[Acht] - Schwesterherzen (Part 2)

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Meine Mutter ist eine Mutter, die ihre Tochter liebt. Und deshalb ist sie - wie erwartet - solidarisch mit mir ausgeflippt und hat wüst über meinen Vater geschimpft.
Mit jedem neuen seiner Hirngespinste hinterfragt sie sich selbst. Wie sie damals nur so in ihn verliebt sein konnte.
Er ist ein Blender. Zumindest gelingt ihm das bei Frauen besser, als bei seinen eigenen Töchtern.
Nachdem wir uns gemeinsam über meinen Vater aufgeregt haben, pflichtet mir meine Mutter bei, unbedingt mit Jolene darüber zu reden; ganz unabhängig davon, wie unsere Beziehung gerade läuft. Sie ist sich sicher, Jolene wird dennoch hinter mir stehen und mich unterstützen. Ja, dem bin ich mir ebenfalls sicher. Genauso, wie ich mir sicher bin, dass sie dann auch meinen Vater kastrieren würde - was vielleicht gar nicht so schlecht ist, wenn ich so darüber nachdenke.
Trotzdem entschließe ich mich dazu, zunächst Amber aufzusuchen und ihr von dem verwirrenden Anruf zu berichten.

»Kate Roberts?«, fragt mich Amber überrascht, als ich in ihrem Büro stehe und während sie gerade ein paar Unterlagen sortiert. »Oder meinst du Katleen Roberts?«
»Nein, einfach Kate ... glaube ich«, antworte ich zögerlich und sehe sie unsicher an. Vielleicht ist Kate auch nur eine Abkürzung für Katleen? »Sie ist vierzehn Jahre alt und lebt derzeit in einem Kinderheim in Kanada.«
»Dann gratuliere ich dir zu einem Tag, der dein Leben prägen und verändern wird.« Sie stoppt ihr Handeln, stützt sich auf dem Tisch ab und sieht mich eindringlich an. Sie versucht, ihre Äußerung zynisch auszudrücken, aber ihre Mimik spielt nicht so ganz mit. »Denn Katleen ist 35 Jahre alt und lebt hier in Miami.« Sie tippt in ihrem Tablet herum und hält es mir dann entgegen. Darauf eine E-Mail mit Informationen zu dieser Katleen.
»Ich hatte Kontakt zu dem Anwalt deines Vaters und dabei ist ihm dieser Name rausgerutscht. Also habe ich recherchiert und sie gefunden. Sie ist eine Tochter deines Vaters.«
Der Schock sitzt tief in mir und ich kann nicht mehr tun, als mich auf den Stuhl niederzulassen, weil meine Knie weich werden und einfach nachgeben.
Nach Halt suchend, umgreife ich die Armlehnen des Stuhls und lasse mich bedacht nieder.
»Du verarschst mich doch jetzt.«
»Du hast angefangen«, erwidert sie humorlos schmunzelnd. »Ich habe bereits Kontakt zu Katleen aufgenommen«, beichtet sie dann und sieht mich abwartend an.
Ich aber starre einfach auf diesen E-Mail-Verlauf, den Amber bereits mit ihr hatte.
»Sie würde dich gerne kennenlernen«, verrät sie und erst jetzt sehe ich zu ihr auf. »Sie hat auch einen Liebesbrief vom Anwalt deines ... eures Vaters erhalten. Sie hält auch nicht wirklich viel von ihm und würde sich gerne mit dir gegen ihn verbünden.«
Im ersten Moment schüttle ich den Kopf. Nicht, weil ich das abweise, sondern weil ich vor Fassungslosigkeit gar nicht reagieren kann.
Was stimmt mit dieser Welt heute nicht?, frage ich mich erneut. Ich sehe auf und werfe einen Blick auf den Kalender. Es ist der 25. Mai, nicht der 1. April. Kein anderer bedeutender Tag, der all das heute erklären könnte.
Erst diese Massenschlägerei unserer Kinder, dann der Anruf der Jugendbehörde wegen Kate und jetzt erzählt mir Amber noch von Katleen. Ganz zu schweigen von der Forderung meines Vaters vor drei Tagen. Habe ich vielleicht irgendwas verpasst? Was passiert hier gerade? Ist es Zufall, dass alles an nur einem Tag passiert? Das ist so verrückt, wie es auch unrealistisch ist.
Das glaubt mir doch niemand! Und vor allem: Wie soll ich das Jolene beibringen?!

Ich erhebe mich wieder, gebe Amber das Tablet zurück und wende mich der Tür zu, um ihr Büro zu verlassen.
»Wohin gehst du?«, fragt sie verwundert.
»Mich betrinken.«
»Warte.« Sie eilt mir hinterher und hindert mich daran, ihr Büro zu verlassen. Sie tippt in ihrem Handy herum und kurz darauf vibriert meines. »Die Nummer von Katleen. Sie wartet auf deinen Anruf. Sie möchte dich wirklich kennenlernen. Vielleicht begleitet sie dich ja und betrinkt sich mit dir.« Jetzt schmunzelt sie amüsiert. »Immerhin geht es ihr ja wie dir. Vor allem wenn du ihr von Schwester Nummer 3 erzählst.«
Ich schnaube, nicke aber, ehe ich schließlich ihr Büro verlasse.
Unten im Auto zücke ich mein Handy und sehe mir die Nummer an, die mir Amber geschickt hat. Ich bin unschlüssig, was ich jetzt tun soll. Soll ich sie wirklich anrufen und mich mit ihr verabreden? Oder lieber noch eine Nacht darüber schlafen? Es fühlt sich alles so verrückt und bizzar an.

Jolene (+ Love)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt