Über den Bordstein balancierend passierte ich die Straßen. Kein Mensch war weit und breit zu sehen, lediglich eine schwarze Katze huschte über die Straße und verschwand hinter einer Hausecke. Manchmal fragte ich mich, ob sich nur alle einfach von mir fernhielten. Doch dann sagte ich mir, dass das Quatsch war. Um diese Zeit war hier nun mal niemand draußen unterwegs. Viele waren nicht zuhause, noch auf Arbeit. Vielleicht machte der ein oder andere auch ein Mittagsschläfchen. Am frühen Nachmittag geht nun mal niemand auf die Straße. Außer mir natürlich.
Und davon mal abgesehen, wer wollte hier schon entlang gehen? Hier gab es nichts erwähnenswertes, nur ein paar Häuser mit dem grauen Putz der 1930er Jahre. Dieser Weg war eine Sackgasse, zumindest wenn man mit dem Auto unterwegs war. Es gab einen Trampelpfad, der über ein unbewohntes Grundstück führte, direkt zu meinem Ziel.
Natürlich gab es noch einen anderen Weg, einen öffentlichen. Dieser hier war mir nur einfach lieber.
Ich erreichte einen alten Gartenzaun. Nach einem kurzen Rundumblick, ließ ich meinem Rucksack von den Schultern gleiten und hob ihn über den Zaun. Dann kletterte ich schnell hinterher. Auf der anderen Seite versank ich fast, so hoch stand hier das Gras. Nur ein schmaler Weg, der mit der Zeit entstanden war, führte von hier aus an den Ruinen einer Hütte vorbei hin zu alten Bäumen und einer Mauer aus Stein.
Hier hatte ich immer ein wenig das Gefühl, beschattet zu werden. Doch es gab niemanden, der sich hier aufhielt, geschweige denn hier lebte. Vielleicht war es auch nur das Unwissen darüber, wer hier gelebt hatte.
Mein Blick lag auf den Ruinen. Das Dach war eingefallen, die Fensterscheiben zerbrochen, die Holztür zugenagelt. Einmal hatte ich hinein gespäht, durch jedes Fenster. Doch außer Dreck, Staub, Spinnweben, alter Stühle und Schränke hatte ich nichts erkennen können, was mir verraten hätte, wem diese Hütte gehört hatte. Vielleicht war etwas in den Schubladen verborgen; Geheimnisse, Erinnerungen, veraltet und verborgen. Wie es aussah, gab es niemanden, der sie suchen und lüften wollte.
Eilig lief ich weiter bis ich den Schatten der Bäume erreichte. Weit über mir steckten sie ihre Äste gen Himmel. Weit unter mir reichten ihre Wurzeln tief ins Erdreich hinein. Und ich spazierte zwischen ihnen entlang und folgte dem Verlauf der Mauer. Mit einer Hand strich über die alten Steine. Manche waren bemoost, andere locker, und es gab kleine Pflanzen, die ihre Blütenköpfchen zwischen ihnen empor hoben.
Die Mauer führte um eine Kurve und der Mauerdurchbruch kam in Sicht. Mein Zeil kam in Sicht. Ein verrostetes gusseisernes Tor versperrte den Durchbruch. Die Verzierungen des altem Tors ähnelten den Ornamenten, die ich in letzter Zeit immer wieder Zeichnete. Immer wieder tauchten sie hier auf und immer, wenn ich sie irgendwo anders entdeckte, war ich gedanklich doch hier.
Hier.
Ich betrachtete meine Hand, während ich sie vorsichtig um die Stäbe legte und leicht drückte. Ohne einen Ton, fast schon reibungslos schwang das Tor auf. Jedes Mal staunte ich darüber: Warum quietschte es nicht?
So wirkte es einladend.
Ein stummes willkommen heißen.
Am Ziel, dachte ich und musste schlucken.
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𝐻𝑜𝒻 𝒹𝑒𝓈 𝐹𝓇𝒾𝑒𝒹𝑒𝓃𝓈
Spiritual»Fühle dich nicht einsam. Das gesamte Universum befindet sich in dir.« ~ Rumi 🙞 ⋆ 🙜 Wie fühlt es sich an, einen geliebten Menschen zu verlieren, wenn die eigene Welt plötzlich stehen bleibt, während sich die um einem herum einfach weiterdreht...