Eine unerwartete Wendung

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„Wer von Ihnen weiß, um welchen Trank es sich hierbei handelt?", fragte Professor Slughorn am Freitagmorgen im Zaubertränkeunterricht. Vor ihnen standen verschiedene Kessel aus denen farbige Dämpfe stiegen. Hermine erkannte sofort die typische feine Rauchbildung des Amortentia.

„Er soll für jeden unterschiedlich riechen. Und zwar danach, was denjenigen am meisten anzieht", erklärte sie.

„Sehr gut, Miss Granger", lobte Slughorn. „Möchten Sie uns einmal verraten, nach was er für Sie riecht?"

Hermine nickte und trat an den Kessel. Neugierig, welchen Geruch sie wahrnehmen würde, fächelte sie mit der Hand den Dampf in ihre Richtung.

„Ich rieche vor allem neues Pergament, frische Meeresluft und ..." Sie hielt inne. Kräuter! Sie sagte es nicht laut. Dieser Trank, der offenbarte, was sie am meisten anzog, roch eindeutig nach ihrem dunklen Professor. Sie lächelte. Und spürte gleichzeitig einen schmerzhaften Stich in ihrer Brust, als sie an das gestrige Gespräch mit Snape und seine Absage dachte. Mit etwas mehr Glück hätte er sie vielleicht angenommen.

Als hätte Slughorn ihren Gedankengang gehört, zeigte er auf den letzten seiner Tränke. Er befand sich in einer kleinen Phiole, nicht größer als ein Finger.
Felix Felicis, dachte Hermine, die die sirupartige und farblose Flüssigkeit von Skizzen und Beschreibungen aus Büchern wiedererkannte. Noch nie hatte sie ihn abgefüllt gesehen, da er als sehr selten und schwer zu brauen galt. Wie gern würde sie diesen Trank einmal zu sich nehmen. Laut den Berichten, die es darüber zu lesen gab, sorgte das „flüssige Glück" dafür, dass jedes Vorhaben erfolgreich verlief und jeder Plan am Ende funktionierte. Sie stellte sich vor, wie wohl ihr Gespräch mit Professor Snape verlaufen wäre, hätte sie vorher den Trank eingenommen.

Es schien beinah unwirklich, als Slughorn eine Phiole des Felix Felicis demjenigen Schüler in Aussicht stellte, der an diesem Morgen einen Trank der Lebenden Toten erfolgreich brauen würde. Hermine packte sofort der Eifer. Sie kannte das Rezept gut. Sie hatte es sich am Tag zuvor aufmerksam angesehen.

Sie ging gemeinsam mit Harry und Ron an einen der Arbeitstische und baute ihren Kessel auf. Als Harry sein Zaubertränkebuch aufschlug, warf ihm Hermine einen skeptischen Blick zu. Auch auf dieser Seite sah sie unzählige handschriftliche Notizen. Sie hoffe inständig, er würde sie dieses Mal nicht übertreffen. Die Aussicht auf eine Phiole des flüssigen Glücks ließ in ihr die Hoffnung wieder aufkommen, dass ihre Absage bei Snape noch nicht endgültig war.

Während des Brauens musste Hermine allerdings feststellen, dass der Halbblutprinz ihr auch bei diesem Trank um Einiges voraus war. Sie hielt sich genau an ihre Anleitung, doch zeigte ihr Trank nicht die gleiche satte dunkle Farbe, wie der Harrys. Als Slughorn an ihren Tisch kam und ihre Ergebnisse testete, strahlte er vor Begeisterung über Harrys Resultat.

„Wunderbar! So einen hervorragenden Trank habe ich seit Langem nicht mehr gesehen. Ich denke, Sie haben sich die kleine Phiole mit flüssigem Glück mehr als verdient". Harry grinste zufrieden.

„Aber Sir, wollen Sie meinen Trank nicht auch testen?", fragte Hermine enttäuscht.

„Nichts für ungut, meine Liebe. Aber Mr. Potters Trank kann nicht mehr übertroffen werden", sagte er ihr mit einem stolzen Lächeln.

Frustriert ließ Hermine ihren Rührstab los. Sie hätte sich für Harry gefreut, wenn er es mit seinem eigenen Können geschafft hätte. Doch er war noch nie der beste Zaubertränkebrauer und wurde jetzt für die Leistung eines anderen belohnt. Das war nicht fair!

Harry sah ihren gekränkten Blick, entschied sich aber dazu, sie lieber in Ruhe zu lassen. Und dafür war sie dankbar. Es war ein weiterer Rückschlag, den sie in diesen Tagen verkraften musste.

Nur Wer Zusammen Ist, Ist Nicht AlleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt