Dienstag, 31. Oktober - 17:34 Uhr
"Und, wie findest du's?"
Hannah kam strahlend aus ihrem Badezimmer. Ihre bunten Haare hatte sie in zwei Zöpfen hochgebunden. Farblich passend strahlte der Lidschatten von der hell gepuderten Haut und mit einem Kajal hatte sie ein kleines Herz unter ihr linkes Auge gemalt.
"Misses Quinn..." Ich hielt ihr meine Hand hin und sie drehte sich darunter durch.
"Oh, Mister Jack...", spielte sie mit, "Jetzt bist du dran!"
Ich verzog das Gesicht. "Kann ich nicht einfach so gehen?"
"Das kommt überhaupt nicht in Frage! Es ist Halloween. Heute kannst du alles sein, was du willst."
"Gut, dann bleibe ich so!"
"Tim! Jetzt komm schon! Was macht denn eine Harley Quinn ohne ihren Joker?"
"In den Filmen sah es ganz danach aus, als käme sie auch ohne ihn gut zurecht. Und außerdem hast du ja einen Ersatz-Joker. Herr Leopold springt sicher gerne ein!"
"DU. SOLLST. IHN. NICHT. SO. NENNEN!" Sanft, wie eine Mutter, die liebevoll ihr Kind tadelt, gab sie mir einen Klaps auf den Oberarm. "Du hast es mir versprochen! So... und als Strafe zwinge ich dich jetzt einfach zu deinem Glück. Komm mit!" Hannah nahm meine Hand und zog mich hinter ihr her ins Bad. Dort stand schon ein Spray mit grüner Haarfarbe bereit. Skeptisch beäugte ich die Spraydose.
"Und du bist dir sicher, dass die Farbe abwaschbar ist?"
"Nein, ich hab mir gerade mit Absicht meine Haare mit richtiger Farbe pink und blau gefärbt, weil ich das so schön fand, dass es für immer so bleiben soll."
Ich runzelte meine Stirn. "Das war Sarkasmus, oder?"
"Das hast du aber gut erkannt! Und jetzt setz dich!"
Fünf Minuten später sah ich aus, als hätte ich mir ein Salatblatt auf den Kopf gelegt und ich war froh, dass ich ein Handtuch um meine Schultern gelegt hatte, denn so wie Hannah die Spraydose hantierte, wären nicht nur meine Haare und das Waschbecken grün, sondern auch mein teurer Anzug, den ich schon zu Hause angezogen hatte.
Im Waschbecken liefen pinke, blaue und grüne Rinnsale zusammen, während Hannah sich auf die Suche nach passender Schminke für mein "Joker-Make-Up" machte. Sie kam mit ihrem Schminkkoffer zurück und nachdem sie mein Gesicht komplett weiß gepudert hatte, packte sie einen dunkelroten Lippenstift aus. Gekonnt übermalte sie meine Lippen."Fast fertig!", grinste sie und legte den Lippenstift zu dem anderen Schminkzeug, das überall verteilt im Badezimmer lag.
Sie griff nach dem Haarspray und stylte meine Haare. Dann trat sie stolz zur Seite, sodass ich mich im Spiegel betrachten konnte. Ich war ehrlicherweise recht zufrieden. Die grünen Haare standen mir gar nicht so schlecht und mein alter Abiball-Anzug saß immer noch perfekt.
"Oh shit!", rief Hannah plötzlich auf. "In 5 Minuten kommt uns Leo abholen. Ich muss mich noch fertig anziehen! Und hier aufräumen. So kann ich es doch nicht lassen, hier sieht es aus, als ob..."
"... ein Einhorn explodiert wäre?", beendete ich ihren Satz.
Sie nickte und lachte. Dann rannte sie aus dem Bad. "Ich zieh mich zuerst um, danach kümmere ich mich um das explodierte Einhorn. Sollte Leo inzwischen klingeln, könntest du ihm dann bitte aufmachen?"
"Klar, nur kein Stress!", rief ich ihr hinterher und machte mich daran, das Bad aufzuräumen. Weit kam ich jedoch nicht, da klingelte es bereits an der Tür.
Suchend schaute ich in Hannahs Zimmer, aber meine Freundin hatte sich in ihrem begehbaren Kleiderschrank verschanzt.
"Kannst du bitte aufmachen?", rief sie - dem Klang ihrer Stimme nach, vermutlich in einem T-Shirt gefangen - aus dem abgetrennten Raum.
Also machte ich mich auf den Weg zur Haustür. Etwas nervös griff ich nach dem Türknauf und öffnete die Tür.
***
"Oh, hallo! Äh... Tim, richtig?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, sprach er weiter.
"Ich bin Leo. Aber du darfst mich heute auch Herr Leopold nennen." Leo streckte mir zur Begrüßung seine Hand entgegen. In einem Gewand, das an die alte Wiener Klassik erinnert und weiß-grau gefärbten, gelockten Haaren lächelte er mich freundlich an.
"Tim!" Ich schüttelte seine Hand. "Aber heute bin ich wohl der Joker. Und du bist...?"
"Leopold Mozart. Du weißt schon, der Vater, der hinter dem Musikgenie Wolfgang Amadeus Mozart steckt. Ich weiß nicht, ob Hannah dir erzählt hat, dass ich zwei Semester Musik studiert habe. War nicht ganz so meins, jetzt bin ich Sanitäter. Aber ich habe mir gedacht, wieso nicht heute ein etwas spezielleres Kostüm." Er bremste seinen Redefluss. "Sorry, ich bin etwas aufgeregt dich kennenzulernen. Hannah hat mir schon so viel von dir erzählt. Apropos, dein Kostüm schaut echt mega aus."
"Ach, so viel ist da nicht dabei", winkte ich verlegen ab und blickte an meinem Anzug hinunter. "Und hinter Frisur und Make-Up steckt deine Freundin. Aber danke!" Ich nickte mit dem Kopf in Richtung Hannahs Zimmer und lächelte erleichtert. Ich konnte nicht genau sagen, woran es lag, aber irgendwie war mir Leo auf Anhieb sympathisch. Zugleich hatte ich das Gefühl, dass ich ihn bereits irgendwoher kannte.
Im Gänsemarsch betraten wir Hannahs Zimmer. Sie war immer noch im begehbaren Kleiderschrank. Mein Blick fiel durch die offene Badezimmertür auf das Chaos, das wir hinterlassen hatten. Unauffällig zog ich die Tür zu, bevor ich nach meiner Freundin rief.
"Ja?"
"Bist du fertig? Herr Leopold ist da!"
"Tim, du sollst ihn doch nicht so... Oh!" Hannah trat aus dem Kleiderschrank und hielt inne, als ihr Blick auf Leo fiel. "Schatz, wie siehst du denn aus?", fragte sie überrascht.
"Ich bin Herr Leopold Mozart, du weißt schon, der Vater von Wolfgang Amadeus Mozart. Ich dachte, das sei ganz witzig, weil ich doch Leopold heiße...", versuchte Leo zu erklären, ohne die Augen von Hannah nehmen zu können. "Aber genug von mir. Wow, Schatz, du schaust unglaublich aus."
"Ich weiß!" Sie kaute auf einem Kaugummi und schwang lässig ihren Baseballschläger. Über den schwarzen Netzstrumpfhosen hatte sie eine kurze, ausgefranste Jeanshose angezogen. Das typische Harley Quinn T-Shirt, mit der Aufschrift "Daddys Lil Monster", das man aus dem ersten Teil der Filme kennt, lag eng an und betonte ihre Figur. In der anderen Hand hielt sie eine schwarze Lederjacke, die sie sich locker über die Schulter warf.
Leo ging zu Hannah, zog sie zu sich und küsste sie.
"Oh, Herr Leopold!", quietschte sie vergnügt.
"Ich dachte, ich soll ihn nicht so...", stänkerte ich. Aber noch bevor ich den Satz beenden konnte, funkelte Hannah mich an. Abwehrend hob ich meine Hände und grinste amüsiert zurück.
Schnell drückte sie Leo noch einen Kuss auf die Lippen. Dann hakte sie sich bei uns beiden unter.
"Auf ins Five Stars!"
DU LIEST GERADE
30 things to do
RomanceDer einst so offene und lebensfrohe Tim leidet seit der Trennung von seinem Freund unter Sozialer Phobie. Durch seine beste Freundin Hannah erfährt er von der 30-Tage-Challenge. Nachdem er diese zu Beginn wenig ernst nimmt, veranlasst ihn ein Ereign...