Kapitel 9

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„Oh fuck! Es ist schon 20.00Uhr. Ich muss langsam wirklich nach Hause. Meine Mom meinte vorher, sie braucht noch bei irgendetwas meine Hilfe"

Das ist natürlich gelogen. Der einzige Grund warum ich dieses Haus so schnell wie möglich verlassen will, ist Julien. Aber sein Training ist meistens, zum Glück erst um 20.00 Uhr vorbei, was bedeutet, dass er erst in einer halben Stunde hier sein würde.

Draußen ist es bereits dunkel geworden, da der Sommer sich langsam dem Ende zuneigt und die Tage zunehmend kürzer werden.

„Uhm... ja klar. Alles gut.", Noah sieht mich mit verständlichem Blick an und nickt bestätigend. Zum Glück ist er so Verständnisvoll... Ganz anders als sein ach so toller Bruder.

„Ich würde mich dann auf den Weg machen." Ich deute mit dem Zeigefinger auf die Tür von Noahs Zimmer, gleich nachdem ich hastig meine Sachen zusammengepackt und in meinen Rucksack gestopft habe. „Mhm. Willst du noch was trinken oder so?" „Nein, nein danke. Passt schon.", bringe ich nach kurzen zögern hervor. Ich muss hier raus. Selbst wenn Julien erst in einer halben Stunde nach Hause kommen würde...

Sicher ist sicher.

Mit diesen Worten verabschiede ich mich von Noah, schwinge mir meinen Rucksack über die Schulter und begebe mich in Richtung Treppe, wo ich dem erlösenden Ausgang immer näherkomme.

Unten angekommen, sehe ich das in der Küche Licht brennt. Danielle und ich hatten unglaublich lange nicht mehr miteinander geredet. Daher empfinde ich es als das mindeste, mich wenigstens bei ihr zu verabschieden.

Auch wenn ich gerade auf der Flucht vor ihrem Sohn bin.

Als ich die Küche betrete, ist das Erste was mir in die Augen sticht, die Rote Küchenmaschine, die Danielle gerade am putzen ist. Mit dieser Küchenmaschine, habe ich meine ersten Muffins überhaupt gebacken. Seitdem liebe ich es zu backen und neue Rezepte auszuprobieren. „Weißt du noch damals als wir das erste Mal gemeinsam gebacken haben?", fragt mich Danielle mit ihrem typischen warmen und herzlichen Lächeln auf den Lippen. Sie trägt ihre braunen Haare in einem unordentlichen Dutt zusammengebunden. Außerdem erkenne ich ihre Lieblingskochschürze wieder. Sie ist perfekt auf die Küchenmaschine abgestimmt, da sie den genau gleichen Rot-Ton hat. Ich will gerade antworten, als ich die Haustür aufgehen höre.

Das kann doch nicht wahr sein, schießt es mir durch den Kopf. Es war so klar, dass mein Plan zum Scheitern verurteilt ist. Und es wird auch noch schlimmer...

„Julien? Kommst du mal kurz her?"

Warum? Warum muss sie das ausgerechnet jetzt fragen. Sonst wäre er einfach in sein Zimmer gegangen und ich hätte mich in Ruhe aus dem Staub machen können.

„Hey Mom", höre ich seine tiefe Stimme hinter mir. Meine Haut beginnt Augenblicklich zu kribbeln und das unerträgliche Verlangen packt mich, ihn zu berühren. Eigentlich dachte ich, er würde noch sein übliches „Hey Liv", hintendran hängen, doch das tut er nicht.

Eine Portion Schmerz durchzuckt mich, wie ein Blitz, der in meinen Körper eindringt und über den nur Julien die Kontrolle hat.

„Ich muss dann mal los. Ich muss meiner Mom noch bei etwas helfen", stammle ich und versuche mir nichts anmerken zu lassen. Gerade greife ich nach meinem Rucksack als Danielle zur Sprache anhebt. „Liv! Hast du mal nach draußen geschaut? Es schüttet wie aus Eimern. Ich kann dich unmöglich bei diesem Wetter nach Hause laufen lassen.", kurz macht sie eine Pause und überlegt sich anscheinend eine Lösung. „Weißt du was? Julien fährt dich einfach. Ist das okay für dich Schatz?" Jetzt würde Julien mir gleich Stück für Stück weiter mein Herz herausreißen, wenn er verzweifelt versuchen würde, seine Mom zu überreden, dass er mich nicht nach Hause fahren muss.

Ich verstehe ehrlich gesagt auch nicht was daran so schlimm sein soll, wenn ich alleine nach Hause laufen würde. Denn ich wohne nur vier Straßen weiter. Aber es bringt eh nichts, denn ich weiß, dass Danielle nicht locker lassen wird.

„Geht klar"

Was? Habe ich gerade richtig gehört? Ich kann es nicht fassen. Dieser Junge ist mir das größte Rätsel.

Wie gerne hätte ich mich von Noah fahren lassen. Ehrlich gesagt, hätte ich alles getan um nicht mit Julien, zu zweit, in einem Auto sitzen zu müssen.

„Aber erst muss ich duschen", fügt Julien noch hinzu. Mit einem geistesabwesenden nicken von mir als Antwort, verlässt er den Raum.

Nach einer Weile, die ich in der Küche, mit einem weiteren Stück Bananenbrot und einem angenehmen Gespräch mit Danielle verbracht habe, höre ich wie jemand die Treppe herunterkommt. Erst denke ich es ist Julien, doch als die Schritte immer näherkommen, entdecke ich schließlich Noahs braunen Haarschopf in der Türe.

Die Haare, hat er von Danielle. Anders als Julien, der das Pechschwarze Haar seines Vaters geerbt hat.

„Wolltest du nicht schon lange zu Hause sein?", fragt er mit misstrauischem Unterton in der Stimme. „Julien fährt mich.", sage ich so lässig wie möglich, während ich versuche, mir meine steigende Nervosität nicht anmerken zu lassen. Wieder hat Noah diesen dunklen Gesichtsausdruck. Ich kenne ihn so gar nicht. Eigentlich ist er immer freundlich und offen und so einen Gesichtsausdruck wie den, den er gerade aufsetzt, habe ich – bis auf die letzten Wochen – noch nie auf seinem Gesicht gesehen. „Seit wann versteht ihr beide euch denn so gut?", wieder schwingt der gleiche misstrauische Unterton in seiner Stimme mit. Was ist nur mit ihm los?

„Tun wir doch gar nicht! Also ich meine ich mag ihn immer noch nicht. Ich hasse ihn.", stammle ich während ich verzweifelt versuche nicht nur Noah und Danielle, sondern auch mich von diesen Worten, die offensichtlich gelogen waren, zu überzeugen.

„Können wir los?", höre ich Juliens Stimme plötzlich hinter mir. Fuck!

Stumm nicke ich, schnappe mir meinen Rucksack, murmle eine kurze Verabschiedung an Danielle und Noah und folge Schließlich Julien in Richtung der Haustüre.


Ups! Denkt ihr Julien hat gehört, was Olivia über ihn gesagt hat?

My Heart beats fasterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt