01 | Unverhofftes Wiedersehen

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Ihr schönen Menschen, ich wünsche euch ganz viel Spaß mit dem 1. Kapitel :) 

„Du hast ihn umgebracht?!"

Ich starrte meinem Gegenüber entsetzt ins Gesicht. Sicher, ich war kein Unschuldslamm, aber die Vorstellung, den Rest meines Lebens im Knast zu verrotten, hatte mich bisher bremsen können, bevor es zum Äußersten kam.

Der unscheinbare Blonde mit den eisblauen Augen hatte seine vor Wut zitternden Hände zu Fäusten geballt und stierte mich fuchsteufelswild an. Hass und Abscheu loderten in seinem Blick auf, als er sich heroisch vor uns groß machte. Ich war schockiert, denn er sah ganz sicher nicht aus wie jemand, der die notwendige Skrupellosigkeit für einen kaltblütigen Mord besaß; ganz im Gegenteil.

Der schmächtige Typ wirkte in seinem pastellgrünen Hemd unter dem schwarzen Sakko und der dunklen Stoffhose mehr wie ein seriöser Callcenter-Mitarbeiter, nicht wie ein durchgeknallter Killer. Als sein Gesichtsausdruck sich jedoch weiter verfinsterte, wurde er mir noch ein wenig unheimlicher. Automatisch rückte ich auf dem in die Jahre gekommenen Stuhl ein Stück von ihm ab. Trotz seiner mickrigen Statur wollte ich ihm lieber nicht zu nah kommen.

„Er hätte sich eben nicht mit mir anlegen sollen", brüstete er sich stolz mit seiner Tat, leckte sich nervös über die Lippen, während ich darauf wartete, dass sich gleich einer der jungen Männer im Raum auf ihn stürzen und ihn zu Boden ringen würde, um weitere Gefahren von uns abzuwenden. Doch stattdessen sahen sie – genau wie ich selbst – tatenlos dabei zu, wie er sich in Rage redete. „Es hat eine Weile gedauert, bis ich ihn zu fassen bekommen habe, doch dann-"

„Aber er war doch praktisch völlig wehrlos", fiel eine übergewichtige Mittvierzigerin mit wilden Locken Anzug-Gollum ins Wort, der sich während seiner euphorischen Erzählung seine kleinen, schwitzigen Hände rieb. Ich hatte ihren Namen längst wieder vergessen, aber ich war auch nicht hier, um neue Freundschaften zu schließen.

In letzter Zeit hatte ich es ja nicht einmal geschafft, meine bestehenden Freundschaften angemessen zu pflegen, also würde ich ganz sicher nicht ausgerechnet bei dieser Farce damit anfangen. Ich liebte meine Mädels wie Schwestern, doch die Jobs und Verpflichtungen fraßen nahezu mein gesamtes Privatleben auf. Und jetzt kamen auch noch irgendwelche Irren mit Aggressions-Problemen dazu.

Schon vor dem Kurs hatte ich ganze zehn Minuten auf dem gepflasterten Weg vor dem Gebäude gestanden, an der Fassade hinaufgestarrt und nach Gründen gesucht, wieder umzudrehen, doch dann hatte ich mich zusammengerissen und das Foyer betreten. Mir blieb sowieso keine andere Wahl, als den Abend mit diesen Gestörten zu verbringen, also brachte es auch nichts, mich davor zu drücken. Zunächst hatte ich versucht, das Beste aus der Situation zu machen und mich darauf einzulassen, doch dieser Typ stellte meine Geduld auf die Probe. Ich musste dringend damit aufhören, mich immer wieder in derart ungünstige Situationen hineinzumanövrieren.

Während Gollum sich noch immer aufregte und dabei puterrot anlief, schob ich den Daumen in die Gürtellasche meiner hellblauen Röhrenjeans und fummelte mit der anderen Hand am Ärmel meines cremefarbenen Strickpullovers herum. Allmählich wurde mir in der Lederjacke zu warm, doch ausziehen wollte ich sie trotzdem nicht. So sehr ich mich auch bemühte, seine überdrehte Stimme auszublenden – es wollte mir nicht gelingen.

„Ein Miststück war der. Und verdient hat er es. Verdient!"

„Niemand verdient so etwas. Nicht einmal ein kleiner Chihuahua."

Erst, als der Psychopath im Börsenmakler-Outfit mir den Kopf zudrehte und mich ins Visier nahm, realisierte ich, dass ich meine Gedanken offen ausgesprochen hatte. Seine Augen verengten sich bedrohlich zu Schlitzen.

„Er hat mitten ins Schlafzimmer geschissen", rechtfertigte er sich. Ich warf unterdessen einen fragenden Blick in die Runde. Ob ihm gleich endlich jemand sagte, dass er offensichtlich seinen Verstand verloren hatte?

Anger Management | Marten | 187Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt