Kapitel 15 - Überraschung

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Als ich im Zug zurück nach Hamburg saß, hatte ich das Gefühl, seine Lippen noch immer auf meinen spüren zu können. In seinem Kuss hatte so viel Wärme, Herzlichkeit und Verlangen gelegen, dass ich mich wirklich zusammenreißen musste, im Zug nicht loszuheulen. Verdammt. Wenn ich gewusst hätte, dass es sich so anfühlen würde, ihn zu küssen, hätte ich damit definitiv nicht so lange gewartet.  Allerdings hatte ich jetzt auch etwas, auf das ich mich freuen konnte - auch, wenn es jetzt wieder eine Woche dauern würde, bis wir uns wiedersehen konnten.
Nachdenklich schaute ich aus dem Fenster und nahm einen tiefen Atemzug. Eigentlich hatte ich bis jetzt gedacht, dass Hamburg das perfekte Zuhause für mich war, aber wenn das ab jetzt bedeutete, dass jedem Treffen mit Felix erst eine zweistündige Zugfahrt vorausging und wir uns nur am Wochenende sehen konnten, dann war ich mir darüber nicht mehr so sicher. Vielleicht konnte ich meinen Chef fragen, ob ich spontan eine Woche Urlaub nehmen konnte, oder vielleicht auch zwei. Dann würde ich sofort nach Berlin fahren und konnte so viel Zeit mit Felix verbringen, wie ich nur wollte.
Und vielleicht würde ich diesmal auch den Schlafplatz auf seiner Couch annehmen.

Obwohl Felix mich an den darauffolgenden Tagen jeden Tag anrief und wir jedes Mal eine Stunde miteinander telefonierten, wurde meine Sehnsucht nicht weniger. Am liebsten wäre ich sofort in den nächsten Zug gestiegen und zu ihm gefahren, um ihm um den Hals zu fallen und ihn zu küssen. Gegenüber Leonie und Julia hielt ich mich, was meine Gefühlswelt anbelangte, jedoch zurück. Zwar hatte ich ihnen von dem Kuss erzählt, was selbstverständlich für eine Flut an Sprachnachrichten voller Gekreische gesorgt hatte, aber dass ich gerade auf dem besten Weg war, Gefühle für ihn zu entwickeln, behielt ich lieber für mich.
Das wollte ich lieber erstmal mit mir selbst ausmachen.

Am Mittwoch wurde meine Sehnsucht so groß, dass ich zum ersten Mal seit zwei Wochen wieder die neue Folge von "Gemischtes Hack" anhörte.
Allein die Tatsache, dass ich ihn reden, scherzen und lachen hören konnte, sorgte dafür, dass meine Laune sich besserte und ich selig vor mich hinlächelte, während ich durch meine Wohnung lief und die Möbel abstaubte. Dass Felix Humor hatte - und davon nicht zu wenig - hatte er mir gegenüber ja schon unter Beweis gestellt, aber in Kombination mit Tommi kam nochmal eine ganz andere Seite von ihm zum Vorschein. Die beiden hatten eine extrem gute Dynamik, die mehr als deutlich bewies, dass sie nicht ohne Grund den erfolgreichsten Comedypodcast Deutschlands hatten.

Nachdem ich die Folge beendet hatte, sah ich auf die Uhr. 19:15 Uhr. In 45 Minuten würde Felix in Stuttgart auf die Bühne gehen und seine Show spielen. Schnell griff ich nach meinem Handy und öffnete unseren Chat.

Emilia: Hab grad die aktuelle Hack-Folge beendet. Vermisse dich so! Viel Erfolg nachher🧡

Felix 🔥: Danke! 😘 Ich vermiss dich auch. Noch zweimal schlafen, dann sehen wir uns. 😉

Emilia: Kann's nicht erwarten! 🥰

Drei Stunden später klingelte mein Handy. Ich sah aufs Display und sah seinen Namen in Verbindung mit dem Flammenemoji. Schlagartig bemerkte ich, dass mein Herz schneller klopfte und sich ein Strahlen auf meinem Gesicht ausbreitete. Ich ging ran. "Hey, wie war die Show?"
"Hi Babe", sagte er grinsend, was mir sofort eine Gänsehaut bescherte. Babe.
"Die Show war richtig gut, hat echt Bock gemacht. Vorhin waren noch ein paar Fans am Bühneneingang, die Fotos machen wollten, deshalb ruf ich jetzt erst an. Hab mich noch kurz mit denen unterhalten." Ich lächelte. "Die glücklichen, die hatten bestimmt den besten Abend ihres Lebens." Felix lachte auf. "Kann gut sein, ja." Dann machte er eine kurze Pause.
„Sag mal... was würdest du sagen, wenn ich dir erzählen würde, dass wir uns schon einen Tag früher sehen können?"
Sofort setzte ich mich aufrecht hin und riss die Augen auf. Das Herz schlug mir bis zum Hals „W-wie meinst du das?", stammelte ich.
„Na, so wie ich's gesagt habe." Er lachte leise auf. „Wir haben morgen sowieso einen Off-Day, den ich eigentlich dazu genutzt hätte, mit meinem Bruder und der 12k-Crew über die neuen Designs zu gehen und den nächsten Drop festzulegen, aber das hab ich jetzt abgesagt."
„Du hast was?!", fragte ich mit einem nervösen Lachen. Das konnte doch nicht sein Ernst sein!
Felix lachte auf. „Ich hab's abgesagt! Stattdessen fahr ich jetzt einen Tag früher nach Hamburg. Eigentlich wären wir erst am Freitagmorgen losgefahren, aber weil ich mir jetzt für morgen freigenommen hab, fahr ich morgen schon. Nach dem Frühstück geht's los und wenn ich von Stuttgart aus einigermaßen gut durchkomme, wär ich gegen 15 Uhr bei dir. Was sagst du?"
Mir entfuhr ein freudiges Quietschen, das Felix zum Lachen brachte. "Du bist unglaublich!", rief ich, immer noch mit einem leichten Schock darüber, dass er einfach so geschäftliche Termine absagte, um mich zu sehen. Dann entfuhr mir ein lautes Auflachen. „Sieht wohl so aus, als ob ich morgen Nachmittag freinehmen muss!" Ich konnte sein Grinsen durchs Telefon hören.
"Oh ja, das musst du", sagte er. "Morgen soll nämlich Bombenwetter werden. Gibt's in Hamburg Freibäder?" Ich grinste. Anscheinend bekam er nicht genug vom Baden, was ich bei dem Wetter absolut nachvollziehen konnte.
„Ja, natürlich. Oder um es mit deinen Worten zu sagen: ich hoffe, du hast deine Badehose dabei."
"Selbstverständlich", sagte er lachend. "Geil, ich freu mich. Dann bis morgen, ich leg mich jetzt hin. Träum was schönes!" Glücklich lächelte ich in den Hörer. "Du auch. Bis morgen."

Am nächsten Tag im Büro gab ich mir Mühe, mich so gut es ging auf meine Arbeit zu konzentrieren. Trotzdem kam ich aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Ich konnte es noch immer nicht fassen, dass ich Felix jetzt einen ganzen Tag länger nur für mich hatte. Draußen war wunderschönes Wetter und ich konnte es kaum erwarten, mit ihm schwimmen zu gehen.
Um 13 Uhr verließ ich das Büro und machte mich auf dem Weg zum Hotel Altantic, wo wir uns treffen wollten. Als ich dort ankam, erkannte ich den weißen Benz schon von weitem. Lachend schüttelte ich den Kopf. Seit wann parkte er sein Auto mitten auf der Straße?
Felix begrüßte mich von weitem mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Sag mal, willst du, dass sofort jeder weiß, dass du hier bist?", rief ich lachend, während ich auf ihn zulief. Er erwiderte meine neckende Begrüßung mit einem Grinsen. "Eigentlich hab ich mir die Begrüßung anders vorgestellt." Er breitete die Arme aus und zog mich an sich. „Hey", murmelte er an mein Ohr und ich bekam eine Gänsehaut. „Hi", antwortete ich lächelnd und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen.
„Sorry, ich bin irgendwie ein bisschen überfordert davon, dass wir uns heute schon sehen." Er lachte auf. "Und ich dachte, du freust dich", sagte er mit einer gespielten Empörung. "Aber wenn nicht, kann ich auch wieder gehen." Er tat so, als würde er ohne mich in sein Auto steigen wollen und ich hielt ihn lachend am Arm zurück. "Stopp! Ich freue mich doch", sagte ich und strahlte ihn an.
"Das will ich auch schwer hoffen", sagte er grinsend. "Los, steig ein. Ich hab Lust auf Freibadpommes und schlechtgelaunte Bademeister."

Verkopft (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt