29  verronnene zeit

SOBALD sich der Hafen Kattegats immer deutlicher aus dem Horizont herauskristallisiert, umgreife ich das Schwert in meiner Hand fester

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SOBALD sich der Hafen Kattegats immer deutlicher aus dem Horizont herauskristallisiert, umgreife ich das Schwert in meiner Hand fester. Fahre mit dem Daumen in Gedanken versunken über die Smaragde.
    Ingvard bekam von mir einen saftigen Tritt zwischen die Beine, weil er es nicht abgeben wollte. Sie hätten wohl auch meine Füße fesseln müssen, doch ich lasse mir nicht die letzte physische Erinnerung an den Menschen nehmen, mit dem ich das letzte Jahr verbracht habe. Den Menschen, der gerade mit geschlossenen Augen und bläulicher Haut an einem Bach liegt.
    Stumm drehe ich den Kopf zur Seite, schlucke den Schmerz wieder herunter. Emotionen regulieren.

    Das Fell auf meinen Schultern sowie die eisige Luft geben mir das Gefühl, nie weggewesen zu sein. Kattegat wirkt zwar größer und irgendwie prächtiger, doch ich werde es immer als die kleine Gemeinde sehen, in welcher ich aufgewachsen bin. Ich hätte nicht gedacht, sie so schnell wiederzusehen.

    »Steh auf.« Halfred sieht auf mich herab, stupst mich mit dem Fuß an.
Ich könnte mich aufrichten und ihm den Kopf von den Wirbeln fegen. Könnte ihm die Klinge des Schwertes direkt durch seinen Bauch rammen und dabei zusehen, wie er langsam an seinem eigenen Blut erstickt. Ich könnte all dies tun. Immerhin habe ich nichts zu verlieren. Nicht mehr.
    Stattdessen richte ich mich langsam auf und sehe ihn wortlos an. Mittlerweile docken wir bereits am Hafen an und als ich diese ersten Stimmen in meiner Muttersprache wahrnehme, gehe ich fast von einem weiteren Nervenzusammenbruch aus. Doch ich fühle nichts. Rein gar nichts außer einer leeren Kühle in meiner Brust.

    »Wir bringen dich zu König Ivar. Danach kannst du andere Männer auf die Nerven gehen.«

    König Ivar.

»Gib uns die Schwerter. Nicht, dass du noch jemanden weh tust«, brummt Halfred und streckt bereits die Hand aus, da schiebe ich mich stumm an ihm vorbei, klettere über den Rand und springe auf den Steg.

    Wäre ich vor genau wie die anderen vor einem Jahr zurückgekehrt und die Menschen hätten mich mit diesem Blick angesehen, wäre ich wahrscheinlich mit nach unten geneigtem Kopf geflüchtet. Hätte mir Schutz gesucht oder mich hinter jemandem versteckt. Doch als ich nun mit geweiteten Augen und offenen Mündern betrachtet werde, ist mein Kinn höher als je zuvor. Flüsternde Konversationen, hektische Bewegungen zum Gesprächspartner.
    Es ist, als wäre Millweard bei mir. Als würde er direkt neben mir laufen und zeigen, dass ich keine Angst zu haben brauche. Mein Blick zuckt zu dem Schwert in meiner Hand. Millweard ist bei mir.

    Die Tore der Großen Halle sind geschlossen, doch ich vernehme lautes Gegröle und abgebrochene Lieder.
Ivar ist hinter dieser Tür. Ivar und seine Frau.

    »Doch nicht so viel Mut, wie es scheint«, faucht Ingvard neben mir. Halfred erwidert nichts, sondern legt die Handflächen an das Holz und stößt die eine Hälfte geräuschvoll auf. Da er direkt vor mir steht, sehe ich nichts außer verschwommene Schatten an den Rändern.
    Mein Herz beginnt gegen meine Rippen zu schellen, die Zunge ist trocken. Ich schlucke.

𝘿𝙀𝙑𝙄𝙇𝙎 𝙏𝙊𝙐𝘾𝙃 vikings Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt