Kapitel 4 - Girlstalk

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Felix. Sein Name schwirrte noch immer in meinem Kopf herum, als ich am nächsten Tag mit meinen Freundinnen am Küchentisch saß. Tatsächlich war ich letzte Nacht diejenige gewesen, die Julias Wohnung zuletzt betreten hatte, aber glücklicherweise hatte sich niemand daran gestört - meine beiden Freundinnen hatten da nämlich schon tief und fest geschlafen.
Verträumt starrte ich vor mich hin, während ich in mein Brötchen baß. Unter uns Dreien gab es die ungeschriebene Regel, dass nach einer Partynacht ausschließlich die Gastgeberin dafür verantwortlich war, die anderen beiden mit einem Frühstück zu versorgen. Dabei waren allerdings Lieferdienste und sonstige externe Besorgungen strengstens untersagt, was meistens dazu führte, dass unser Katerfrühstück aus Aufbackbrötchen und -croissants, Butter, Nutella, Marmelade und Saft bestand. Manchmal hatten wir sogar das Glück, zwei verschiedene Saftsorten zur Auswahl zu haben, aber das kam in den seltensten Fällen vor.

"Mila, möchtest du noch etwas Nutella?" Leonies Frage riss mich aus meinen Gedanken. Leicht vernebelt schüttelte ich den Kopf und richtete meinen Blick schlagartig auf sie. "Hm?"
Meine Freundin runzelte die Stirn, dann stahl sich ein Schmunzeln auf ihre Lippen. "Du hast mir gar nicht zugehört, oder? Was ist nur mit dir los? Hast du etwa gestern in unserer Abwesenheit einen über den Durst getrunken?", fragte sie neckend. Dann griff sie sich mit gespielter Empörung an die Brust. "Ich bin entsetzt!"
"Iff wette, sie hat doch den Barkeeper abgeschweppt", fügte Julia mit vollem Mund hinzu. Dann verschluckte sie sich an dem Bissen ihres Croissants, den sie gerade im Mund gehabt hatte und begann, zu husten.
Ich lachte auf. "Nichts da. Ich habe mich weder ohne euch beschallert, noch habe ich irgendjemanden abgeschleppt." Während des letzten Wortes malte ich mit meinen Fingern Gänsefüßchen in die Luft.
Leonie grinste mich an. "Aber irgendwas muss doch passiert sein, sonst wärst du nicht so still. Du quasselst uns doch sonst immer am laufenden Band voll - erst Recht, nachdem du getrunken hast!" Schnell griff ich nach der Serviette, die neben mir lag, knüllte sie zu einem Ball zusammen und warf ihn lachend in Leonies Richtung. Dann seufzte ich auf.

"Na gut, ihr habt gewonnen." Seufzend nahm ich mir eine neue Serviette, putzte damit meine Hände ab und setzte mich aufrechter hin.
"Oho, jetzt bin ich aber mal gespannt", sagte Julia und setzte sich ebenfalls auf. Ich entgegnete den gespannten Blicken meiner Freundinnen mit einem leicht spöttischen Lächeln.
"Ihr braucht mich gar nicht so erwartungsvoll anzuschauen, denn eigentlich ist es nichts." Erneut seufzte ich auf, dann holte ich tief Luft.
"Nachdem ich euch nicht mehr finden konnte, bin ich zur Bar gegangen und hab mir ein Getränk bestellt. Ganz normal also. Und auf einmal saß da so ein Typ neben mir, der mich später auf der Tanzfläche angequatscht hat..." - Ich machte eine kurze Pause, um für meine nächsten Worte noch einmal Luft zu holen - "was dann dazu geführt hat, dass wir ein paar Songs lang zusammen getanzt, und... naja, ein bisschen miteinander geflirtet haben."
Ich lächelte auf und spürte, wie sich Erleichterung in mir breit machte. Zwar wusste ich nicht, wieso, aber irgendwie fühlte es sich gut an, diese Worte jetzt vor meinen Freundinnen ausgesprochen zu haben.
Sofort machte sich auch auf beiden Gesichtern ein Grinsen breit. "Nein, sag bloß!" Leonie strahlte mich überrascht an. "Das ist ja seit mindestens 3 Jahren nicht mehr passiert."
Julia kam aus dem Grinsen ebenfalls nicht mehr heraus. "Komm, wie sah er aus? Erzähl uns ALLES."
Verlegen rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her, mein Blick wanderte Richtung Boden. Dann richtete ich meinen Blick wieder auf. Jetzt konnte ich nicht mehr vermeiden, dass sich auch auf mein Gesicht ein Strahlen stahl.
"Er sah umwerfend aus Leute, ganz im Ernst. Ich meine, durch die Club-Beleuchtung konnte ich zwar nicht wirklich viel erkennen... aber was ich gesehen habe, war der Wahnsinn." Ich grinste die beiden begeistert an.
"Er war blond und hatte eine Kurzhaarfrisur. Augenfarbe weiß ich nicht, aber sein Blick... der war, als würde er mich mit seinen Augen erdolchen."
Leonie war die erste, die wegen meiner dramatischen Wortwahl losprustete und sofort fielen Julia und ich mit ein. Japsend rang ich nach Luft. "Okay, sorry, das war vielleicht ein bisschen zu drüber." Ich versuchte mich zu beruhigen und nahm einen Schluck von meinem Multivitaminsaft, während meine beste Freundin ihre Gedanken sortierte.

"Das klingt wirklich alles sehr cute und auch heiß." Sie grinste. "Weißt du denn, wie er heißt?"
Ich nickte hastig. Natürlich wusste ich das, schließlich ging mir sein Name seit Stunden nicht aus dem Kopf! "Er heißt Felix."
Ich bemerkte, wie meine Freundinnen sich einen raschen Blick zuwarfen, der gleichzeitig alles und nichts bedeuten konnte. Dann schauten beide mich wieder an. Leonie räusperte sich. "Mila, hast du zufällig ein Foto mit ihm gemacht?"
Irritiert schüttelte ich den Kopf. "Nicht, dass ich wüsste. Wieso sollte ich mit einem random Typen, den ich an einem durchschnittlichen Samstag im Club kennenlerne, ein Foto machen?"
Julias Blick verweilte für ein paar Sekunden auf meinem, dann stand sie auf.
"Warte einen Moment."

Sie lief Richtung Wohnzimmer und schien etwas zu suchen, dann kam sie mit ihrem Handy in der Hand zu uns zurück. Hastig tippte sie etwas, dann drehte sie das Handy zu mir um und zeigte mir den Bildschirm. "Sah er vielleicht so aus?"
Ich lehnte mich nach vorne und betrachtete das Foto genauer, dann nickte ich. "Ja, das ist er."
Sofort zuckte ich zusammen, denn meine Freundinnen fingen augenblicklich und gleichzeitig an, zu quietschen.
"NEIN!!" "ICH FASSE ES NICHT!" "OH! MEIN! GOOOOTTTTT!!!" Leonie sprang auf und tanzte hüpfend durch die Wohnung. Ich beobachtete das Spektakel, dann überkam mich ein Lachanfall. Kurz wartete ich, bis die beiden sich wieder beruhigt hatten. Es dauerte nicht lange, bis Leonie sich lachend und schnaufend wieder auf ihrem Platz niederließ.

"Kannst du mir mal verraten, was das gerade war?", fragte ich grinsend. Empört schaute sie mich an.
"Kannst DU mir lieber mal verraten, wie du dazu kommst, mit dem erfolgreichsten Podcaster und Comedian Deutschlands zu feiern?!?"
Jetzt war ich vollkommen perplex. Ich zog die Augenbrauen hoch und schaute erst Leonie, dann Julia an, die meinen Blick mit einem breiten Grinsen erwiderte. Dann schüttelte ich verwirrt den Kopf. "Von was redet ihr da bitte?"
Julia legte ihr Handy, das sie die ganze Zeit über festgehalten hatte, auf den Tisch, dann schaute sie mir tief in die Augen. "Emilia. Der Typ auf dem Foto ist Felix Lobrecht, DER erfolgreichste Comedian überhaupt." Meine Freundin schnappte nach Luft. "Er und Tommi Schmitt machen zusammen den Podcast Gemischtes Hack, der erfolgreichste Podcast Deutschlands."
Wieder zog ich meine Augenbrauen hoch, aber diesmal vor Unglauben. "Wie bitte?"
Jetzt mischte sich auch Leonie, die sich inzwischen wieder beruhigt hatte, in Julias Intervention mir gegenüber ein. "Maus, um es kurz zu fassen: der Typ ist berühmt. Nicht nur hier in Berlin, sondern in ganz Deutschland und sogar darüber hinaus! Und ausgerechnet DU triffst ihn im Club und tanzt mit ihm, das ist absolut unfassbar!" Während ihres Monologes hatte sich ein immer bereiteres Strahlen auf ihrem Gesicht breitgemacht, welches ich nur mit einem spöttischen Lachen quittierte. Ungläubig schüttelte ich den Kopf.

"Mal davon abgesehen, dass ihr gerade maßlos übertreibt - wie seid ihr von meiner vagen Beschreibung seines Aussehens überhaupt darauf gekommen, dass ich von genau diesem Felix sprechen könnte?" Mit einem bohrenden Blick schaute ich erst Julia, dann Leonie an.
Kurz beschlich mich der Gedanke, dass keine der beiden eine Antwort auf meine Frage hatte, dann ergriff Leonie das Wort.
"Ganz einfach. Alles, was du über seine Optik erzählt hast, trifft zu 100% auf ihn zu. Besonders das mit den Augen." Sie ließ eine kurze Pause, um ihre Worte wirken zu lassen, bevor sie ihr nächstes Argument anbrachte. "Und außerdem ist das Watergate gar nicht so weit vom Kotti entfernt, wo Felix Lobrecht seine Wohnung hat!" Triumphierend sah sie mich an, als hätte sie gerade einen Gerichtsprozess gewonnen. Zunächst wusste ich nicht, was ich darauf erwidern soll, dann entfuhr mir ein lautes und helles Auflachen.
"Du bist ja verrückt. Und du auch!" Ich warf einen Blick zu Julia, die die ganze Zeit an Leonies Lippen gehangen und sie mit Blickkontakt und einem dauerhaften Nicken unterstützt hatte.

Weil ich nicht wusste, was ich sonst erwidern sollte, versuchte ich es mit einem Gegenangriff.
"Findet ihr es nicht ein bisschen gruselig, dass ihr so genau wisst, wo der Typ wohnt?" Sofort schüttelte Julia den Kopf. "Nee, das weiß jeder. Er erzählt es gefühlt jede Woche in seinem Podcast. Du solltest echt mal reinhören Mila, die beiden sind echt super witzig!"
Ich schüttelte grinsend den Kopf und wollte gerade dazu ansetzen, etwas zu erwidern, als Leonie wieder das Wort ergriff. "Und falls es dir nicht reicht, nur seine Stimme zu hören, kannst du auch einfach mal auf Youtube nach seinem Namen suchen. Da gibt's eine gute Auswahl an lustigem Material. Und dass er nett anzusehen ist, weißt du ja." Sie grinste schelmisch und zwinkerte mir zu.

"Na gut, überredet." Entwaffnet erhob ich die Hände und gab ein nervöses Lachen von mir. "Wenn ich euch verspreche, mir seine Arbeit mal anzuschauen - oder von mir aus auch anzuhören - versprecht ihr mir dann, dass ihr aufhört, mich damit zu nerven?"
Die beiden nickten und grinsten zufrieden. "Abgemacht. Aber sag hinterher bloß nicht, wir hätten dir zu viel versprochen."

Verkopft (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt