Kapitel 7

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P.o.V. Rezo

Die vielen lauten und leisen Stimmen um mich herum und das geschäftige Treiben vermittelten sofort ein Gefühl von zuhause. Darsteller wurden von Maskenbildnern durch die Gänge gejagt, Kleidung hing an Rollständern, die den Weg versperrten und ich bildete mir ein Federico, den Assistenten meiner Mutter, bis hier atmen zu hören. Das Theater hatte auf mich immer eine magische Wirkung gehabt, schon als kleines Kind hatte ich die Gänge erkundet und war regelmäßig vor meinen Eltern geflüchtet.

Seit meine Mutter das Direktorat von ihrem Vorgänger übernommen hatte und mein Vater als Generalmusikdirektor eingesetzt worden war, hatte ich mich ebenfalls mehr eingebracht. So griff ich Federico so gut ich konnte unter die Arme und übernahm ab und an eine Rolle in Stücken, die mein Vater in unser Programm aufgenommen hatte. Auf der Bühne hatte ich mich noch nie fehl am Platz gefühlt, eher so, als würde ich genau dort hingehören. Einzig die Idee meines Vaters, mich als Hauptrolle und ersten Tenor in der Neuinterpretation von The Greatest Showman einzusetzen, machte mir ein wenig Sorgen. 

Tatsächlich sollte ich Recht behalten, denn im letzten Büro diskutierte Federico gerade mit Julia, unserer Dramaturgin und meiner besten Freundin.

„Wenn wir holen Julian von Hansemann aus Wien hierher, wird das kosten zu viel. Sie müssen doch verstehen Senorita," er schnaufte und sein Kopf wurde fast so rot wie eine Kirsche.

„Federico ich hatte ihnen bereits gesagt, dass eventuelle Mehrkosten bereits abgedeckt sind, sie müssen sich darum keine Sorgen machen," versuchte Julia ihn zu beruhigen, schien allerdings bereits wiederholt zu scheitern.

„Aber – Aber die Bühnenbild gía kostet eine Vermögen, wieso nicht Rezo oder Theo kann spielen die Leonce?" immer, wenn Federico sich über etwas aufregte, wurde sein Akzent und die Grammatik so schlimm, dass man ihn manchmal kaum noch verstand.

„Theo hat sich gestern bei der letzten Aufführung den Knöchel gebrochen und wird einige Zeit ausfallen. Rezo wurde-," sie brach ab, als sie mich im Türrahmen entdeckte und ließ Federico einfach stehen, um mich zu begrüßen.

„Rezo wurde von seinem Vater gezwungen im neuen Stück den Hauptpart zu spielen," beendete ich ihren Satz und nahm sie in die Arme, während Federico sich die Hände über dem Kopf zusammenschlug.

Nach der üblichen Begrüßung richtete ich mich kurz zu ihm: „Mach dir keine Sorgen, ich werde das mit meiner Mutter persönlich besprechen und wir finden alle zusammen eine Lösung."

„Wenn sie sind sicher Senor, dann ich kann sein beruhigt molto buono," damit verabschiedete er sich und ließ mich mit Julia alleine, die mich sicherlich so mit Fragen löchern würde, dass ich frühstens in zwei Stunden bei meiner Mutter im Büro stehen würde.

„Erzähl mir ALLES," forderte sie mich sofort auf und zog mich zu ihrer Couch, wo ich mich gefügig hinsetzte, damit sie weiterreden konnte, „was hast du erlebt? Was hast du gesehen? Hast du jemanden kennengelernt? Sah er gut aus? Hattet ihr Sex? Trefft ihr euch wieder? Wie-"

Bevor sie sich überschlug, unterbrach ich sie indem ich einen Finger auf ihre Lippen legte: „Nur die Ruhe junge Dame, alles der Reihe nach, sonst brichst du dir gleich noch die Zunge."

Um sie auf die Folter zu spannen, berichtete ich zuerst von den ersten Tagen, an denen ich einige der Sportangebote in Strandnähe wahrgenommen hatte und schwärmte absichtlich etwas zu lang über das Essen in dem kleinen Bistro, bis es ihr endlich reichte und sie mich nun ihrerseits unterbrach.

„Man Rezo das will ich doch gar nicht wissen, wenn ich dich vom Essen schwärmen hören will, frage ich dich nach Restaurantempfehlungen. Was ist mit dem süßen Typen von dem Ju erzählt hat?"

Obwohl ich mir schon ziemlich sicher gewesen war, dass Ju sofort Julia alles berichtet hatte, nach unserem Telefonat an diesem Abend, musste ich etwas schmunzeln: „Naja, er kam zu mir rüber und hat mir ein paar Drinks spendiert."

„Muss ich dir alles aus der Nase ziehen oder was, erzähl mir die schmutzigen Details," verlangte sie und rüttelte leicht an meinem Arm.

„Schon gut, schon gut," gab ich mich geschlagen und berichtete ihr nun lang und breit von allem, was nach dem Verlassen der Veranstaltung an diesem Abend noch vorgefallen war. Sie hing quasi an meinen Lippen und hatte ein fettes Grinsen im Gesicht, während ich zum pikanteren Teil meiner Geschichte kam.

Gerade als ich zum eher unschönen Teil meiner Erzählung kommen wollte, unterbrach sie mich indem sie noch fester meinen Arm hin und her schüttelte: „Oh Gott das ist so süß ich kann nicht mehr. Ich wusste, dass ein neuer Freund dich endlich von Fa- äh Vollpfosten ablenkt und dir guttut. Wann lernen wir ihn kennen? Wohnt er hier in der Nähe? Das scheint ja ein Traumtyp zu sein, wie er mit dir umgegangen ist, so einen bräuchte ich dringend auch."

Während sie noch in ihren Schwärmereien steckte, richtete ich meinen Blick zum Boden um zu verstecken wie sehr mich der Umstand, dass meine Freunde, geschweige denn ich, ihn je wieder sehen würden, allerdings erfolglos.

„Warte, was ist los? Was ist danach passiert?" Julia hatte meine Gefühlslage erkannt und blickte nun besorgt von der Seite zu mir auf.

„Ich weiß nicht, ob er in der Nähe wohnt, und ihr werdet ihn wohl nie kennenlernen. Er ist abgehauen, bevor ich wach geworden bin. Keine Nachricht, nichts."

„Was für ein Arschloch, aber man muss ihn doch irgendwie irgendwo finden können, oder nicht?"

Erneut schüttelte ich den Kopf und berichtete ihr von meinen erfolglosen und zugegebenermaßen ziemlich verzweifelten Versuchen ihn auf jeder erdenklichen Social Media Plattform zu finden.

„Das kann ja nicht wahr sein. Schade drum, aber dann wird es für ihn wohl nicht mehr als ein One-Night-Stand gewesen sein. Vielleicht war das genau das Richtige, um dich mal auf andere Gedanken zu bringen."

„Für mich sollte es ja eigentlich auch nicht mehr gewesen sein," meinte ich daraufhin und hätte mir im selben Moment gerne ein dickes Brett vor den Kopf gehauen und laut „Schach" gerufen.

„Warte mal, willst du mir damit sagen, was ich denke, was du mir sagen willst?" fragte sie und starrte mich ungläubig an.

„Ich wünschte ich könnte nein sagen," gab ich zu und erwartete einen Vortrag von ihr. Stattdessen legte sie einen Arm um meine Schulter und drückte ihre Stirn gegen mein Kinn.

„Du großer gutherziger Trottel. Man entwickelt keine Gefühle für One-Night-Stands. Hast du denn nichts aus meinen Fehlern gelernt?" das hätte zwar irgendwie vorwurfsvoll klingen sollen, allerdings streichelte sie mir dabei sanft über die Schulter und ich lehnte mich einfach gegen sie und schloss die Augen.

Pretty Soul •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt