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„Ich könnte echt mal wieder Wochenende vertragen. Oder noch besser: Ferien!", begrüßte mich Theo am nächsten Morgen. Mit Schwung ließ er seine Schultasche neben mir fallen. „Wer hat sich eigentlich ausgedacht, dass Schule um so eine unmenschliche Uhrzeit beginnt?", sagte er, ehe er auch sich selbst fallen ließ. Allerdings nicht auf den Boden, sondern auf den Stuhl neben mir.

Ich zuckte ratlos die Schultern. „Wer auch immer es war, er steckt bestimmt mit dem unter der Decke, der Kopfrechenaufgaben mit Brüchen dem Lehrplan hinzugefügt hat."

„Komm' mir bloß nicht mit Bruchrechnung!", stöhnte Theo und machte eine abwehrende Geste, lachte dabei jedoch.

Ich hob die Hände. „Schau zur Tafel. Da steht was von Multiplikation und Division von Brüchen."

Augenverdrehend tauchte Theo ab und wühlte in seiner Tasche, wobei er etwas von einem bevorstehenden „Genickbruch" faselte und dass er sich ausrechnen könnte, dass er sich gleich erbrechen müsse. Ich schüttelte den Kopf und grinste in mich hinein.

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Da ist es wieder gewesen, bemerke ich etwas später, als jeder mit seinen eigenen Rechenaufgaben beschäftigt war.

Nach ihrem Tod hatte ich geglaubt, dass nichts so weiter gehen konnte, wie es vorher – und in gewisser Weiße stimmte das auch. Es erschrak mich regelrecht, dass es diese Momente gab, an denen ich Mamas Tod vergas und alles um mich so war wie früher. Momente, in denen ich mit anderen herumscherzte und lachte. War das gut? War das falsch?

          Ich habe dich vergessen, Mama.

Umso mehr traf es mich ihre Abwesenheit einen Wimpernschlag später. An ihrem Grab hatte ich ihr versprochen, sie niemals zu vergessen. Und jetzt? Meine Augen suchten die Ferne. Meine Gedanken trifteten ab und ich befand mich wieder auf dem Friedhof.

Weiße Rosenblätter fielen aus meiner Hand zur Erde ehe sie zu Stein wurden. Meine Hand strich sie zur Seite, um die Inschrift sichtbar zu machen.

          »Dem Auge fern, dem Herzen ewig nah.«

Jemand berührte mich an der Schulter und ich konnte ihr Gesicht erkennen. Die strahlenden Augen. Die langen offenen Haare. Dann sah ich, wie sich von mir entfernte. Weg ging. Ohne mich bewegen zu können, sah ich ihr hinterher bis ich sie aus den Augen verlor.

Ein Tritt gegen mein Schienbein klärte meine Sicht, sodass ich wieder das Klassenzimmer sah. Ich blinzelte und begegnete den erwartungsvolle Blick meines Mathelehrers.

„Ob du die Lösung zu Aufgabe 7 vorstellen kannst", wisperte mir Theo zu.

Hektisch sah ich auf meine Unterlagen und versuchte, mich zu orientieren. „Ähm, ja, natürlich."

Seit Wochen hatte meine Konzentration erheblich nachgelassen. Immer öfter fand ich mich in meinen eigenen Gedanken wieder, auch dann, wenn um mich herum das Geschehen tobte. Es fiel mir schwer, daran Teil zu haben, an dieser bewegten lauten und hektischen Welt. Seit jedem Tag schien sich die Welt verändert zu haben. Die Menschen. Die Orte. Die Geräusche. Die Farben.

Seit jenem Tag hatte sich die Welt verändert und nur ich schien es zu bemerken.



𝐻𝑜𝒻 𝒹𝑒𝓈 𝐹𝓇𝒾𝑒𝒹𝑒𝓃𝓈Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt