Kapitel 3 - Dancing Queen

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Samstagabend, 23:30 Uhr.

Wir betraten das "Watergate" und ich seufzte innerlich auf. Eigentlich fand ich es ganz schön albern, dass wir einen so klischeebehafteten Club wie diesen ausgesucht hatten, aber ich traute mich nicht, diesen Gedanken gegenüber meinen Freundinnen zu äußern. Es war so schon schwierig genug gewesen, etwas zu finden, auf das wir uns alle hatten einigen können und das auch noch einigermaßen gut zu erreichen war.
Ich schaute mich um. Um diese Uhrzeit war wirklich noch nicht viel los. Mit Sicherheit waren wir viel zu früh!
Grinsend schaute ich meine Freundinnen an. "Wir, die alten Damen, stellen uns um halb 12 mit den 16-jährigen hier hin." Julia stimmte in mein Lachen mit ein, dann boxte sie mich gegen die Schulter. "Na komm schon. Nur, weil du nach zwei Cocktails schon schlapp machst und 13 Stunden am Stück schläfst, sind wir noch lange nicht alt!" Ich kicherte. "Na gut, vielleicht nur ein bisschen."

Nachdem wir unsere Jacken an der Garderobe abgegeben hatten, steuerten wir als erstes die Bar an, wo uns ein gutaussehender, junger Barkeeper entgegenlächelte. Er trug eine braune Kurzhaarfrisur und hatte strahlend blaue Augen.
Wir bestellten jeder einen Drink und bewegten uns damit langsam in Richtung Tanzfläche. Mit einem neckenden Grinsen schaute Leonie mich von der Seite an. "Wenn ich nicht mindestens 8 Jahre älter wäre als dieser Typ, dann würde ich den heute sowas von mit nachhause nehmen." Sie schlürfte an ihrem Getränk. Ich lachte auf und zwinkerte ihr schelmisch zu. "Naja, das wäre bei dir ja nicht das erste mal."
Erst schaute meine beste Freundin mich mit aufgerissenen Augen an, dann brach sie in schallendes Gelächter aus. "Hey, das war einmal! Und im Gegensatz zu unserer Kumpanin hier, ist es bei MIR damals bei einem One Night Stand geblieben."

Julia ließ sich davon gar nicht beeindrucken. Gelassen schlürfte an ihrem Mojito und grinste vor sich hin. "Ich weiß gar nicht, was ihr habt. Leon war meine erste große Liebe."
Ich schaute sie spöttisch von der Seite an. "Ja, bis er dich im Mallorca-Urlaub am dritten Abend betrogen hat. Der Kerl hat doch nur auf so eine Gelegenheit gewartet!"
Die Erinnerung daran ließ Julia seufzen. "Das stimmt wohl."
Sie trank ihr Glas aus und stellte es zur Seite, dann deutete sie zur Tanzfläche.
"Dann lasst uns doch mal gucken gehen, was da vorne so los ist."

01:00 Uhr. Je weiter der Abend vorangeschritten war, umso mehr hatte sich das "Watergate" gefüllt, was schlussendlich dazu geführt hatte, dass ich meine Freundinnen aus den Augen verloren hatte.
Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen. Der Club war voller junger Menschen, die so ziemlich alle in meiner Altersgruppe sein mussten. Alle Nationalitäten, Geschlechter und sicherlich auch Sexualitäten waren hier vertreten.
Ich lächelte vor mich hin. Das war genau das, was ich an dieser Stadt so liebte - hier wurde niemand von irgendjemandem doof angeschaut. Noch nicht einmal die Gruppe von 18-jährigen ganz hinten, die zu einem Techno-Song ihre krassesten Roboter-Tanz-Skills ausgepackt hatten, erntete auch nur einen einzigen irritierten Blick.
Ausser jetzt von mir. Schnell ermahnte ich mich selbst, nicht all zu lange hinzuschauen und wühlte mich durch die Menge, um zur Bar zu gelangen. Dort angekommen musste ich ein paar Minuten warten. Als ich endlich drankam, warf ich dem ein-bisschen-zu-gut-aussehenden Barkeeper meinen charmantesten Blick zu. "Einen Scotch on the Rocks, bitte." Er schmunzelte. "Kommt sofort, hübsche Frau."

Während er mein Getränk zubereitete, sah ich mich um. Noch immer konnte ich weder Julia, noch Leonie irgendwo erblicken. Ich wusste ja noch nicht einmal, ob sie überhaupt noch da waren. Wie viel Uhr es wohl inzwischen war?
Gerade überlegte ich, ob ich kurz mein Handy zücken sollte, da stellte der Barkeeper mein Getränk vor mir ab, welches ich dankend entgegennahm. "Dankeschön, wie viel schulde ich dir?" Er schüttelte lächelnd den Kopf. "Der geht aufs Haus."
Ich stutzte. Mein Blick vorhin war eigentlich nicht darauf hinaus gewesen, das Getränk for free zu bekommen, aber dennoch sagte ich natürlich nicht nein. Geschmeichelt lächelte ich den Barkeeper an. "Wow, vielen Dank, sehr nett." Ich zögerte. „Aber glaub jetzt bloß nicht, dass ich dich dafür mit sexuellen Gefälligkeiten bezahle." Der Baarkeeper lachte auf und warf dabei den Kopf in den Nacken, dann zwinkerte er mir zu. "Keine Sorge Schätzchen, ich bin versorgt."
Amüsiert grinste ich, dann verabschiedete ich mich mit einem Kopfnicken von ihm. Ich wollte mich gerade von meinem Barhocker erheben und zurück auf die Tanzfläche gehen, als sich plötzlich jemand neben mir niederließ.

Verkopft (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt