihm die Möglichkeit geben. Es ist nur höflich".

„Oh", sagte Hermine begeistert. Harry und Ron hatten ihr von diesem Festmahl erzählt, doch nie hatte sie es selbst miterlebt. Dies war das erste Jahr, in dem sie über Weihnachten in Hogwarts blieb und schon seit Beginn der Ferien freute sie sich auf dieses Abendessen. Die Aussicht, Professor Snape könnte ebenfalls daran teilnehmen, steigerte ihre Laune gewaltig.

Zusammen mit ihrer Hauslehrerin machte sich Hermine auf den Weg in die Kerker. Ein himmlischer Geruch von gebratenem Truthahn wehte durch die Eingangshalle und ließ erahnen, wie köstlich die Speisen am Abend werden würden.

Die beiden Frauen liefen an der Großen Halle vorbei und folgten einer Treppe hinab in die Kerker. Doch je tiefer sie kamen, desto kälter wurde es. In der Eile am Morgen hatte sich Hermine nur einen dünnen Umhang übergeworfen, was sie jetzt bitter bereute. Auch McGonagall raffte ihren Morgenmantel enger, als sie das Büro des Tränkemeisters erreichten. Vorsichtig klopfte Hermine dreimal an die massive Eichentür. Von drinnen hörten sie nur ein genervtes Schnauben, bevor die Tür aufschwang.

„Du meine Güte! Was ist denn hier passiert!?", brach es aus McGonagall hervor, als sie Snapes Büro betrat.

Dieser saß hinter seinem Schreibtisch und erhob sich dann, als die beiden Gryffindors über die Türschwelle traten. „Nun, ich bin gerade dabei, es herauszufinden", sagte er und funkelte Hermine böse an. Diese wich aus Reflex ein paar Schritte zurück.

„Miss Granger?", fragte ihre Hauslehrerin erneut verblüfft. „Sie haben das angerichtet?"

„Das klären wir gleich", sagte Snape bedrohlich und ging auf sie zu. „Und nein, Minerva. Ich werde nicht zu eurem Weihnachtsessen erscheinen".

McGonagalls verwirrter Blick, mit dem sie gerade ihre Schülerin fixierte, richtete sich jetzt auf Snape.

„Oh. Natürlich", sagte sie knapp. „Ich habe leider auch nichts anderes erwartet. Es würde dir allerdings sehr gut tun, mal unter Menschen...-"

„Danke, ich brauche keinen mütterlichen Rat von dir. Die Antwort ist und bleibt nein!"

„Gut, ich verstehe. Frohe Weihnachten, Severus", wünschte McGonagall ein wenig bissig und verließ den Kerker. Snape nickte ihr nur zu und wandte sich dann an Hermine.

„Und nun zu Ihnen, Miss Granger! Ich denke, Sie wissen bereits, weshalb ich Sie heute Morgen herbestellt habe?"

Hermine neigte leicht den Kopf, um an ihrem Professor vorbei in sein Büro zu schauen. Ihr Blick wurde dabei von der Wand hinter seinem Schreibtisch angezogen – besser gesagt von dem, was sich dort gerade ausbreitete.

Sein gesamtes Regal, in dem er seine Vorräte aufbewahrte, war nicht mehr zu sehen. Anstelle von Einweggläsern und Flaschen, sah Hermine nur noch ein Geflecht aus Ranken und Blättern mit vielen roten Blüten darin. Der Zauber der Wildrose schien einwandfrei zu wirken. Hermine konnte nicht aufhören zu schmunzeln. Ihr gefiel der Anblick der wuchernden Pflanze und das wütende Gesicht ihres Professors daneben.

Doch Snape schien alles andere als begeistert. „Was soll das? Wie kann es sein, dass ich heute Morgen in mein Büro komme und meine Regale unter dieser riesigen Pflanze versteckt sehe? Welche zufälligerweise auch noch aus dem Topf wächst, den Sie gestern bei mir abgestellt haben. Schauen Sie, wie schnell sich das verdammte Ding ausbreitet. Bis zum Mittag hätte sich mein Büro in ein zusätzliches Gewächshaus für Professor Sprout verwandelt. Sehen Sie hin – es wird immer schlimmer. Würden Sie mir das erklären?", forderte er sie auf.
Hermine war überrascht darüber, wie schnell die Pflanze in einer Nacht gewachsen war. Reagierte die Wildrose nicht einfach nur auf ihre Gedanken? Gut, wenn sie sich recht erinnerte, hatte sie am Abend zuvor ständig an ihren Professor gedacht. Vor dem Einschlafen ging sie in ihrem Kopf verschiedene Szenarien durch, wie der gestrige Nachmittag noch hätte ausgehen können. Sie hatte sich gefragt, ob Snape die Pflanze immer noch für nutzlos hielt, wenn er ihre wahre Bedeutung herausfinden würde. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dachte sie jede Sekunde an ihn – am Tag und in der Nacht. Hatte sie nicht heute wieder von ihm geträumt? Reagiert die Rose auch auf ihre Träume? Dass würde zumindest das rasante Wachstum erklären.

Die Schülerin sah noch einmal zu ihrem vermeintlich perfekten Weihnachtsgeschenk. Die Rose wuchs immer weiter, sodass jetzt auch die Kerkerdecke mit roten Blüten verziert wurde. Er hatte Recht – bis zum Mittag würde sein Büro aussehen wie ein Gewächshaus.
Hermine entging das kurze Aufflackern von Humor nicht. Und das brachte sie nur noch mehr zum Schmunzeln.

„Antworten Sie mir gefälligst! Was haben Sie mit dieser Pflanze angestellt? Und hören Sie auf so dämlich zu grinsen!"

„Entschuldigen Sie, Professor", sagte Hermine, obwohl es ihr überhaupt nicht leidtat. Sie hoffte, dass Snape diesen Unterton überhörte, der ihn sicherlich am Wahrheitsgehalt ihrer Aussage zweifeln lassen würde.

„Es ist eine Wildrose, die mit dem Cognita Ostende-Zauber belegt wurde", erklärte sie.

„Das weiß ich selbst. Jeder Muggel sieht, dass mit der Pflanze etwas nicht stimmt. Ich will wissen, welche Bedingung den Zauber auslöst, damit ich diese verfluchten Ranken in den Griff bekomme".

„Das werden Sie nicht schaffen", sagte Hermine unsicher und versuchte dabei nicht belustigt zu klingen.

„Ach, und warum nicht?"

Weil ich ständig an Sie denken muss. „Weil sich der Zauber nicht so leicht eindämmen lässt".

„Hören Sie auf mit den Spielerein. Sagen Sie mir die Bedingung des Zaubers!", forderte er sie noch einmal auf. Langsam wurde er ungeduldig.

Hermine zögerte. Jetzt, da sie die Magie der Rose erklären musste, fühlte es sich absolut nicht richtig an. Wie würde er reagieren, wenn sie ihm die Bedingung erklärte? Sie hatte keine Sekunde darüber nachgedacht, dass sie so ihre Gefühle ihm gegenüber eingestehen musste, wenn er sie nach dem Sinn des Geschenks fragen würde. Wie kam sie überhaupt auf die Idee ihrem Professor ein Weihnachtsgeschenk machen zu wollen? War das nicht total absurd?

Ein weiterer Blick in sein Gesicht bestärkte sie jedoch, ihm die Wahrheit zu sagen. Verärgern wollte sie ihn nicht. Komm, Hermine, dachte sie. Gryffindors sollen mutig sein. Sag es ihm einfach.

„Die Wildrose reagiert auf die Gedanken an eine bestimmte Person", begann sie den Versuch einer Erklärung.

Snape verdrehte leicht die Augen. Das Mädchen schien es ernsthaft herauszufordern, dass er endgültig die Geduld verlor. „Reden Sie weiter! Die Gedanken von wem? An welche Person?"

„Nun, sie reagiert auf meine Gedanken", sagte Hermine vorsichtig und blickte zu Snape hinauf. Dieser bedeutete ihr wortlos fortzufahren. Hermine holte tief Luft. „Sie reagiert auf meine Gedanken an...an Sie".

Während die Wildrose drohte die halbe Kerkerdecke einzunehmen, sah Snape sie fassungslos an.

„Wie bitte?" war alles, was er für einen Moment sagen konnte. „Soll das ein Scherz sein? Wenn diese Pflanze ein Teil des Weasley-Scherzartikel-Sortiments ist, würde ich Ihnen empfehlen, es mir jetzt zu sagen".

„Nein, es ist kein Scherz", beharrte Hermine. „Diese Rose reagiert wirklich auf meine Gedanken. Immer, wenn ich an Sie denke, wächst sie ein kleines Stück weiter. Ich habe sie bei unserem letzten Besuch in Hogsmeade entdeckt. Es sollte ein kleines Weihnachtsgeschenk werden. Ich dachte, vielleicht würden Sie sich darüber freuen. Dass die Pflanze so schnell wächst, wusste ich nicht. Ehrlich".

Wenn er vor dieser Erklärung nur leichte Zweifel an ihren Aussagen hatte, so glaubte er ihr jetzt kein Wort mehr. Was hatte sie gesagt? Es sollte ein Geschenk sein? Für ihn? Wie lächerlich. Granger bestätigte wieder einmal, dass sie wahrlich keine Expertin im Erfinden von Ausreden war.

„Sie glauben mir nicht, oder?", fragte das Mädchen.

„Nein. Ich glaube Ihnen nicht", bestätigte Snape.

„Soll ich es Ihnen beweisen?" Ohne eine Antwort abzuwarten, schloss sie die Augen. Jetzt, da sie in seiner Nähe war, fiel es ihr umso leichter, sich ihren Professor vorzustellen und fest an ihn zu denken. Und ihre Gedanken gingen wie immer in dieselbe Richtung. Sie sah ihn in seiner schwarzen Robe vor ihr stehen. Groß und elegant. Wie er wohl aussieht, wenn er nur sein weißes Hemd trägt? Oder am liebsten noch weniger...

„Stop! Hören Sie sofort auf damit, Miss Granger!", rief Snape beinah panisch. Hermine öffnete die Augen und sah, wie sich unzählige neue Äste und Blüten an der Kerkerdecke bildeten. Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Ich weiß nicht, warum Sie das hier so amüsiert, aber ich erwarte, dass Sie die Sache in Ordnung bringen! Wie kamen Sie überhaupt auf die dämliche Idee mir – ein Geschenk zu machen?", fragte er und versuchte in die letzten Worte so viel Verachtung wie möglich zu legen.

„Ganz einfach. Es ist Weihnachten und ich wollte Ihnen eine Freude machen", erklärte sie, als wäre der Umstand mehr als selbstverständlich.

„Aha. Nun, Sie haben mir eine große Freude gemacht", antwortete Snape ironisch. „Aber noch größer wäre meine Freude, wenn Sie endgültig dieses verdammte Ding entfernen würden und ich es nie wieder sehen muss!"

„Aber es ist doch ein Geschenk für Sie!", beharrte Hermine.

Ihr war jedoch klar, dass die aktuelle Situation nicht gerade ihre Glaubwürdigkeit unterstützte. Ihr Ziel war es, ihm eine kleine Rose zu schenken, die langsam emporwächst. Jetzt breiteten sich die Ranken über sein gesamtes Büro aus, verschlagen seine Regale und drohten bald auch den gesamten Kerker einzunehmen. Es war nur logisch, dass er absolut nicht begeistert davon war, sich sein Büro langsam in ein Gewächshaus verwandeln zu sehen. Sie selbst wäre vermutlich genauso skeptisch und würde hinter dem Geschenk ebenfalls keinen guten Absichten vermuten, wenn sie sich in seiner Situation befinden würde. Wie konnte sie ihn dennoch davon überzeugen, dass es nicht ihr Ziel war, ihn zu verärgern?

„Dann tut es mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber ihr „Geschenk" trifft nicht ganz meinen Geschmack. Zum letzten Mal – ich erwarte, dass sie dieses Ding restlos aus meinem Büro entfernen!"

Hermine ließ sich nicht unterkriegen. „Und wenn ich eine Möglichkeit finde, den Zauber einzudämmen? Würden Sie sie dennoch nicht haben wollen?"

Snape seufzte genervt. Sie legte es tatsächlich darauf an, seine Nerven bis aufs Äußerste zu strapazieren. „Hören Sie mir überhaupt zu? Nein, ich möchte diese Pflanze nicht behalten!"

Hermine sah ihn traurig an. „Aber warum nicht?", fragte sie.

Ihr Lehrer sah sie weiterhin finster an. Diese Diskussion ging ihm sichtlich auf die Nerven.

„Miss Granger", sagte er langsam und beinah bedrohlich. „Wenn Sie nur halb so schlau sind, wie Ihre Professoren immer behaupten, dann verstehe ich nicht, warum Sie den Inhalt meiner Aussagen nicht begreifen. Ich brauche keine Pflanze, die mein Büro in ein Gewächshaus verwandelt. Und ich brauche auch keine Rose, die auf Ihre inhaltslosen Gedanken reagiert. Ich brauche keine lächerlichen Geschenke. Ich brauche keine Aufmerksamkeiten– weder von Ihnen noch jemand anderem! Haben Sie das endlich verstanden?"

„Nein", sagte Hermine schlicht. „Nein, das verstehe ich nicht. Mag sein, dass die Rose ihr Ziel ein wenig verfehlt hat, aber warum sind Sie sich so sicher, dass ich Sie mit dieser Pflanze verärgern wollte? Sie scheinen nicht einmal der Geste dahinter glauben zu wollen. Auch die Einladung von Professor McGonagall haben Sie abgelehnt, noch bevor sie das Thema überhaupt angesprochen hatte. Warum lehnen Sie all die Menschen ab, denen Sie etwas bedeuten? Warum wehren Sie sich gegen jegliche Zuneigung Ihnen gegenüber?"

Snape stellte fest, dass ihre Stimme weder anklagend noch vorwurfsvoll klang. Und das verwirrte ihn.

Hermine fuhr fort: „Auch, wenn Sie mir nicht glauben, aber diese Rose sollte tatsächlich meine Zuneigung Ihnen gegenüber ausdrücken. Und sicher wollte Professor McGonagall mit ihrer Einladung dasselbe bewirken. Bitte, Sir, kommen Sie heute Abend mit zum Festessen in die Große Halle. Ich würde mich wirklich sehr freuen, Sie dort zu sehen".

Für einen kurzen Moment dachte er tatsächlich darüber nach, ihre Einladung anzunehmen. Doch gleich darauf hörte er eine Stimme in seinem Kopf:
Bist du verrückt? Du wirst NICHT zu diesem Abendessen gehen! Sie spielt dir nur etwas vor. Niemand will dich dort sehen!

Sein Blick verfinsterte sich wieder. „Ich brauche Ihre Zuneigung nicht, Miss Granger. Doch wenn Sie mir ein wirkliches Geschenk machen wollen, dann verschwinden Sie jetzt. Ich bevorzuge das Fest allein zu verbringen!"

„Das glaube ich nicht", sagte Hermine traurig. „Jeder Mensch wünscht sich Gesellschaft und Zuneigung. Besonders an Weihnachten..."

Snape reagierte nicht darauf, sondern sagte auffordernd: „Los. Gehen Sie schon".

Widerwillig gab sich das Mädchen geschlagen und machte sich auf den Weg zurück in ihren Gemeinschaftsraum. Frustriert ließ sich Hermine auf ihr Bett fallen. So hatte sie sich den Weihnachtstag ganz sicher nicht vorgestellt. Gedankenverloren sah sie aus dem Fenster. Wie die Schneeflocken draußen, wirbelten die Gedanken in ihrem Kopf herum.

Sie hatte alles getan. Sie hatte ihm die Wildrose mit guter Absicht überreicht. Sie hatte ihm wahrheitsgemäß erzählt, was es damit auf sich hat. Was kann sie dafür, wenn er ihre Zuneigung nicht annehmen will und nicht akzeptiert, dass ihm jemand ein ehrliches Geschenk macht? Er war selbst schuld, wenn er Weihnachten allein verbringen musste. Sie und McGonagall haben ihm die Chance gegeben ein schönes Fest zu verbringen. Doch wie immer lehnte er Gefühle für ihn ab.

Hermine beschloss, sich auf andere Gedanken zu bringen und sich für die anstehende Weihnachtsfeier vorzubereiten. Wenn Snape die Einladung schon nicht zu schätzen weiß, würde sie es tun. Ein wenig Gesellschaft konnte ihr an diesem Abend auch nicht schaden.

Ein paar Stunden später saß sie gemeinsam mit den anderen Schülern und Professoren in der Großen Halle. Auf den Tischen befanden sich die köstlichsten Speisen - vom gefüllten Truthahnbraten über Lachs und Forelle bis hin zum beliebten Plum Pudding. Die Stimmung war ausgelassen, was wohl auch am übermäßigen Einsatz der Weasley-Produkte aus der diesjährigen Weihnachtskollektion lag.

Überall flogen kleine Weihnachtsmänner auf Besen durch die Halle und warfen Geschenke aus ihren Säcken, die sich kurz darauf in kleine Funken auflösten. In unregelmäßigen Abständen explodierte über ihren Köpfen ein Knallbonbon, welches dafür sorgte, dass es nicht nur draußen, sondern auch in der Halle anfing zu schneien.

Doch trotz all der Heiterkeit fühlte sich ein kleiner Teil in Hermine kalt und leer an. Die Gespräche um sich rum nahm sie nur halb wahr. Ständig wanderten ihre Gedanken weit weg von den Festlichkeiten der Großen Halle. Sie dachte an ihren Professor. Er war tatsächlich nicht zum Abendessen erschienen. Bis zuletzt hatte sie die Hoffnung, er würde sich doch noch umentscheiden. Die Enttäuschung darüber, dass er die Einladung abgelehnt hatte, saß tief. Sie hatte sich auf die gemeinsame Zeit mit ihm und den anderen gefreut. Aber nun saß sie hier ohne ihn und auch ohne ihre Freunde. Sie hatte geglaubt, die Abwesenheit von Harry und Ron würde ihr nichts ausmachen, wenn sie in Gesellschaft der anderen war. Doch jetzt, da die beiden Jungen fehlten, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als bei ihnen zu sein.

Hermine wusste nicht, wie lang sie überhaupt schon hier war. Es könnte eine halbe oder sogar zwei Stunden gewesen sein, als plötzlich eine Eule in die Große Halle geflogen kam. Sie drehte einige Runden über ihren Köpfen und landete dann neben Hermines Becher. Verwirrt darüber, das zweite Mal an diesen Tag einen Brief zu erhalten, nahm sie der Eule den Umschlag ab. Doch im Gegensatz zu heute Morgen, war er nicht rot. Zum Glück. Es war ein typischer Muggelumschlag, der die Größe einer Postkarte hatte.

Ein wenig lustlos öffnete sie ihn und fragte sich, was sie darin vorfinden würde. Aus dem Umschlag fielen ein Brief und ein kleines Bild heraus, welches Hermine einen Augenblick betrachtete. Sie lächelte über das, was sie sah, doch gleich darauf machte sich erneut eine unglaubliche Leere in ihr breit. Ihre Augen brannten und wurden wässrig. Sie blickte durch die Halle und versuchte die Tränen wegzublinzeln, damit niemand der Anwesenden ihren Gefühlsausbruch bemerkte.

Das frohe Lachen der anderen hörte sie gar nicht mehr. In ihren Ohren rauschte es, während erste Tränen über ihre Wangen liefen. Mit dem Bild in der Hand stand sie auf und lief aus der Halle. Sie musste unbedingt hier weg.

Nur Wer Zusammen Ist, Ist Nicht AlleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt