Kapitel 5

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P.o.V. Rezo

Nachdem wir unsere Koffer vom Band genommen hatten, trennten sich unsere Wege und drückte mich kurz an sich, bevor sie durch eine große Glastür verschwand. In meinem Kopf sagte ich mir, dass die Bekanntschaft mit ihr die ganze Situation mit Mexi quasi wieder wett machte, auch wenn ich mich damit selbst belog. Das T-Shirt hatte ich eine Plastiktüte verpackt und in ein separates Fach im Koffer gepackt, sodass es den Geruch nicht während dem Flug verlor. Sobald ich daran dachte, breitete sich ein seltsames Gefühl in meinem Magen aus und zog sich hinunter bis zu einem ganz speziellen Bereich. Hektisch zog ich meinen Pullover ein Stück nach unten, um die Folgen meiner gedanklichen Abschweifung zu verdecken.

In der Eingangshalle angekommen, empfing mich ein riesiges Plakat mit der Aufschrift „Willkommen zuhause Schlumpf" und meinen Freunden, die lauthals und ziemlich schief „We Are Family" aus Ice Age schmetterten. Augenrollend näherte ich mich der bunten Truppe, während so ziemlich jeder in der Halle uns anstarrte. Zuerst drückte mich Ju an seine Brust, also grölte er das Lied nun in mein Ohr, was mir einen temporären Hörverlust bescherte. Rewi schnappte sich meine Hand und meinen Koffer, T legte einen Arm über meine Schulter und so verließen wir den Flughafen. Ju schwenkte jetzt das Plakat hinter uns und ich bekam mich vor Lachen kaum noch ein. Für ein paar Momente waren meine Sorgen verschwunden und ich war nur froh wieder hier zu sein. 

Draußen quetschten wir uns in den Opel Adam von T, dessen Kofferraum geradeso Platz für meinen Koffer und das zusammengefaltete Banner bot. Bei den Blicken, die sich Rewi und Ju zuwarfen, wünschte ich mir fast, das Angebot als Beifahrer angenommen zu haben. Nun müsste ich wohl oder übel dabei zusehen, wie sie sich mit den Augen auszogen. T, der meine Situation erkannt zu haben schien, drehte deshalb das Radio etwas leiser und begann mich über den Urlaub auszufragen.

„Na wie viele Rätselhefte, hast du durchgearbeitet?" ich musste schmunzeln und gab etwas beschämt zu, dass es insgesamt 18 gewesen waren.

„Unfassbar, ich sitze an meinem Heft seit drei Wochen und du füllst die aus wie ein Arbeitsheft der sechsten Klasse."

„Naja übertreib mal nicht, ich hatte jetzt über 2 Wochen Freizeit und den ganzen Tag nichts zu tun. Du hast dich gerade um ein Zebrababy zu kümmern."

Das hörte sich zwar verrückt an, aber es stimmte. T war der Haupttierpfleger der Afrika – Freianlage im Aachener Tierpark und kümmerte sich mit seiner Kollegin Selly im Moment hingebungsvoll um das Zebrababy Fridolin. Dessen Mutter war bei der Geburt gestorben und T hatte den Kleinen so lieb gewonnen, dass er mehr Zeit auf der Arbeit als zuhause verbracht hatte.

„Fridolin ist aus dem gröbsten raus und muss jetzt nicht mehr 24/7 überwacht werden, also habe ich jetzt wieder eine Verschnaufpause," berichtete er und drückte seinen Home-Button, sodass ich auf dem Sperrbildschirm ein Bild des kleinen Kerls sehen konnte.

„Süßes Tier, du musst ihn uns unbedingt zeigen, wenn er nach draußen zu den anderen darf," meinte ich und starrte noch ein paar Sekunden auf den Bildschirm, bis das Bild schwarz wurde.

„Auf jeden Fall, aber gleich schmeiße ich euch erstmal an der WG raus und fahre dann weiter, meine Eltern erwarten mich zum Essen und ich will nicht schon wieder zu spät kommen."

Vor der Haustür angekommen, half mir Ju den Koffer aus dem Auto zu hieven und wir verabschiedeten unseren Mitbewohner, der sich mit einer winkenden Hand schnell wieder in den Verkehr einfädelte.

Endlich in der Wohnung ließ ich mich auf die Couch fallen und schloss die Augen, was sich als schlechte Idee entpuppte, denn Ju und Rewi sprangen sofort auf mich und erdrückten mich beinah mit ihrem Gewicht.

„E-Ey, ihr – erdrückt – mi-mich hier," brachte ich heraus und tatsächlich bewegten sie sich quälend langsam von mir herunter, sodass ich mich aufrichten konnte. Lachend lagen sie neben mir und schienen sich köstlich über ihr kindisches Verhalten zu amüsieren.

„Wenn es den Herrschaften nichts ausmacht, würde ich jetzt meinen Koffer auspacken und die Wäsche sortieren, sonst steht er wieder Wochen in irgendeiner Ecke herum und gammelt vor sich hin," damit wandte ich mich ab und ging in Richtung meines Zimmers, den Koffer im Schlepptau. Das Lachen hinter mir erstarb langsam und ich konnte ziemlich genau vorstellen, was den beiden im Kopf vorschwebte und das wollte ich mir nicht unbedingt ansehen. Sie waren so verrückt nacheinander wie zwei verliebte Teenager in der Pubertät, was jeder zu bemerken schien, außer Rewi und Ju.

 Vorsichtshalber schloss ich meine Zimmertür hinter mir und legte dann meinen Koffer auf den Boden, sodass ich meinen Kram herausholen konnte. Zuerst befreite ich die Hefte und legte sie auf den weiter wachsenden Stapel in meinem Regal, dann stellte ich die Bücher, die ich mitgenommen hatte, an ihren Platz. Im nächsten Schritt nahm ich die Kleidung heraus und sortierte die ungetragenen Sachen in meinen Kleiderschrank. Den Rest warf ich auf einen Haufen Richtung Tür, bis ich zu dem Oberteil und der Hose aus meiner sogenannten Partynacht kam. Selbst an diesen Sachen haftete sein Geruch, was für das nächste Flashback an diesem Tag sorgte. Gott ich würde diese Sache nie wieder tragen können, ohne an ihn und diese Nacht zu denken. Diese Duftnote wirkte wie ein Aphrodisiakums auf mich, sodass ich hoffte nie wieder jemand anderen mit diesem Parfüm zu treffen, besonders niemanden, den ich gut kannte.

Zuletzt nahm ich die Tüte mit seinem Shirt in die Hand und warf sie kurzerhand hinter mich neben mein Bett. Dieses letzte Stück Erinnerung konnte ich noch nicht loslassen.

Nachdem nur noch der Wäschestapel übrig war, stellte ich den Koffer zurück in die Ecke und griff so viel wie ich tragen konnte, um alles ins Badezimmer zu bringen. Doch gerade, als ich im Flur stand, vernahm ich gedämpfte, unverwechselbare Geräusche aus dem Wohnbereich. Zwar war ich schwul und wusste um die „Beziehung" der Zwei, allerdings lautete eine der WG-Regeln „Kein Sex auf der Couch", um die Privatsphäre von allen gleichermaßen zu schützen.

Seufzend ließ ich die Kleidungsstücke fallen und bereitete mich mental darauf vor, was ich gleich sehen würde. Über den offenen Kochbereich hinweg, konnte ich leider sofort etwas zu viel von meinem besten Freund sehen und hielt mir eine Hand vor die Augen. Beiden hing die Hose an den Knöcheln, die Shirts hatten sie ebenfalls verloren und Rewi beugte sich gerade über Ju, als dieser mich bemerkte und schnell eine Decke vor sie zog.

„Leute ich versteh ja, dass ihr geil aufeinander seid, aber bitte nicht da, wo wir essen," meinte ich nur, die Hand weiterhin vor den Augen.

„Sorry man, ich weiß nicht, wie das passiert ist," entschuldigte sich Ju und ich hörte, wie sie hektisch ihre Klamotten wieder anzogen.

„Ich weiß, wie das passiert ist mein Lieber," flüsterte ich so leise, dass sie es nicht hören konnten und unterdrückte ein Schmunzeln.

„Ja, tut mir echt leid, wir verziehen uns zu mir," schob Rewi nach und ehe ich es mich versah, waren sie verschwunden.

Pretty Soul •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt