Kapitel 6

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~ Ethan ~

Die warmen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen, weckten mich aus dem Schlaf.
Ich öffnete meine verschlafenen Augen und realisierte langsam, dass mein Kopf schmerzte. Scheiße.
Diese paar Drinks gestern waren wohl doch zu viel. Ich war noch leicht benebelt und wusste zunächst nicht, wo ich war oder was passiert war.
Ich streckte mich vorsichtig und griff nach meinem Handy, das auf dem Nachttisch lag.

Oh verdammt.
Eine Nachricht von Olivia.
Ich konnte mich dunkel daran erinnern, dass ich ihr gestern geschrieben hatte, aber ich wusste nicht genau, was ich geschrieben hatte.
Ich tippte auf die Benachrichtigung, und unser Chatverlauf erschien vor meinen Augen. Ich las, was ich ihr geschrieben hatte – eigentlich nichts Schlimmes, und das überraschte mich, denn ich hätte was viel schlimmeres erwartet.
Dann sah ich mir ihre Antwort an.
Sie war vor 10 Minuten eingegangen:

Musst du gar nicht. Sie haben sich für mich entschieden, Arschloch.

Erstmal verstand ich nicht, was Olivia mit ihrer Nachricht meinte. Ich überlegte eine Weile.
Die Erinnerungen an gestern kamen mir plötzlich wieder in den Sinn, als die Chefin sagte, sie würde sich melden und darüber nachdenken, wer die Stelle bekommt.
Doch wie wusste Olivia so schnell, dass sie ausgewählt worden war?
Ich war gerade dabei, Olivia zu fragen, wie sie davon wusste, als eine neue E-Mail auf meinem Handy einging.
Ich öffnete sie und sah, dass sie vom Restaurant kam:

Sehr geehrter Herr Sanchez,
es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie die Stelle in unserem Restaurant erhalten haben. Bitte kommen Sie heute Abend erneut vorbei, um Ihren Arbeitsausweis und Ihre Arbeitskleidung abzuholen.

Mit freundlichen Grüßen,
Anastasia Díeles

Verdammt.
Sie hatten Olivia wirklich gut reingelegt.
Sie dachte, sie sei etwas Besonderes, und tatsächlich hatten sie sich nur für sie entschieden.
Was für eine bittere Überraschung sie heute Abend erwarten würde, wenn sie erfährt, dass wir offiziell bis zum Ende des Sommers Arbeitskollegen sind.

Dann erinnerte ich mich an unsere Abmachung.
Sie würde mit mir ausgehen, und ich würde ihr den Job überlassen... Aber die Dinge hatten sich geändert. Technisch gesehen musste ich ihr nichts überlassen, da sie uns beide akzeptiert hatten.
Unser Deal war also ungültig. Theoretisch.

Mein Vater rief von unten nach mir, und ich wurde aus meinen Gedanken gerissen.
- Ethan, komm runter!
- Ich komme! -  schrie ich zurück.
Ich zog schnell eine kurze Hose an und eilte die Treppe hinunter zur Küche.
Mein Vater saß bereits im Anzug da und trank aus einer Kaffeetasse.
- Ich möchte, dass du heute Abend Mr. Bille kennenlernst. Er ist seit Jahren unser Kooperationspartner. Du musst ihn treffen, wenn du nach mir der CEO unserer Firma werden möchtest.
- Dad, ausgerechnet heute? Ich habe bereits etwas Wichtiges vor - antwortete ich.
Ich konnte sehen, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte und wusste bereits, dass es gleich eskalieren würde.
- Du enttäuschst mich wirklich. Du bekommst alles auf dem Silbertablett serviert und kannst nicht einmal zu einem Meeting erscheinen? - sagte er, bevor er seine Arbeitstasche nahm und noch hinzufügte, während er an mir vorbeiging:
- Es ist mir egal, was du heute vorhast. Du wirst heute Abend da sein.
Ich hörte, wie er die Tür zuschlug und wusste, dass er jetzt zur Arbeit ging.

So ein Arsch. Vielleicht hatte es wirklich etwas auf sich, wenn die Leute behaupteten, dass reiche Menschen sich nicht um andere kümmerten.
Mein Vater war das perfekte Beispiel dafür. Kaltherzig, ignorant und selbstverliebt.
Und genauso war jeder Mann in der Sanchez Familie. Auch ich.

~ Olivia ~

Ich war bereits seit 6 Uhr wach.
Die Nacht konnte ich kaum schlafen, denn so viele Gedanken hatten sich in meinem Kopf angesammelt, dass es mich wunderte, überhaupt ein wenig Schlaf gefunden zu haben.

Trotz all der Missgeschicke des gestrigen Abends war meine gute Laune nicht getrübt, besonders nach der Nachricht, die ich vom Restaurant erhalten hatte, dass sie sich für mich entschieden hatten!
Das machte mich doppelt glücklich, denn nun konnte ich Geld für mein Studium sparen, und auch hatte Ethan sein Karma bekommen.
Ich verstand sowieso nicht, warum er sich überhaupt für diesen Job beworben hatte. Er brauchte ihn wirklich nicht. Ich meine wozu denn? Sein Vater zählte zu den reichsten Männern in Texas und hatte zahlreiche Immobilien. Es war schwer zu glauben, dass Ethan daraus keinen Vorteil zog.
Um Ethan ein wenig zu ärgern, entschied ich mich dazu, auf seine Nachricht zu antworten.
Ich wollte ihm klarmachen, dass er nicht immer seinen Willen bekam und, dass das Restaurant mich, und nicht ihn für die Position ausgewählt hatte.
Also schrieb ich:

Musst du gar nicht. Sie haben sich für mich entschieden, Arschloch.

Und dann verbrachte ich den ganzen restlichen Tag damit, auf meinem Handy TikTok-Videos anzusehen und Netflix zu schauen.
Noah versuchte mich mehrmals anzurufen und schickte mir über zehn Nachrichten, in denen er sich entschuldigte und vorschlug, dass wir reden sollten. Aber dafür war es mir noch zu früh.
Ich brauchte Abstand von ihm.
Vielleicht war meine Reaktion gestern Abend übertrieben, aber ich war bereits emotional durcheinander genug. Ich wollte einfach nur meinen besten Freund bei mir haben, und dann küsste er mich und zerstörte unsere Freundschaft.

Ich warf einen Blick auf die Uhr und bemerkte, dass es bereits kurz nach 19 Uhr war.
Es war an der Zeit, zum Restaurant zu gehen, um meine Arbeitskleidung abzuholen, also machte ich mich auf den Weg.

Ich wählte den schnellsten Weg, der über die Hauptstraße führte, und erreichte das Restaurant bereits nach 10 Minuten.
Vor dem Restaurant bemerkte ich ein Auto, einen schwarzen BMW. Es kam mir irgendwie bekannt vor, aber in Dallas gab es sicherlich viele Leute mit diesem Automodell, also dachte ich nicht besonders drüber nach.

Ich kam in das Restaurant rein.
Meine gute Laune verging mir jedoch ganz schnell, als ich an der Theke den Mann meiner Albträume sah - Ethan.
- Was machst du jetzt hier? Stalkst du mich? - fragte ich in seine Richtung.
Er lehnte sich nur an die Wand und grinste mich mit seinem perfekten Lächeln an.
Wenn er nicht so ein riesiges Arschloch wäre, könnte ich ihn vielleicht sogar attraktiv finden.
Leider konnte sein Aussehen nicht über seinen abscheulichen Charakter hinwegtäuschen.
- Hallo, kleiner Zwerg, ich freue mich auch, dich zu sehen - erwiderte er ironisch.
Obwohl Wut in mir aufstieg, blieb ich ruhig. Ich wollte ihm nicht die Befriedigung geben, mich zu ärgern.
- Sie anzuflehen, dich zu nehmen, bringt nichts, Playboy. Sie haben sich bereits für mich entschieden - teilte ich Ethan mit.
Sein Grinsen wurde breiter, und er rollte mit den Augen.
Dann lehnte er sich näher an mein Gesicht und sagte leise:
- Ab heute sind wir Arbeitskollegen, kleiner Zwerg.

Für einen Moment dachte ich, es sei ein Witz, also lachte ich laut los.
Doch dann bemerkte ich, dass Ethan nicht mitlachte. Er meinte es wirklich toternst.
- Nein, ganz sicher nicht. Das lasse ich nicht so stehen. Dann kündige ich eben - platzte es aus mir heraus.
Eigentlich hatte ich überhaupt nicht vor zu kündigen, aber in diesem Moment plauderte ich einfach alles raus, was mir auf der Zunge lag.
Gerade wollte ich mich umdrehen, um zur Chefin zu gehen und die ganze Situation zu klären, als Ethan meine Hand ergriff und mich leicht zu sich zog. Plötzlich trennten uns nur noch wenige Zentimeter. Er betrachtete mich mit seinen braunen Augen und atmete tief durch, als müsse er sich auf das, was er gleich sagen würde, vorbereiten.
- Mach das nicht. Ich habe gesehen, dass du diesen Job gut machst. Es wäre schade, wenn du gehen würdest. Wir sind ab jetzt nur Arbeitskollegen, nichts mehr - sagte er schließlich.
Na, das war unerwartet.
Gestern noch dieser Kuss, und heute hieß es nur "Arbeitskollegen".
Vielleicht war das aber besser so.
Wenn wir zusammenarbeiten würden, könnten wir uns nicht einfach für immer aus dem Weg gehen. Eine Beziehung hatte in der Arbeitswelt schließlich auch nichts verloren. Also fand ich es in Ordnung, nur Arbeitskollegen zu sein.
Ich hatte keine Lust auf Drama. Davon hatte ich genug in meinem Leben.
- Gut, und so soll es bleiben - antwortete ich kurz und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.

Was zum Teufel?
Warum hatte ich das grad getan?
Sollte das eine Art "Alles gut, Bro" Geste sein?
Oh Mann, das war gerade peinlich.
Ethan schaute mich verwirrt an und lächelte dann leicht.
Um das ganze nicht noch mehr peinlicher zu machen, drehte ich mich um, und lief zu dem Büro der Chefin, um das ganze zu klären.
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Hallo ihr Lieben!
Ich weiß, dieser Kapitel ist vielleicht nicht so aufregend, aber die nächsten werden's sein :)
Ich habe leider auch wenig Zeit zum schreiben, da meine Ausbildung wieder angefangen hat. Somit versuche ich neue Kapitel alle 3-4 Tage zu aktualisieren, sei mir jedoch nicht böse, wenn's bisschen länger dauert.
Kisses  ❤️

Measure of time  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt