Kapitel 21

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~ Olivia ~

Gerade schloß ich den Karton mit meinen Wintersachen, als mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte.
Schnell zog ich es heraus, in der Hoffnung, es würde eine Nachricht von ihm sein und ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus, als ich seinen Namen auf dem Display sah.

Ich bin gleich da ;)

Mit einem breiten Lächeln auf meinem Gesicht sah ich seine Nachricht und schickte ihm einen Daumen nach oben, damit er wusste, dass ich sie erhalten hatte.
Während des ganzen Packens hatte ich völlig die Zeit aus den Augen verloren und sogar vergessen, dass Ethan doch zu mir nach Hause kommen wollte.
Seitdem wir vor einem Tag miteinander geschlafen hatten, war alles anders.
Wir hatten zwar nicht wirklich darüber gesprochen, was das zwischen uns war, aber es fühlte sich definitiv nicht mehr so an, als wären wir nur Freunde.
Ethan hatte mir gesagt, dass er die Sommerferien mit mir verbringen möchte, bevor ich gehe, und wir hatten eigentlich nur über all die Dinge gesprochen, die wir noch gemeinsam unternehmen wollten. Surfen, den Sonnenaufgang sehen, Late Nightdrive zum Mcces und alles mögliche...

Ich stellte die Kartons, die ich bereits für mein Umzug gepackt hatte beiseite und verließ mein Zimmer.
Da meine Eltern den ganzen Abend nicht zu Hause waren, hatte ich Ethan zu mir eingeladen.
Zuerst schien er ein wenig beunruhigt zu sein, wahrscheinlich weil er dachte, ich würde ihn meinen Eltern vorstellen wollen oder so. Aber als ich ihm erklärte, dass sie nicht da waren, war er sofort dabei.
Glücklich hüpfte ich die Treppe hinunter zur der Haustür.
Bevor ich überhaupt die Türklinke berühren konnte, hörte ich bereits den Klang seines BMW-Auspuffs. Ich hätte dieses Geräusch mittlerweile aus zehn Kilometern Entfernung erkannt.
Schnell warf ich noch einen Blick in den Spiegel, richtete meine Haare kurz und schloss dann die Tür auf.
Als ich nach draußen kam, lächelte Ethan mich an und kam mit großen Schritten auf mich zu.
- Hallo, kleiner Zwerg - kicherte er und wuschelte mir spielerisch durch die Haare.
- Hey du - erwiderte ich, während ich die Tür hinter ihm schloss.
Arrogant wie immer. Nicht einmal die Tür konnte er hinter sich schließen, dieses verwöhntes Kind.

Ich führte ihn in mein Zimmer und ließ vorsichtshalber die Tür offen, falls meine Eltern doch früher nach Hause kommen sollten.
Ethan blieb sofort vor den Kartons stehen, die ich gerade weggepackt hatte, und deutete mit dem Finger darauf.
- Du packst schon ein? - fragte er mit ernstem Gesichtsausdruck. Als hätten ihn die Kartons daran erinnert, dass ich in drei Wochen schon weg sein würde, tausende Kilometer von ihm entfernt.
- Nun ja, die Sommerferien sind bald vorbei - murmelte ich vor mich hin.
Ethan seufzte und ließ sich schwer auf mein Bett fallen.
Auch mich traf es wieder.
Die Tatsache, dass unsere gemeinsame Zeit nun so knapp bemessen war und vermutlich wie im Flug vergehen würde, traf uns beide hart. Auch wenn keiner von uns wagte, es auszusprechen. Wir waren beide Meister darin, den Schmerz zu verbergen.
Ich legte mich daneben und drehte meinen Kopf zu ihm, um ihn anzusehen. Unsere Blicke trafen sich wieder.

- Was wolltest du als Kind immer werden? - fragte er plötzlich.
Ohne zu zögern konnte ich ihm antworten.
- Psychologin. Seit ich sechs Jahre alt war, wollte ich das immer werden. Und seit elf Jahren hat sich daran nichts geändert.
Ein Lächeln huschte über Ethans Gesicht, und er legte seine Hand auf meine Wange.
Sein Daumen strich sanft darüber.
- Du wirst das Studium schaffen. Und dann möchte ich dein erster Patient sein - flüsterte er leise, während seine warme Hand weiterhin auf meiner Wange lag.
- Ich hoffe mal, du wirst in der Zukunft keinen Psychologen benötigen - scherzte ich.
- Und ich hoffe, dass wenn du jemals einen Arzt brauchen wirst, werde ich es sein.

Perplex richtete ich mich auf und setzte mich mit ernster Miene auf das Bett.
Mein Blick blieb an seinem hängen, während ich versuchte herauszufinden, ob ich seine Worte richtig interpretiert hatte.
- Du möchtest Arzt werden?
Seine Augen strahlten, als er auf meine Frage energisch mit dem Kopf nickte.
- Ich will meinen eigenen Weg gehen, und Medizin hat mich schon immer fasziniert. Nun hat sich nie jemand wirklich für das interessiert, was ich wollte... bis du kamst - raunte er leise.
Seine Worte ließen mein Herz schneller schlagen.
Es erfüllte mich mit Freude zu wissen, dass ich der Grund war, warum er nun seinen Traum verfolgen wollte. Und wenn ihn in Zukunft jemand fragen würde, warum er sich für Medizin entschieden hat, würde er immer an mich denken müssen – an die nervige, kleine rothaarige, die ihm gezeigt hat, wie wichtig es ist, immer seinen eigenen Weg zu gehen.

~ Ethan ~

Als ich gestern nach Hause kam, war ich so überglücklich, dass ich gar nicht im Hinterkopf hatte, dass mein Vater bestimmt wütend auf mich zuhause wartete.
Die Realität holte mich erst ein, als ich gerade ins Haus kam und meine Eltern streiten hörte.
- Dieser Schmarotzer bekommt alles, was er will, und dafür erwarte ich nur ein bisschen Verantwortung, und selbst das kriegt er nicht hin! - schrie mein Vater durch den ganzen Raum.
Als er mich sah, wurde alles noch schlimmer. Natürlich machte er mir erst einmal Vorwürfe, wie kindisch es von mir war, einfach abzuhauen, und dass ich dämlich sei und so weiter.
Ich hätte am liebsten in diesem Moment zurückgeschrien, dass ich seine verkackte Firma nicht übernehmen will und dass ich ein Medizinstudium beginnen möchte, aber es war nicht der richtige Zeitpunkt, und nicht der richtige Moment. Es würde die Situation nur verschlimmern. Also beschloss ich, noch abzuwarten.

Olivia war also die erste Person, der ich von meinen Plänen erzählt hatte, und es war auch richtig, es ihr zu erzählen. Sie gönnte es mir von Herzen, und man konnte sehen, wie stolz sie auf mich war.
- Du wirst der beste Arzt sein, den diese Welt je hatte - sagte sie strahlend.
Sie saß mit überkreuzten Beinen auf dem Bett, während ich immer noch daneben lag.
Selbst mit zerzausten Haaren und ungeschminkt sah sie total attraktiv aus.
Klar, ich fand auch viele Mädchen attraktiv, aber bei ihr war es irgendwie anders. Es war nicht nur ihr Aussehen, das mich anzog, sondern einfach sie Ganz. Ihr Charakter, ihre schlechten Witze, ihr perfekter Körper...
Bei dem Gedanken an ihren Körper, den ich am gestrigen Abend überall berührt hatte, musste ich schwer schlucken.

- Erinnerst du dich noch an die zwei Mädels aus meiner Klasse, mit denen ich auf Vanessas Party gesprochen habe? - riss mich Olivias Stimme aus meinen Gedanken.
Überlegend kratzte ich mich am Kopf, als sie versuchte, mich daran zu erinnern.
- Jedenfalls, haben wir uns seitdem ein wenig angefreundet und wollten heute zusammen feiern gehen - fügte sie fröhlich hinzu.
Ich verzog mein Gesicht zu einem nicht so begeisterten Ausdruck.
Der Gedanke, von Olivia tanzend, in einem Club, während sie von allen möglichen Typen angebaggert wird, brachte mich zum Kochen. Aber ich konnte ihr nicht sagen, wie ich mich fühlte, denn wir waren nicht zusammen. Sie gehörte nicht mir, und somit konnte ich nichts dagegen machen.
Ich presste meine Lippen fest zusammen, während ich beobachtete, wie Olivia durch ihren Kleiderschrank durchwühlte.
- Dann lasse ich dich mal in Ruhe, dich fertigzumachen - wisperte ich vor mich hin.
- Meine Eltern kommen erst in anderthalb Stunden. Kannst du noch ein wenig bleiben? - fragte sie und drehte sich zu mir um, sodass wir uns anschauen konnten.
Sie schaute so glücklich aus, dass ich ihr nicht sagen konnte, wie ich mich gerade fühlte. Und ich fühlte mich total beschissen, wegen dem Gedankenchaos in meinem Kopf.

Eins war jedenfalls sicher: Ich konnte dieses Mädchen nie wieder gehenlassen.
Was werde ich wohl machen, wenn sie weg ist? Denn in diesem Moment fühlte es sich an, als könnte ich ohne sie überhaupt nicht klarkommen.
Sie war wie ein kleines Licht, ein Sternchen in meinem Leben, das alles so schön leuchtend machte. Und wenn sie ging... würde sie das Licht mitnehmen und mich im Dunkeln zurücklassen.

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Es tut mir leid, dass kaum was von mir kommt, aber ich schreibe gerade meine Facharbeit und es kommen noch so viele andere Sachen dazu, da habe ich kaum Zeit für was anderes :(
Und ich möchte euch guten Content geben, deshalb dauert es eben bisschen länger. Ich hoffe ihr versteht das und habt trotzdem spaß daran, meine Geschichte zu lesen ❤️
Ich wünsche euch gruseligen Halloween und schönen Feiertag 👻🎃

Measure of time  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt