Nur widerwillig lasse ich mich von Naddy aus Morgans Mustang ziehen, den sie vor ein paar Jahren gegen den alten eingetauscht hat, der ihr von Jolene überlassen wurde. Jetzt fährt sie einen Ford Mustang Dark Horse. In Schwarz.
Groß, böse, laut. Als sie ihn damals gekauft hat, habe ich nur den Kopf geschüttelt und die Augen verdreht, weil ich dachte, sie fängt so an wie Jolene. Tatsächlich aber fährt sie meistens mit ihrer Harley, weniger mit dem Mustang.Nur sehr schwerfällig bewege ich mich zur Bar und Naddy muss mich regelrecht hinter sich herziehen.
»Wieso können wir zur Abwechslung nicht mal ins Kino gehen oder einen Filmabend machen?«, frage ich quengelig.
»Weil du, egal welchen Film wir sehen, immer irgendwas findest, was du mit Jolene in Verbindung bringst«, erklärt sie genervt. »Sogar bei den Psychothrillern - was ich äußerst sonderbar finde.«
»Dann lass uns irgendwo essen gehen.«
Naddy schüttelt den Kopf. »Du hast bereits ein halbes Blech Pizza gegessen.«
»Ein Viertel«, korrigiere ich. »Das andere Viertel hatte Morgan.«
»Aber du bist bereits satt, wenn ich bei dir ankomme, weil ihr immer irgendwas gegessen habt. Was also soll da noch in dich reinpassen?!«
Touché. »Wir könnten doch auch irgendwo ... ich weiß nicht ... Lasertag spielen, oder Paintball.«
»Das ist Sport, Cait. Du bist schlecht in Sport.«
»Dann eben Minigolf!«
Naddy bleibt abrupt stehen und dreht sich mir zu. Beinahe renne ich in sie hinein, kann aber noch rechtzeitig anhalten. »Selbst bei Minigolf ist mir die Verletzungsgefahr bei dir zu hoch - oder bei anderen. Wir können uns aber gerne an meinen Küchentisch setzen und Origamis basteln.«
Pikiert sehe ich sie an.
»Siehst du, deshalb gehen wir in Bars. Beim Trinken kannst du weder dir noch irgendwem weh tun. Und es langweilt dich nicht«, begründet sie schließlich, setzt ihren Weg fort und zieht mich weiter hinter sich her.Schnaubend akzeptiere ich es und setze mich an den Tisch. »Ich würde aber gerne mal etwas machen, bei dem ich nicht ständig von irgendwelchen Typen angesprochen werde«, meckere ich.
»Ach, komm. Einer Frau in deinem Alter gefällt es doch, begehrt zu werden«, sagt sie frotzelnd.
»Nein, tut es nicht«, wehre ich ab.
»Doch, tut es.«
»Tut es nicht.« Kurz atme ich hörbar ein und wieder aus. »Kannst du mir bitte erklären, wieso du das machst?«, frage ich erbost. »Ich denke, das hier soll mich von leidlichen Gedanken abhalten, aber du sorgst dafür, dass sie schlimmer werden! Ist es nicht - als beste Freundin - deine Aufgabe, mich wieder glücklich zu machen?«, zische ich und kneife meine Augen herausfordernd zu Schlitzen zusammen.
Sie scheint mich immer noch nicht ernst zu nehmen und grinst mich an. »Es gibt nur einen Menschen in diesem Universum, der dich glücklich machen kann«, spricht sie. »Und dieser Mensch hat rote Haare, wunderschöne grüne Augen, eine verdammt sexy Stimme und ist zudem auch noch die Mutter deiner drei Kinder.«
»Jolene färbt sich ihre Haare seit Jahren nicht mehr«, korrigiere ich sie eingeschnappt.
»Sie hat trotzdem einen Rotschimmer in den Haaren!«, verteidigt sie sich und wirkt trotzig. Dann aber lockert sich ihre Haltung und sie stützt sich mit ihren Ellenbogen auf den Tisch. »Cait«, sagt sie und fordert von mir, ihr in die Augen zu sehen. »Ich tue das hier nur, damit dir auch wieder bewusst wird, wer dein Glück der Welt ist. Nicht ich bin es. Nicht Morgan. Niemand in diesem Raum. Niemand, außer Jolene.« Jetzt greift sie nach der Getränkekarte.Einen Moment sehe ich sie einfach nur an. »Mittlerweile nervt mich das«, spreche ich offen aus. »Genau genommen nervt es uns beide. Weder Jolene noch ich haben Bock darauf. Wir brauchen keine Babysitter und wir brauchen auch keine Verkuppler.«
Gleichgültig zuckt Naddy mit der Schulter, während sie die Karte durchliest. »Wir hören nicht damit auf, bis ihr euch wieder zusammengerauft habt. Anders lernt ihr es ja nicht.« Plötzlich schmunzelt sie, faltet die Karte zusammen und schiebt sie mir entgegen. »Morgan und ich sehen euch als Schafherde, die sich gespalten hat«, beginnt sie zu erklären. »Und wir sind die Hütehunde, die die Herde wieder zusammentreiben.«
»Ihr seid schlechte Hütehunde, weil ihr eine Herde zusammentreiben wollt, die gar nicht gespalten ist!«, gebe ich patzig von mir.
»Wäre sie nicht gespalten, würdest du jetzt nicht mit mir an diesem Tisch sitzen, sondern mit deiner Frau und euren Kindern etwas unternehmen. Und es gäbe das Apartment nicht.«
»Nur weil wir getrennt sind, sind wir nicht gespalten«, raune ich und nehme die Getränkekarte an mich. »Jolene und ich haben eine gute Lösung gefunden.«
»Ja, gute Lösung«, spricht sie nach und verdreht die Augen. »Unser Freundeskreis muss zwar keinen Tanz auf rohen Eiern abhalten, aber für eure Kinder und unsere Geschäftsbeziehung ist das überhaupt keine gute Lösung!« Sie drückt die Karte herunter, damit sie mir wieder in die Augen sehen kann. »Wir, als Geschäftspartner, leiden darunter. Und unsere Angestellten auch. Seit eurer Trennung seid ihr als Geschäftsführer und Partner einfach unerträglich!«
»Das liegt nicht an unserer Trennung, sondern an dem Monopol, das sich Jolene in den letzten Jahren aufgebaut hat«, verteidige ich mich. »Sie kam aus ihrem Reid-Modus überhaupt nicht mehr raus, und das hat sich auch auf unser Privatleben übertragen. Du hast es selbst zu spüren bekommen. Ich will, dass sie wieder etwas runterkommt und sich mehr um die Familie kümmert. Wenn sie es von sich aus nicht kann, muss ich sie eben dazu zwingen.«
Naddy schüttelt den Kopf. »Es liegt nicht an ihrem Monopol oder ihrem Reid-Modus. Es liegt nur an eurer Trennung«, widerspricht sie mir. »Ich begründe es dir auch gerne.« Sie lehnt sich in ihren Stuhl zurück und lächelt der Kellnerin freundlich entgegen, die zu uns an den Tisch gekommen ist, um unsere Bestellung aufzunehmen. »Man erkennt immer ganz genau, wann du und Jolene im Bett wart, denn dann seid ihr so viel entspannter und wieder deutlich menschlicher.« Sie grinst, als sie die aufkommende Röte in meinem Gesicht sieht. »Eure Lösung ist also keine Lösung, sondern das Problem. Ihr könnt nicht ohne einander, entzweit euch aber ständig selbst. Ihr seid viel glücklicher, wenn ihr zusammen seid. Und das wirkt sich auf unsere berufliche Ebene aus.« Wieder grinst sie und bedankt sich bei der Kellnerin, die uns die Getränke bringt, die wir eben bestellt haben.
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Jolene (+ Love)
Romance{Teil 4 von 'Jolene'} Nicht immer meint es das Schicksal gut und spielt einem übel mit. Dies müssen auch Jolene und Cait erfahren, deren Beziehung nach fünfzehn Jahren ins Wanken gerät. Der Liebe wegen entscheiden sie sich für einen Schritt, mit dem...