Wozu das alles?

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Nachdem sie Snape in den Krankenflügel begleitet hatte, lief Hermine sofort in die Bibliothek. Doch nicht um zu lernen oder zu forschen - sie brauchte jetzt etwas Ruhe und Zeit für sich, um ihre Gedanken zu ordnen. Die Bibliothek schien ihr der perfekte Ort, besonders an einem Freitagabend. Viele Schüler hielten sich sicher in ihren Gemeinschaftsräumen auf und freuten sich über das anstehende Wochenende. Niemand würde um diese Zeit in der Bibliothek sein.

Und sie behielt Recht. Als Hermine eintrat, sah sie niemanden zwischen den Regalen umher gehen oder an den Tischen sitzen. Sie genoss einen Augenblick die Stille und ging dann auf ihren gewohnten Platz zu.

Sie liebte es hierher zu kommen, wenn sie in Ruhe ihre Gedanken ordnen musste. Und besonders jetzt drehten sich diese nur um den Zaubertränkemeister und um alles, was dazu gehörte. Ohne die Hektik der letzten Minuten hatte sie endlich die Ruhe, noch einmal über Snape's Aussagen nachzudenken. Doch für Hermine ergaben sie alle keinen Sinn. Waren all die Bücher, die sie darüber gelesen hatte, falsch? Oder gab ihr Snape absichtlich falsche Informationen? Als sie an seinen Unfall zurückdachte, bestätigte sich ihr Verdacht. Erst sprach er davon, dass die Wirkung von Salzbeeren und Flussgras sich gegenseitig verstärken. Doch als er sich mit dem Messer schnitt, an dem Flüssigkeit der Beeren klebte, nutzte er das Flussgras, um seine Wunde zu behandeln. Und offensichtlich funktionierte das auch. Diese Pflanzen neutralisieren sich also doch! Aber warum wollte er mich vom Gegenteil überzeugen?, fragte sie sich erneut. Hermine konnte sich nicht vorstellen, weshalb er sie anlog. Wollte er nicht, dass sie Fortschritte machte? Wollte er sie stattdessen bei ihrer Arbeit behindern? Wenn ja, warum? Erst durfte sie nicht weiter an ihrem Thema forschen, dann beantwortete er während ihres Nachsitzens keine ihrer Fragen und jetzt gab er ihr absichtlich Falschinformationen, die sie offenbar daran hindern sollte, die wahre Rezeptur des Trankes herauszufinden. Snape verbarg etwas. Das spürte sie. Hermine beschloss ihn bei ihrem nächsten Treffen zur Rede zu stellen.

Hermine schaute auf die Uhr und erschrak. Es war 20 Minuten vor 11. Die Sperrstunde hatte seit über einer halben Stunde begonnen. Sie wollte ihre Tasche umhängen, doch bemerkte, dass diese gar nicht über ihrem Stuhl hing.

„Mist", sagte sie leise. Sie hatte ihre Tasche im Büro ihres Professors zurückgelassen. Slughorn wollte sie ihr bringen, doch sie hatte ihn seither nicht mehr gesehen. Also machte sie sich ohne Tasche vorsichtig auf den Weg zum Gemeinschaftsraum. Sie war froh, dass sie wenigstens ihren Zauberstab immer in ihrer Hosentasche trug und sie somit den Weg vor ihr beleuchten konnte.

Im Schloss war es eisig kalt. Der Wind pfiff durch die Gänge und ließ Hermine frösteln. Sie wollte so schnell wie möglich das Portrait der Fetten Dame erreichen, doch hielt an jeder Ecke inne, um nach Schritten von Professoren zu lauschen. Zu ihrem Glück begegnete sie niemanden – solang, bis sie in den Korridor zum siebten Stock gelangte. Sie lief gerade um die Ecke, als sie mit einem großen Etwas zusammenstieß und zu Boden fiel. Überrascht von diesem Zusammenprall konnte Hermine gerade noch den blonden Hinterkopf von Malfoy erkennen, der schnell in der Dunkelheit verschwand.

Was macht er schon wieder hier? Stirnrunzelnd tastete Hermine nach ihrem Zauberstab, den sie bei ihrem Sturz fallen gelassen hatte. Doch im Schein des Lichtkegels sah sie noch etwas anderes auf dem Boden liegen. Etwas Kleines, was sie allerdings sofort erkannte – eine Salzbeere. Diese konnte nicht von Hermines stammen, da sie alle Salzbeeren, mit denen sie heute gearbeitet hatte, bereits geschält hatte. Sie musste Malfoy bei ihrem Zusammenstoß aus der Tasche gefallen sein.

„Was machst du so spät hier?" Hermine quickte erschrocken auf.

„Harry! Würdest du bitte aufhören mich andauernd so zu erschrecken?", fragte sie leicht genervt. Sie hatte an diesem Tag schon genug Schockmomente erlebt. „Und was macht du überhaupt hier?"

Nur Wer Zusammen Ist, Ist Nicht AlleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt