[Siebzehn] - Totale Verunsicherung

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Am nächsten Tag stehe ich mit Naddy in unserem Besprechungsraum und starre auf das große digitale Whiteboard. Darauf projiziert sind unsere aktuellen Aufträge und Projekte, Ausschreibungen für weitere potenzielle Projekte, bei denen wir am Bewerbungsverfahren teilnehmen, sowie Grafiken zu unseren Ausgaben, die vor allem durch die Lohn- und Versicherungskosten gezeichnet sind.
In meiner Hand halte ich den Vertragsentwurf, den mir Jolene gestern Abend gegeben hat, um diesen mit unseren Zahlen zu vergleichen, damit wir abschätzen können, was uns bei einer Übernahme von CaddySign erwartet und ob wir uns das überhaupt leisten können, autark zu wirtschaften.
Zwar hat uns Morgan schon bestätigt, dass wir mit CaddySign so stabil auf den Beinen stehen, dass wir nicht mal etwas befürchten müssten, wenn uns Aufträge durch BNS wegbrechen, trotzdem schwirrt in meinem Kopf die Stimme des Zweifels, die mir Angst macht, zu scheitern.
Ich seufze innerlich, weil ich mit diesem Vorhaben alleine dastehe, da sich Naddy beharrlich weigert, mich dabei zu unterstützen. Sie ist so gar nicht damit einverstanden, CaddySign von BNS abzunabeln. Unsere Diskussion darüber war unsagbar frustrierend und endete darin, dass wir jetzt nicht mehr miteinander reden. Sie sitzt trotzig mit verschränkten Armen dort und starrt mich eisern schweigend an.
In Momenten wie diesen wünsche ich mir Morgan herbei, da sie aus dem Effeff die neue Bilanz nennen und damit vermutlich etwas mehr Bereitschaft bei Naddy bewirken könnte.
Vor allem, weil sie in dieser Angelegenheit als unsere Bank und Finanzberaterin eine neutrale Rolle einnimmt und so mein Vorhaben stützen könnte.
Aber Morgan ist nicht da und hat wegen all der Termine, die sie in New York hat, auch keine Zeit, sich damit auseinanderzusetzen.
Ich muss jetzt also alleine kämpfen.
Naddy und ich funkeln einander an und ich überlege, wie ich meine Argumente überzeugend rüberbringen kann, ohne einen kolossalen Streit mit ihr zu riskieren, der sich sowohl auf unsere private als auch die geschäftliche Beziehung auswirkt.

Als Sharleen dann an der Tür klopft und Jolenes Ankunft mit einem simplen, aber betonten »Reid« ankündigt, atme ich tief durch und rechne mir noch schlechtere Chancen auf ein erfolgreiches Gespräch aus.
Tatsächlich aber scheint Jolene gar nicht im Reid-Modus zu sein, denn ihr Ausdruck ist entspannt und ausgeglichen, als sie den Raum betritt. Ihr Blick richtet sich umgehend musternd auf das Whiteboard, wo er einen Moment verharrt.
»Wir sind uns noch nicht einig geworden«, sage ich direkt, damit sie sofort weiß, dass uns noch eine Diskussionsrunde bevorsteht, ehe wir einen Vertrag abschließen können.
»Das werden wir auch nicht«, fügt Naddy deutlich hinzu.
Jolene dreht sich uns zu und sieht uns abwechselnd an. »Ich halte mich raus. Es liegt alleine an euch«, gibt sie fast gleichgültig von sich, als sie unser beider abwartenden Blicke sieht.
»Veto.« Naddy sieht Jolene ernst entgegen. »Das liegt nicht an Cait und mir, sondern an Cait und dir.« Sie steht auf und nimmt den Vertragsentwurf in die Hand, um diesen bedeutend nach oben zu halten. »Wenn's nach mir ginge, würden wir hierüber gar nicht erst reden.«
Jolenes Mimik verfinstert sich. »Es geht aber nicht nach dir«, schießt sie streng zurück. »CaddySign hat zwei Geschäftsführer. Und wenn ich mich richtig erinnere, sind das du und Cait. Also doch, es liegt an euch. Werdet euch also einig und verplempert nicht meine Zeit.«
»Cait.« Naddy sieht mich auffordernd an und bittet mich mit ihrem Blick inständig, einzulenken und dieses Thema vom Tisch zu nehmen.
Ich nehme einen tiefen Atemzug und stoße ihn wieder aus. »Ich möchte wenigstens über unsere Möglichkeiten reden und die Bedingungen aushandeln. Danach können wir uns weitere Gedanken machen und eine Entscheidung treffen.«
»Die Bedingungen sind nicht verhandelbar«, lässt mich Jolene direkt wissen. »Entweder ihr akzeptiert mein Angebot oder alles bleibt, wie es ist.«
Geschockt sehe ich sie an. »Das nennst du einen Anfang?« Jetzt greife ich nach dem Vertrag, um ihn bedeutend nach oben zu halten. »Uns ein Angebot machen, das nicht verhandelbar ist? Du setzt mir hier die Pistole auf die Brust und nennst das einen Anfang?« Wütend pfeffere ich den Vertrag auf den Tisch zurück.
»Du setzt mir die Pistole auf die Brust«, kontert sie und deutet auf den Vertrag. Ihre Miene bleibt eisern, fast schon unbekümmert. »Es geht hier nicht um ein Auto, Cait. Sondern um ein Unternehmen, das mir keine schwarzen Zahlen mehr einbringt, wenn ich es verkaufe.«
»Und das alles kompromisslos?«
»Kompromisslos«, bestätigt sie.
Fassungslos schüttle ich den Kopf. »So rettest du gar nichts«, gebe ich bitter von mir. »Du hast mir gestern Abend Hoffnungen gemacht, nur um jetzt das hier zu bringen?«
»Und wie es hierbei um euch geht«, knurrt Naddy dazwischen und geht zur Tür. Bevor sie den Raum aber verlässt, wendet sie sich Jolene zu. »Ich will CaddySign nicht kaufen. Also rede deiner Frau bitte diesen Schwachsinn wieder aus dem Kopf!« Dann sieht sie mich an. »Werdet ihr euch erstmal in eurer Ehe einig, bevor ihr über sowas hier debattiert! Und vor allem haltet CaddySign da raus!« Die Tür fällt schwungvoll hinter ihr ins Schloss, als sie den Raum verlässt.
Erneut seufze ich, lasse mich auf einen Stuhl nieder und greife mir an die Nasenwurzel. Ich brauche einen Moment, um all die Gedanken zu sortieren, und Jolene gibt mir offenbar die Zeit, denn weder sagt sie was, noch regt sie sich.
»Warum tust du das?«, will ich dann von ihr wissen und sehe sie an.
»Ich werde euch CaddySign nicht schenken, nur weil du meine Frau bist. Das habe ich dir gestern schon gesagt«, antwortet sie mit ruhiger Stimme. »Hier geht es nicht um ein paar tausend Dollar, Cait.«
Ich nicke schweigend. »Trotzdem dachte ich, wir können etwas gemeinsam aushandeln. Ein Ergebnis erzielen, mit dem wir alle einverstanden sind.«
»Das ist bereits ein entgegenkommendes Angebot«, antwortet sie. »Wärt ihr irgendwer, wären die Zahlen und Bedingungen ganz andere.«

Jolene (+ Love)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt