Kapitel 17

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Nachdem ich Noah, aus Angst Julien über den Weg zu laufen, bereits zwei Mal diese Woche abgesagt habe, war es eindeutig an der Zeit mich meiner Angst zu stellen.

Gerade sitze ich auf Noahs Bett während er uns etwas zu trinken und ein paar Snacks aus der Küche holt. Ich scrolle auf meinem Handy herum und schaue mir irgendwelche Videos von Mädchen mit dem perfekten Alltag an, die ihr Leben komplett im Griff haben und rund um die Uhr gut aussehen. Das genaue Gegenteil von mir. Oben auf meinem Bildschirm kommt eine Nachricht von meiner Mutter an, in der sie mir sagt, dass sie vielleicht ein wenig später nach Hause kommen würde. Danach wechsle ich wieder die App und widme meine volle Aufmerksamkeit dem Clip der gerade läuft.

Ich bin so vertieft in das Video, dass ich kaum mitbekomme wie sich die Tür öffnet und jemand ins Zimmer kommt. Noah hat sich wirklich Zeit gelassen mit dem Snacks holen und mein Mund formt sich jetzt schon zu einem gehässigen Lächeln, um gleich einen Spruch loszulassen. Ich hebe zur Sprache an während ich meinen Blick langsam von meinem Handy nach oben bewege. Doch bevor auch nur ein Wort meinen Mund verlassen hat, erstirbt mein Grinsen und ein Kribbeln durchfährt mich. Denn die Person die nun in Noahs Zimmer vor mir steht, ist kein anderer als Julien. Er scheint mich auch erst jetzt bemerkt zu haben und ein Anflug von Panik, huscht über sein Gesicht.

„Oh sry... Ich wusste nicht, dass du hier bist...", seine Stimme bebt und man hört eindeutig die Unsicherheit daraus, die mich sehr verwundert, da Julien eigentlich der Selbstbewussteste Mensch ist, den ich kenne. Abrupt dreht er sich um und geht in Richtung der Türe.

„Warum machst du sowas? Und warum mit mir?"

Die Worte verlassen meinen Mund, ohne dass ich darüber nachdenke. Juliens Mine erstarrt und er hält inne in seiner Bewegung. Er öffnet seinen Mund und scheint nach den richtigen Worten zu suchen. Gerade als er sie gefunden zu haben scheint, hören wir Noah die Treppen hochlaufen. Er schließt seinen Mund wieder und springt förmlich aus dem Zimmer. Ein paar Sekunden später höre ich die gedämpften Stimmen der beiden Jungs aus dem Flur.

„Hat Mom schon wieder meinen Hoodie in deinen Schrank gemacht? Ich kann ihn nämlich nicht finden."

Wie kann er noch so gefasst sein, wenn mein eigenes Herz noch immer, einzig und allein wegen dieser einen kurzen Begegnung Loopings schlägt? Kaum einen Moment später beantworte ich mir die Frage aber selbst. Ihm ist es einfach egal. Er benutzt mich wahrscheinlich nur als Ablenkung von irgendeinem anderen Mädchen, mit der es ihm zu langweilig geworden ist.

„Keine Ahnung. Ich gucke nachher.", in Noahs Stimme schwingt ein genervter Unterton mit. Warum ist er sauer auf Julien? Haben die beiden sich etwa gestritten?

*

Jede Woche, schauen wir die neue Folge unserer Serie, und sehnen uns die ganze Woche danach endlich zu erfahren wie es weiter geht. Ich bin unendlich gespannt, was in dieser Folge passieren wird, da die Serie dem Staffelfinale immer näher rückt.

Unter Noahs Decke an ein Kissen gekuschelt, liege ich in seinem Bett. Er sitzt mit dem Oberkörper an die Lehne seines Betts gelehnt, ebenfalls halb unter der Decke neben mir. Unsere Beine berühren sich leicht, doch das ist nicht wirklich etwas Besonderes. Doch irgendwie fühlt es sich anders an als sonst. Ob positiv oder negativ, weiß ich selbst nicht so genau.

Plötzlich spüre ich wie sich eine Hand auf meinen Kopf legt und Noah beginnt sanft meinen Kopf zu kraulen. Das hat er nun wirklich noch nie getan, daher überrascht es mich umso mehr. Ich weiß nicht so recht wie ich das finden soll, sage zunächst aber gar nichts. Wie versteinert starre ich auf den Bildschirm und schaue die Serie weiter.

„Ist dir kalt?", erkundigt sich Noah nach einer Weile, obwohl er sich die Frage eigentlich sparen kann, da ich von Hals bis Fuß in seine Decke eingewickelt bin. Was auch übrigens kein Wunder ist, da es bereits später Herbst ist und ich nur ein T-Shirt trage.

„Wie siehts denn aus?" Die Ironie in meiner Stimme ist kaum zu überhören und sorgt dafür, dass Noah ein Lachen entfährt. „So als könntest du einen Hoodie von mir gebrauchen." Okay jetzt ist es wirklich nicht mehr normal. Es wird mir langsam alles zu zweideutig und die Puzzleteile in meinem Gehirn beginnen sich zusammen zu puzzeln. Der Grund, warum Noah so sauer war und seit Wochen diesen Gesichtsausdruck mit sich herumschleppt, ist kein anderer als Julien. Aber nicht nur Julien. Sondern auch ich. Vor Allem ich. 

Wie blind war ich bitte die ganze Zeit gewesen?

Also stecke ich jetzt in einer ganz schönen Zwickmühle fest, beschließe aber mich von meinem Instinkt leiten zu lassen, der mir gerade nichts anderes Vermittelt außer, dass ich gleich erfriere. Mein Blick hat Noah anscheinend schon als Antwort gereicht und nickt mit seinem Kopf in die Richtung seines Schranks.

„Kannst dir einen aussuchen."

Zitternd stehe ich auf und gehe quer durchs Zimmer, zu seinem Kleiderschrank. Ich öffne die Schiebetür, hinter der sich seine Hoodies befinden. Ich lasse meinen Blick über jeden Hoodie schweifen, der in seinem Schrank liegt und bleibe bei einem dunkelblauen Hoodie hängen, der unglaublich gemütlich aussieht. Ich zerre ihn aus dem Schrank heraus und drehe mich Noah um, der mich mit einem Lächeln beobachtet. Das Lächeln vergeht ihm aber, als sein Blick am Pulli in meiner Hand hängen bleibt. Seine Mine verfinstert sich und sein Gesichtsausdruck ebenfalls. Mit fragendem Blick sehe ich ihn an.

„Nimm lieber einen anderen.", seine Stimme ist angespannt und ein wenig Wut schwingt in ihr mit. Was ist denn jetzt los?

Und dann macht es klick. Julien hatte Noah vorhin gefragt, ob Danielle schon wieder seinen Pulli in Noahs Schrank gelegt habe. Wie konnte ich aus den mindestens 15 Pullis die an der Stange hängen, ausgerechnet den einen wählen, der seinem Bruder gehört. Typisch...

Um der Situation zu entkommen, nehme ich mir schnell den Olivgrünen Pulli, da Noah den besonders häufig trägt und ziehe ihn mir über. Mal wieder merke ich, dass Noah nicht mehr der kleine Noah ist, denn der Pulli ist mir viel zu groß und hängt wie ein Sack an mir herab. Ich kuschle mich zurück ins Bett und rutsche ein wenig näher an ihn heran, um ihm ein, hoffentlich nicht ganz so offensichtliches Zeichen zu geben, da ich ja immer noch nicht zu 100% weiß, ob ich mich meiner Vermutung richtig liege. Doch Noah versteht mein Zeichen und legt Augenblicklich einen Arm um mich und zieht mich näher an sich heran, so dass mir der warme Geruch seines Parfums in die Nase steigt. Es fühlt sich unglaublich schön an.

Nach ein paar Minuten, sehe ich mein Handy aufleuchten und gehe davon aus, dass es noch eine Nachricht von meiner Mom ist, die doch früher zu Hause ist und mich fragt wo ich bin, auch wenn sie das genau weiß. Ich setze mich auf und greife nach meinem Handy um auf die Nachricht zu antworten. Doch im nächsten Moment rutscht mir mein Herz in die Hose. Die Nachricht ist nicht von meiner Mom. Eine Instagram Mitteilung ist auf meinem Sperrbildschirm zu sehen und sie stammt von keinem geringeren als Julien.

My Heart beats fasterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt