Kapitel 10

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~ Ethan ~

Ich stand vor dem Haus, und schon draußen konnte man die laute Musik hören, die aus dem Inneren drang.
Normalerweise mochte ich es, auf Partys zu gehen. Das war immer mein Ding gewesen. Aber bei dieser Party hatte ich ein ungutes Gefühl.
Die Party fand bei Vanessa statt. Ich hatte mich ein paar Mal mit ihr getroffen, zuletzt an dem Tag, an dem ich Olivia kennengelernt hatte. Seitdem ignorierte ich all ihre Anrufe und Nachrichten.
Ihre Einladung überraschte mich nicht, aber ich wusste nicht genau, warum sie Olivia eingeladen hatte. Das gefiel mir überhaupt nicht.

- Hi - hörte ich eine sanfte Stimme hinter mir.
Ich drehte mich um und konnte einfach meinen Augen nicht trauen...
Olivia trug ein bauchfreies, rotes Top, das ihre Figur perfekt betonte, und dazu eine kurze Jeanshose, die ihre Beine zur Geltung brachte.
Verdammt.
Sie sah ohnehin schon gut aus, aber dieses Outfit brachte dazu, dass mir heiß wurde.
- Hey du - antwortete ich, während ich sie immer noch anstarrte.
Sie schien das zu bemerken, denn sie wurde rot.
- Siehst gut aus - sagte ich beiläufig, um meine Nervosität, die sie in mir auslöste, zu verbergen.
- Du siehst auch nicht schlecht aus - antwortete sie, und wir fingen beide an zu grinsen.
Dieses Mädchen machte mich wahnsinnig.

Schließlich beschlossen wir, endlich hineinzugehen und zu den anderen zu gehen.
Alle schienen in Partystimmung zu sein, tanzten, tranken oder unterhielten sich.
Ich schaute mich um, ob ich vielleicht einige meiner Freunde sehen würde.
Olivia stupste mich leicht mit dem Ellenbogen an, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich schaute zu ihr.
- Ich sehe da drüben ein paar Freundinnen von mir, ich gehe mal Hallo sagen - sagte sie.
Ich nickte nur, und Olivia verschwand bereits in der Menschenmenge.
Auch ich fand nach einer Weile meine Kumpels und gesellte mich zu ihnen. Sie fragten mich natürlich aus wer die kleine, rothaarige sei, aber ich wich ihren Fragen aus und versuchte das Thema zu wechseln. Ich wollte nicht, dass irgendwelche Gerüchte entstanden.

Nach dem ganzen Gequatsche tranken wir noch ein paar Shots und spielten Bierpong. Jeder auf der Party war bereits gut angetrunken. Manche hatten bereits im Garten erbrochen, andere schliefen auf dem Sofa. Typische Teenagerparty, würde ich sagen. Ich hatte so viel Spaß, dass ich für einen Moment vergaß, dass auch Olivia auf der Party war. Ich hatte sie seit anderthalb Stunden nicht mehr gesehen. Also beschloss ich, nach ihr zu suchen.

Es dauerte nicht lange, bis ich sie draußen am Pool sitzen sah. Sie hatte ihre Schuhe ausgezogen und plantschte mit den Füßen im Wasser herum. Ich ging auf sie zu und setzte mich neben sie.
- Bist du betrunken? - war das erste, was sie fragte.
- Wer ist es denn hier nicht, kleiner Zwerg? - lachte ich. Sie lachte ebenfalls.
Ihr Kichern war wirklich süß.
- Warum arbeitest du eigentlich im Restaurant, wenn du genug Geld hast? Ich meine, ist dein Vater nicht reich oder so? - fragte sie plötzlich.
Man konnte an ihrer Stimme und ihrer Art zu sprechen erkennen, dass sie bereits betrunken war. Aber das störte mich nicht. Ich fand es sogar witzig, denn ich hätte nie gedacht, dass ein so braves Mädchen so viel trinken konnte.
- Aus Langeweile. Außerdem wollte ich heiße Mädchen kennenlernen - erwiderte ich.
Sie schluckte schwer.
War das vielleicht zu übertrieben, was ich gesagt hatte? Hatte es sie verletzt?
- Ich wünschte, ich könnte das auch. Ich musste diesen Job annehmen, um für mein Studium zu sparen. Meine Eltern können es mir nicht finanzieren - seufzte sie.
Mist. Jetzt fühlte ich mich wirklich schlecht. Ich hatte total vergessen, dass es auch Menschen gab, die keine wohlhabenden Eltern hatten und nicht alles bekamen, was sie wollten, sondern hart dafür arbeiten mussten. Und Olivia war eine solche Person. Ich hatte mich nie wirklich für ihr Leben interessiert, weil alles was mich jemals interessiert hat, war nur ich selbst.
Aber jetzt wollte ich sie kennenlernen. Ich wollte alles über sie wissen.

So verbrachten wir die nächste Stunde damit, uns näher kennenzulernen.
Wir sprachen über kleine Details wie unsere Nachnamen oder Geburtstage, aber auch über persönliche Dinge wie unsere größten Träume und Lieblingsgetränke.
Und obwohl wir, wie sich in unserem Gespräch herausstellte, die letzten drei Jahre auf dieselbe Schule gegangen waren, waren wir uns nie wirklich aufgefallen. Die ganze Situation unseres Treffens schien irgendwie nicht mehr wie ein Zufall zu wirken. Es war, als wären wir dafür bestimmt, uns zu treffen.
Ach, Quatsch. Das Alkohol tat mir einfach nicht gut. Ich durfte mir so etwas nicht einreden, sonst würde ich womöglich noch Gefühle für sie entwickeln...

- Also, wirst du nach den Sommerferien in Texas bleiben und das Immobiliengeschäft deines Vaters übernehmen? - unterbrach sie die kurze Stille, in der ich nachdachte.
- Jap, genau so ist es - antwortete ich.
Sie schaute mich an und starrte mir in die Augen. Gott, sie hatte wirklich wunderschöne Augen.
Grün. Aber so tiefgrün und strahlend wie ein Smaragd. Man konnte kaum wegschauen.
Sie nahm meine Hand.
Ein angenehmes, warmes Gefühl durchströmte meinen Körper.
Ein Gefühl von Vertrautheit.
Als könnte ich ihr alles erzählen, ohne Angst zu haben, verurteilt zu werden.
- Ist das aber wirklich das, was du machen möchtest? Oder machst du es, weil dein Vater es will?
Ich blieb stumm.
Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht.
Bis jetzt.
Ich habe mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, weil ich schon immer wusste, dass ich die Firma meines Vaters führen werde. Ich war der einzige Sohn des mächtigen Viktor Sánchez, also war es eigentlich klar, dass es bereits für mich bestimmt war, als ich geboren wurde.
Ob ich das auch wollte? Wusste ich nicht. Vielleicht war da schon etwas dran, dass ich es machte, weil es eben mein Vater so wollte.

Ich nahm meine Hand von ihrer weg.
Mir gefiel es nicht, dass wir mit unserem Gespräch so weit gekommen sind. Ich habe noch nie mit jemandem über meine Familie gesprochen, das war eigentlich immer ein Tabuthema gewesen. Umso mehr würde ich niemals mit einem Mädchen darüber sprechen.
Olivia schien zu bemerken, dass es mir unangenehm wurde, also zog sie ihre Hand auch zurück.

Plötzlich stand sie auf. Ich blieb immer noch sitzen und starrte nur auf den Pool.
Sie ging an mir vorbei, blieb jedoch kurz neben mir stehen und flüsterte leise in mein Ohr:
- Ich mag dich, Ethan.
Ich bekam Gänsehaut. Durch ihre Stimme, durch den süßen Vanille-Duft, den sie trug, durch ihre Anwesenheit und durch das, was sie mir gerade zugeflüstert hatte.
Ich wusste nicht, was sie mit mir angestellt hatte, aber ich wollte sie gerade einfach nur zu mir ziehen und küssen.
Ich drehte mich um.
Aber von Olivia blieb keine Spur. Sie war weg.
Ich seufzte schwer.

Ich versuchte mir die ganze Zeit einzureden, dass zwischen uns niemals etwas sein könnte, aber jedes Mal, wenn ich sie ansah, wollte ich sie nur noch mehr. Wie eine verbotene Frucht. Man will ja schließlich immer das haben, was einem am Ende vielleicht schadet.
Ich musste grinsen. Ich bemerkte erst jetzt, was für eine Ironie des Lebens es war. Vor 2 Wochen küsste ich sie an einem Pool und gab ihr dann schließlich einen Korb. Und heute würde ich sie nochmal küssen, an einem Pool, hätte sie mir keinen Korb gegeben und wäre nicht weggegangen.
Ich würde sagen - das war mein Karma.

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Heute nur Ethan's Sicht, da ich nicht wollte, dass es zu lange wird 🙈
Kapitel 11 kommt am Wochenende.
PS: Danke für über 200 Views!!! Das macht mich so glücklich, ihr glaubt's nicht ❤️

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