Prolog

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P.o.V. Rezo

Der warme Wind wirbelte durch meine Haare und brachte die Frisur, die ich eben so mühsam in Ordnung gebracht hatte, wieder vollkommen durcheinander. Gemächlich bewegte ich mich die Holzstufen meines Strandhäuschens nach unten und steckte meine Füße in den kühlen Sand. Bald würde die Sonne vollständig aufgehen du die Körner unter mir sich in Lava verwandeln. Heute Abend würde ich die Partymeile ein Stück den Strand runter besuchen. Zwar graute es mir bereits jetzt davor, da ich große Menschenmengen und übermäßigen Alkoholkonsum nicht leiden konnte, allerdings hatte ich mich jetzt seit über einer Woche davor gesträubt. Die Bedingung meiner Freunde mich alleine in den Urlaub zu schicken war, dass ich mindestens einmal irgendwo feiern gehen musste. Also hatte ich mich für den Strandabschnitt in Laufweite entschieden, da ich von dort jederzeit verschwinden konnte. 

Beim nächsten Windzug atmete ich tief ein und ließ frische salzige Luft in meine Lungenflügel strömen. Diese Reise hatte ich dringend gebraucht, um von dem Chaos zu Hause wegzukommen. Meine Mitbewohner T und Ju waren schon kurz davor gewesen mich in den Club zu entführen, um endlich das Drama mit meinem Ex Fabian zu verarbeiten. Mittlerweile versetzte mir nicht bereits die pure Erwähnung seines Namens einen Stich, was ich schon als Erfolg verbuchen konnte.

Ein kleiner schwarzer Vogel landete auf dem Pfosten neben mir und blickte mich aus seinen kleinen Knopfaugen heraus aufmerksam an. Er war bereits am Tag, an dem ich hier angekommen war, hier hergeflogen und hatte mir seitdem regelmäßig Gesellschaft geleistet. Unsere Gespräche waren leider sehr einseitig, allerdings war er ein guter Zuhörer und ich hatte ihm mittlerweile einen Namen gegeben.

„Hey Jack, so früh schon wach?" zum Glück waren die Häuschen in der Nähe nicht vermietet, sonst hätte mich sicherlich noch jemand für bescheuert gehalten.

Zur Antwort zirpte der Vogel vor sich hin und schlug leicht mit den Flügeln, als würde er sich ebenfalls über mein frühes Erwachen wundern.

In diesem Moment kam ein, mir sehr vertrauter, Klingelton aus meiner Hosentasche und verscheuchte Jack, der erst zum Dach hinauf und dann in Richtung der größeren Häuser flog. Auf dem Bildschirm erblickte ich das Bild meines besten Freundes und wischte sogleich das grüne Symbol nach rechts.                

„Guten Morgen," tönten gleich zwei Stimmen aus dem Lautsprecher meines Telefons.

„Hey Leute, was verschafft mir die Ehre?" fragte ich und ließ mich auf die Treppe vor meiner Veranda fallen.

„Mach mal die Kamera an, wir wollen dich doch sehen," forderte mein bester Freund mich auf und sobald ich das kleine Symbol angetippt hatte, erschienen meine Mitbewohner auf dem Bildschirm.

„Sitzt ihr ernsthaft in Unterhose bei Ju im Bett?" tadelte ich sie und zog die Augenbrauen zusammen, „wer hätte gedacht, dass ihr so schnell verwahrlost, wenn ich nur mal kurz weg bin."

„Wer sagt, dass wir Unterhosen anhaben?" konterte T.

„Keine Details bitte," ich verzog das Gesicht, während ich mir unfreiwillig meine besten Freunde bei privateren Aktivitäten vorstellen musste, „ich hab jetzt schon Kopfkino."

Letzteres brachte sie zum Lachen und Ju ließ sich nach hinten fallen, sodass T aus dem Bild verschwand, weshalb er im Hintergrund solange meckerte, bis er es sich glatt neben Ju auf ein Kissen legte.

„Also heute Abend ist es soweit ja? Du gehst endlich feiern und schleppst dir einen heißen Typen ab?"

„Wie kommst du darauf? Selbst wenn, wer sagt, dass ich jemanden abschleppen will?"

„Du bist nur dann so früh wach, wenn du wegen etwas aufgeregt bist," stellte er leider völlig richtig fest.

„Außerdem musst du dir dringend jemanden klarmachen, das hast du mal wieder dringend nötig," fügte T hinzu und wackelte mit den Augenbrauen.

„Ich verbitte mir diese unangemessenen Anmaßungen."

Wir lachten einen Moment gemeinsam, bis Jus Gesicht wieder ernster wurde: „Nein, aber jetzt mal im Ernst: Amüsier dich so gut du kannst und versuch mal ein paar neue Leute kennenzulernen, okay?"

Erst als ich ihm versichert hatte, mir wirklich die allergrößte Mühe zu geben den kommenden Abend zu genießen, ließ er sich besänftigen und wir beendeten das Gespräch.

Bevor ich richtig in den Tag starten konnte, benötigte ich dringend einen Eiskaffee und ein erfrischendes Frühstück, also schnappte ich mir meine Tasche und schlenderte zu dem kleinen Strandbistro, wo ich bisher fast jeden Vormittag verbracht hatte.

Nachdem ich meine Bestellung aufgegeben hatte, zog ich meine Kopfhörer aus der Hose und mein Rätselheft aus der Tasche. Das hier war bereits mein siebtes in diesem Urlaub und es war ein Glück für mich, dass der Kiosk im Örtchen über eine große Auswahl dieser Hefte verfügte, da ich nur fünf in den Koffer gepackt hatte.

Bis Fiona, die nette Bedienung, mir meine Bowl und den Kaffee gebracht hatte, waren schon drei Seiten von mir bekritzelt worden. Selbst oder eigentlich vor allem in meiner Freizeit musste ich mein Gehirn herausfordern, um fit zu bleiben und mich nicht zu langweilen. Einfach mal nichts tun, wie Ju mir empfohlen hatte, kam gar nicht in Frage.

Eigentlich hatte ich mir nicht eingestehen wollen, wie nervös mich der Plan für den heutigen Abend wirklich machte, aber es war gerade einmal sechs Uhr und der Inhalt meines Koffers lag quer über den Boden der Hütte verteilt. Aus unerfindlichen Gründen befand sich nicht ein Kleidungsstück darunter, dass dem Anlass gerecht wurde. 

Aus Verzweiflung kramte ich mein Handy unter einem der Stoffberge hervor und wählte Jus Nummer. Der Anruf wurde entgegengenommen, aber bevor die Stimme meines besten Freundes am Hörer war, rief er jemand anderem etwas zu.

„Ja hallo, Partyzentrale, wie kann ich helfen?" im Hintergrund war ein vertrautes Lachen zu hören und als die Stimme näherkam, erkannte ich Rewi, der meinen Namen rief.

Auf den Small Talk verzichtete ich erstmal und kam direkt zur Sache: „Ich habe keine Ahnung, was ich anziehen soll, kannst du mir helfen?"

Mithilfe von Jus Partywissen und Rewis Modewissen, hatten wir ein Outfit zusammengestellt, was sie beide als fesch und fabelhaft beschrieben hatten. Da ich mich darin auch ziemlich wohlfühlte, hatte ich schlussendlich eine enge schwarze Jeans mit Rissen, einer direkt unter dem Arsch, und ein blaues Top angezogen. Im Spiegel betrachtet gefiel mir das Ganze immer besser und ich fuhr mir hektisch mit Haargel durch meine widerspenstige Frisur.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es halb acht war, und es schien mir an der Zeit mich auf den Weg zu machen. Nachdem ich noch zweimal überprüft hatte, dass Handy und Geldbörse in meiner Tasche und die Hütte sicher abgeschlossen war, atmete ich nochmal tief durch und machte mich dann auf den Weg. Vielleicht könnte ich ja wirklich jemand kennenlernen und ein bisschen Spaß haben.

Pretty Soul •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt