Nach einer gefühlten Ewigkeit verlassen Noah und ich endlich den überfüllten Schulbus, der an einer Haltestelle, ungefähr auf halber Distanz zwischen unseren Häusern, hält. Da wir die Hausaufgaben ja zusammen machen würden, laufen wir gemeinsam in die Richtung von Noahs Haus.
Er war den restlichen Tag heute erstaunlich still und sein Gesichtsausdruck war die ganze Zeit ungewöhnlich angespannt. Um ihn ein wenig aufzuheitern, remple ich ihn leicht an, sodass er aus dem Gleichgewicht kommt und ein wenig nach links taumelt.
Mir entfährt ein leises Lachen, welches mir dann aber vergeht als Noah mich ebenfalls anrempelt und das, ein wenig stärker als ich vermutet hätte. Mit meinen Armen versuche ich mich irgendwie wieder in eine stabile Position zu bringen, da ich sonst gleich den dreckigen Beton der Straße küssen würde.
Mein Fuß ist nämlich am Rand des Bordsteins abgerutscht und ich befinde mich in freiem Fall auf die Straße und freunde mich während dieser wenigen Sekunden mit dem Gedanken an, dass der Tag heute wohl genauso scheiße weitergeht, wie er angefangen hat.
Plötzlich spüre ich einen Arm der sich kräftig aber sanft um meine Hüfte schlingt, mich behutsam festhält und somit verhindert, dass ich auf die Straße fallen würde. Ich wusste nicht wann Noah von dem kleinen zierlichen Jungen der er einmal war, zu dem Noah wurde der jetzt vor mir steht.
Denn um ehrlich zu sein, achte ich nie so wirklich auf sein Aussehen. Damit meine ich nicht, dass er hässlich ist, denn das ist er nicht, da sein Gesicht dem seiner Mutter unfassbar gleicht. Ich meine einfach nur das unsere Freundschaft in keiner Art und Weise auf oberflächlicher Ebene ist. Wir kennen uns schon so lange ich denken kann. Wir haben und schon in allen Situationen gesehen. Vollgeschmiert mit Dreck, da wir in Pfützen gesprungen und dabei manchmal auf den Hintern gefallen waren. Mit Mehl im Gesicht von einem unserer Back-Tage mit Danielle. Und am Morgen nachdem wir das erste Mal Alkohol getrunken haben und sowohl er als auch ich kotzend über der Kloschüssel hingen.
Noah war einfach immer da. Er ist Noah. Der Noah mit dem ich mein ganzes Leben verbracht habe. Er ist immer für mich da, genauso wie ich das für ihn bin. Wir streiten uns praktisch nie und unser Verhältnis zueinander könnte nicht besser sein. Daher wundert es mich umso mehr, dass er nicht mit mir redet und seit Wochen diesen düsteren Gesichtsausdruck mit sich rumschleppt.
„Danke", sage ich mit erleichtertem Unterton in meiner Stimme, meinen Blick noch immer auf Noahs, mittlerweile sehr muskulären Arme, gerichtet. Als ich den Kopf hebe sehe ich nur Noahs Augen die direkt in meine Blicken. Rasch, zieht er seinen Arm weg und reibt sich verlegen den Nacken, während er irgendetwas auf mein Danke erwidert, was ich nicht richtig verstehe.
Mit dem Kopf nicke ich in die Richtung in der es zu seinem Haus geht, um ihm zu bedeuten, dass wir weiterlaufen sollten. Kurz zögert er, geht dann aber schweigend neben mir her.
Als wir bei ihm zu Hause ankommen und er die Tür aufschließt, teilt er mir mit, dass Danielle noch auf der Arbeit sei und wir somit unsere Hausaufgaben im Wohnzimmer erledigen können.
Während Noah in der Küche etwas zu trinken für uns holt, breite ich meine Unterlagen auf dem Wohnzimmertisch aus und hole meinen Laptop aus meinem Rucksack, um die Aufgaben von Ms. Watson erledigen zu können.
„Willst du Orangensaft?", höre ich Noahs gedämpfte Stimme aus der Küche. Ich antworte ihm mit einem einfachen „Ja". Kurz darauf höre ich auch schon seine Schritte, die sich mir nähern. Mit zwei Gläsern Orangensaft in den Händen läuft er auf mich zu und stellt ein Glas direkt vor mich, während er das andere in der Hand behält und einen großen Schluck trinkt.
Immer wieder geht mir die Situation von vorhin durch den Kopf und meines Erachtens nach, herrscht auch eine komische Spannung zwischen uns. Eine derartige Spannung war noch nie da gewesen. Noah und mir musste voreinander nichts peinlich sein. Wir akzeptieren immer alles am Anderen so wie es ist. Aber in letzter Zeit ist irgendetwas anders.
Ohne ein weiteres Wort, beginnt auch Noah seine Unterlagen auf dem Tisch auszubreiten und beginnt wortlos mit dem schreiben seiner eigenen Geschichte. Ich tue es ihm gleich und beginne mir eine gute Story zu überlegen...
... Und so werde ich wohl nie erfahren ob er mich liebt, hasst oder womöglich sogar beides.
So beende ich den letzten Satz meiner Geschichte. Ich war, wie immer, wenn ich schreibe, total in meine Arbeit versunken und habe nichts bemerkt was um mich rum passiert ist. Daher hebe ich meinen Kopf um zu sehen was Noah in der Zeit gemacht hat. Doch statt einem arbeitenden Noah der ebenfalls so vertieft in das ist was er tut, wie ich selbst wenige Momente zuvor, sieht er mich geradewegs an.
Sein Blick sieht interessiert aus. Hatte er mich etwa beobachtet? Schnell verwerfe ich diesen Gedanken wieder. Warum sollte er das tun? Das klingt ganz und gar nicht nach dem Noah den ich kenne.
Noah scheint meinen skeptischen und gleichzeitig fragenden Blick bemerkt zu haben, da er zur Sprache ansetzt.
„Ich finde es schön zu sehen wie versunken du jedes Mal bist, wenn du schreibst. Deine Augen können sich gar nicht vom Bildschirm losreißen und sind wie gefesselt. Nichts kann dich aus der Ruhe bringen und du bist dann immer so friedlich und...", er unterbricht sich selbst und sein Blick richtet sich peinlich berührt auf den Boden. Was war das denn? Das hat sich zu 0% nach dem Noah den ich kenne angehört.
Ich weiß nicht wie ich reagieren soll und kriege deshalb nur ein verwirrtes, „Ehmm... findest du? Danke.", heraus. Die Stimmung zwischen uns wird von Sekunde zu Sekunde immer angespannter zwischen uns, wie ein unsichtbares Band das jeweils an einem Ende von uns gehalten wird, und die Distanz zwischen uns immer größer werden lässt, da es sich immer weiter, spannt.
Noah steht auf, geht zu dem Regal auf dem der Fernseher steht, öffnet die Schublade und holt seine Musikbox heraus. Wenige Momente später füllt die Musik, die laut aus der Box dröhnt, die angespannte Stille zwischen uns.
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My Heart beats faster
عاطفية"Theres nothing I hate more than what I can't have" ~ Taylor Swift In Olivias Leben läuft alles hervorragend. Ihre Noten sind gut und sie hat einen tollen besten Freund, der immer für sie da ist. Doch es gibt jemanden der alles auf den Kopf stellt...