PROLOG

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00 das neugeborene

DIE Dunkelheit legte sich über Kattegat wie eine schwere Felldecke im tiefsten Winter und obwohl mehrere Fackeln die Gassen erhellten, schlich eine verhüllte Gestalt vom Anlegeplatz der Schiffe zurück zur Großen Halle

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DIE Dunkelheit legte sich über Kattegat wie eine schwere Felldecke im tiefsten Winter und obwohl mehrere Fackeln die Gassen erhellten, schlich eine verhüllte Gestalt vom Anlegeplatz der Schiffe zurück zur Großen Halle.
Noch vor wenigen Stunde wurde Blut vergossen. Ein Dorf weit entfernt von den Nordländern zerstört und geplündert.
Beraubt, nicht nur um Geld.

Schwer fielen die Türen hinter dem Schatten ins Schloss, ehe sich Ragnar Lothbrok die Kapuze von der Stirn schob und zu dem Thron auf der anderen Seite schaute. Seine zweite Frau, Aslaug, hielt weiterhin die Augen geschlossen, jedoch waren ihre Lippen zu einer unverkennbaren wütenden Linie verzogen. Trotz des warmen Lichts des Feuers wirkte ihre Haltung kalt wie Eis.

»Meine geliebte Gemahlin, ich-«
»Spar es dir.«, zischte sie wie eine Schlange kurz vor dem Angriff. Eine Warnung. Noch einen Schritt und der Biss würde tödlich enden. »Ich habe gesehen, was du getan hast.«
Ragnars Muskeln spannten sich, als er eine sanfte Bewegung in seinen Armen spürte.
»Ihre Familie war bereits tot, als wir sie fanden. Eine reisende, wohlhabende Familie.«

Die umrandeten Augen der hochgewachsenen Frau richteten sich eisig auf den König von Kattegat, in welchem Blick etwas Flehendes funkelte.
»Ich werde mich nicht um ein Kind kümmern, welches nicht in dieses Land gehört.«
»Es ist keine zwei Jahr alt. Wir werden es wie eines unserer großziehen.«, erwiderte Ragnar und trat einen Schritt vor, was dem Neugeborenen einen kurzen Laut entlockte. Vorsichtig brachte er es unter seinem Mantel hervor und schob die dicke Decke etwas zur Seite. Tief in seinem Inneren schmerzte es, denn irgendetwas an diesem kleinen Geschöpf erinnerte ihn an eine verlorene Seele aus seiner Vergangenheit. Zu gern hätte er seiner Tochter beim Großwerden zu gesehen. Hätte ihr Dinge beigebracht, welche sie später zu einer angesehene Frau beförderte.

»Ich will es hier nicht.«
Eisblaue Augen funkelten wieder geradeaus. Ragnar straffte die Schultern, doch als sich winzige Hände um seinen Zeige- und Mittelfinger wickelten, verschwand der Zorn so schnell, wie er gekommen war.
»Dann gebe ich es in die Hände von jemanden, dem ich hier mit am meisten vertraue.«
»Sie wird Schande über unsere Sippe bringen, Ragnar.«

Sein Kopf drehte sich wieder in die Richtung von Aslaug, welche ungeduldig die Finger um die Armlehnen schloss. »Hast du etwas gesehen, was du mit mir teilen möchtest, Liebste? Denn das hat der Seher ebenfalls getan.«
»Ich bezweifle, dass wir dasselbe gesehen haben.«
»Hohe Wahrscheinlichkeit. Seine Vision brachte mir Freude, welche ich nicht abschlagen werde.«
Wut umspielte ihre Mundwinkel, ehe sich Aslaug zurücklehnte. Eine abfällige Handbewegung.
»Solange sie nicht in unserer Familie aufwächst, kannst du tun und lassen, was du willst, Ragnar.«

Zwar wollte der Mann es nicht zugeben, doch die Worte erleichterten ihn ein wenig. Mit einem knappen Nicken verschwand er erneut in der Nacht, entfernte sich von dem kleinen Markplatz und steuerte die Hütte in einer abgelegenen Gasse an. Wie bereits vermutet, schien immer noch etwas Licht durch die dünnen Bretter.
Ein knappes Klopfen.

»Solveig!«
Ein Haarschopf übersät mit einem Meer an braunen Locken erschien. Stirnrunzelnd sah sie von Ragnar durch die Gasse, dann zurück zu einem ihrer ältesten Freunde in Kattegat.
»Was ist? Bist du doch verletzt von der Schlacht zurückgekehrt?«
Ihre Stimme klang gleichzeitig kehlig und honigsüß.
Solveigs grüne Augen scannten bereits die Körperteile ihres Gegenübers ab, bevor sie an dem Bündel in seinen Händen zum Halt kam.

»Wer ist das?« Im Gegensatz zu Aslaug hellte sich ihre Miene auf, dann öffnete sie die Tür etwas mehr und streckte die Arme aus. Der Geruch von verschiedenen Kräutern drang an die kühle Nachtluft.
»Ich möchte, dass du sie großziehst, Solveig. Sie ist ein Gottesgeschenk. Odin höchst persönlich hat sie mir überlassen.«

Augenblicklich bildete sich eine Falte zwischen den Augenbrauen der jungen Heilerin. Ragnars Blick war jedoch nur auf das Kind gerichtet, welches sich nun müde an die Brust von Solveig schmiegte. Gähnte. Erst jetzt bemerkte er das getrocknete Blut, welches noch an ihren winzigen Wangen klebte.
Solveigs Hand legte sich um den Hinterkopf des kleinen Geschöpfes. »Hat sie einen Namen?«
Ragnar lächelte. »Theda.«

Die Frau schluckte und schaute ihren Gegenüber mehr wie einen Verrückten an, statt wie ihren König. Doch dafür kannte sie ihn zu lange. »Und ihr richtiger Name?«
»Das spielt nun keine Rolle mehr. Sie ist eine von uns.«
Ein letztes Mal strich der Wikinger über die Wange des Neugeborenen, dann wurde er wieder zu einem Schatten.

Solveig sah noch ein paar Minuten in die Gasse, dann schloss sie hinter sich die Tür ihrer Hütte und begann sich ein Leben mit ihrer Tochter aufzubauen.
Mit Theda. Dem Gottesgeschenk.
Von welchem Gott bleibt abzuwarten.

𝘿𝙀𝙑𝙄𝙇𝙎 𝙏𝙊𝙐𝘾𝙃 vikings Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt