#02 Meinen Chef überzeugen, auf Recyclingpapier umzusteigen

32 7 5
                                    

Montag, 23. Oktober – 08:23 Uhr

Ich suchte die von mir bereits letzte Woche ausgearbeiteten Daten zusammen und klopfte den Papierstapel ein paar Mal auf den Tisch, um sie sorgfältig übereinander zu schieben. Mit einer Büroklammer hielt ich sie in Position, bevor ich sie auf meinem Arbeitsplatz ablegte. Ich lehnte mich in meinem Bürostuhl zurück und rutschte etwas von meinem Schreibtisch ab. Einzelne Regentropfen klopften an das Fenster zu meiner Rechten. Rhythmisch tippte meine Arbeitskollegin, die mir gegenüber saß, auf ihrer Tastatur den Artikel zum neuen Bauprojekt ab - eine Umfahrungsstraße, um den Verkehr in der Innenstadt zu entlasten.

"Theresa?"

"Ja?" Das Tippen verstummte und meine Arbeitskollegin sah mich hinter ihrer Brille an. Ihre hellbraunen Haare hatte sie sorgfältig zu einem Dutt frisiert.

"Ähm, ich habe eine Frage... Ich habe eine Idee, wie wir das Image unserer Zeitung verbessern könnten. Was würdest du davon halten, wenn wir auf recycelten Papier umsteigen würden?"

Sie runzelte die Stirn. "Wie kommst du darauf?"

Ich zuckte mit den Schultern. "War nur so eine Idee. Ich dachte, dass wir besser auf unsere Umwelt achten und auch beim Thema Nachhaltigkeit ein Vorbild sein sollten. Viele andere Zeitungen sind schon vor ein paar Jahren umgestiegen. Ich dachte, dass wir das vielleicht mit unserem Chef besprechen könnten, was denkst du?"

"Also, wenn ich ehrlich bin, ist mir das eigentlich egal. Kannst du ja Mal vorschlagen." Damit war das Thema für sie offensichtlich beendet, denn sie nahm ihre Arbeit wieder auf.


"Lass uns gemeinsam überlegen, wie du das deinem Chef vorbringen könntest. Du hast bereits alles zusammengesucht, richtig?" Jays Blick war nachdenklich.
"Ja, habe mich schon seit längerem damit befasst und alle Daten zusammengeschrieben. Aber bislang hatte ich mich noch nicht getraut, das Thema überhaupt anzusprechen. Unser Chef ist sehr konservativ. Er glaubt nicht an Veränderungen, auch wenn diese eine Verbesserung darstellen würden."
Wir waren inzwischen bei unserer dritten Runde Cocktails angelangt. Jay war echt ein toller Lehrer und das gemeinsame Cocktail mixen machte noch mehr Spaß als gedacht. Ich genoss seine Nähe, was ich ihm in dem Moment aber nicht sagen konnte. Vor allem, weil ich mir nicht sicher war, ob die Gedanken nur davon kamen, dass ich leicht angeschwipst war.
"Vielleicht könntest du ja jemanden mit ins Boot holen. Wenn ihr zu zweit oder dritt eurem Chef diesen Vorschlag unterbreitet, hört er euch vielleicht eher zu."
"Das ist eine gute Idee", stimmte ich ihm zu. "Aber was, wenn ich niemanden davon überzeugen kann?"
"Dann musst du alleine mit deinem Chef sprechen. Wenn du sagst, dass dir dieses Thema so wichtig ist, dann solltest du es zumindest versuchen."


Jay hatte Recht. Ich habe mich in den letzten Jahren immer wieder für den Umweltschutz stark gemacht. Ich bin gemeinsam mit Hannah zu den 'Fridays for Future' Demonstrationen gegangen und habe mich auch als Schülersprecher für dieses Thema eingesetzt - naja, zumindest bis ich zurückgetreten bin.

"Theresa?"

"Ja?" Wieder unterbrach sie ihren Schreibvorgang und warf mir einen Blick über den Desktop hinweg zu.

"Ich werde kurz mit Herrn Lindner sprechen und ihm meine Idee präsentieren. Bin gleich wieder da."

"Aha, okay." Das Klicken der Computertastatur gab mir zu verstehen, dass ich tatsächlich auf mich allein gestellt war. Kurz war ich versucht, zuerst noch die anderen Büros abzuklappern, in der Hoffnung, Unterstützung für mein Vorhaben zu finden. Aber der Gedanke, mit all meinen Arbeitskollegen sprechen und womöglich eine Diskussion führen zu müssen, löste in mir eine unangenehme Anspannung aus. Ich habe den Kontakt zu meinen Kolleginnen und Kollegen auf der Arbeit auf ein Minimum beschränkt, war in der Früh der erste, der ins Büro kam und ging nach der Arbeit immer sofort nach Hause, um nicht erklären zu müssen, wieso ich nicht auf einen Absacker mit in die nächste Bar kommen konnte. Sogar mit Theresa, mit der ich mir ein Büro teilte, beschränkte ich meine Konversationen auf ein Minimum.

30 things to doWo Geschichten leben. Entdecke jetzt