Kapitel 6

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P.o.V. Rezo

Gerade als ich alles fertig sortiert hatte und die erste Maschine angestellt hatte, meldete sich mein Magen mit einem lauten Knurren zu Wort. Gespannt schlenderte ich in die Küche, um einen Blick in den Kühlschrank zu werfen und stellte überrascht fest, dass fast alle Fächer mit frischen Lebensmitteln gefüllt waren. Normalerweise musste ich ihnen immer in den Arsch treten, um sie zum Einkaufen zu bewegen. Erfreut über diese positive Neuerung, suchte ich mir ein paar Sachen zusammen, um einen Gemüseauflauf zu machen.

Damit beim Kleinschneiden keine Langeweile aufkam, schaltete ich den Fernseher an und wählte eine Show auf YouTube aus, die ich vor meinem Urlaub begonnen hatte. Während einer lustigen Szene schnitt ich mir beinah in den Finger und achtete von da an etwas mehr auf das, was meine Hände gerade machten. Als ich meine letzte Zutat, die Karotten, zur Hand nahm, endete die Folge und ein Werbe Einspieler der Hotelkette Rosenbach begann, den ich allerdings direkt wegschaltete. In letzter Zeit hatte ich so viel Werbung dieses Luxusschuppens gesehen, dass sie mir fast zu den Ohren herauskam.

Zur Mitte der nächsten Folge schob ich die Auflaufform in den Ofen und stellte einen Timer, dass ich das Essen bloß nicht vergaß. Um die Zeit zu überbrücken, setzte ich mich, etwas zögerlich, auf die Couch und griff mir das Rätselheft auf dem Tisch. Als erneut eine Werbung von Rosenbach über den Bildschirm flimmerte, rappelte ich mich etwas genervt auf, um sie wegzuschalten, bis mich etwas innehalten ließ. Der Geschäftsführer des Unternehmens, Arthur Rosenbach, schien jemandem den ich kannte, sehr ähnlich zu sehen. Jedoch konnte ich beim besten Willen keine Verbindung herstellen und so übersprang ich die Werbung ein zweites Mal und schob den Gedanken in eine Ecke meines Kopfes. 

Pünktlich zum Klingeln des Timers, beendete ich ein Kreuzworträtsel und schob den Stift zwischen die Seiten, damit ich gleich nicht wieder nach der Stelle suchen musste. Anschließend drehte ich die Temperatur des Ofens auf null und den Schalter von der Stufe Umluft ebenfalls auf null. Vorsichtig öffnete ich die Klappe und ließ die heiße Luft erst entweichen, bevor ich die Ofenhandschuhe herausholte und die Form dann auf einem Untersetzer abstellte. 

Eine große Portion des dampfenden Essens landete dann mehr oder weniger mittig auf einem Teller, dann deckte ich die Reste mit Frischhaltefolie ab und stellte sie neben den Kühlschrank damit sie etwas abkühlen konnten. Mit laut knurrendem Magen setzte ich mich dann endlich wieder auf die Couch und verschlang meine Portion in wenigen Minuten. In der Zwischenzeit war es in der Serie zu einer überraschenden Wendung gekommen und ich starrte gebannt auf den Bildschirm, um kein Detail zu verpassen. Doch langsam wurden meine Augen schwer und ich beschloss mich für ein Stündchen hinzulegen, da der Tag mich doch etwas geschafft hatte. Also knipste ich den Fernseher aus und stellte meinen Teller in die Spülmaschine, bevor ich mich erneut in mein Zimmer begab und meine Anlage etwas aufdrehte, da ich ohne Hintergrundgeräusche nur schlecht einschlafen konnte. Sobald ich jedoch auf dem Bett lag, stieg ein unverwechselbarer Geruch in meine Nase und mein Blick fiel sofort auf das schwarze Stoffbündel, das beim Werfen wohl aus der Tüte gefallen sein musste. Ohne lange darüber nachzudenken, griff ich danach und legte es nah neben meinem Gesicht ab. So schloss ich die Augen und schlief endlich ein. 

Mein ganzes Sichtfeld war von einem leicht dunstigen Schleier verhangen. Aber gerade war mir das egal, gerade war mir alles egal. Vor irgendetwas oder irgendjemandem rannte ich davon, aber ich wusste nicht genau weshalb. Eigentlich wusste ich nur, dass ich rannte, und das war alles was zählte. Wie ferngesteuert bog ich um die nächste Ecke und dann sprintete ich quer über die Straße, zwischen mehreren Autos hindurch und dann wieder um eine Ecke. Meine Füße trugen mich, als hätten sie nie etwas anderes getan. Zuletzt rannte ich auf die Peterstraße zu, wie mir ein Schild verriet, doch dann stoppte ich abrupt ab, als ein junger Mann in mein Blickfeld trat. Seine strahlend blauen Augen waren rot geädert, er hatte geweint, heftig. Einen Atemzug lang, starrten wir uns an, dann griff ich nach ihm und zog ihn fest an mich. In meinen Armen entspannte er sich etwas, allerdings traten nun wieder Tränen aus seinen Augen, die mein Shirt dunkel färbten. Ich wollte etwas sagen, ich musste etwas sagen, aber konnte ich das überhaupt?

„Hey, was ist passiert?"

Er schluchzte auf und bewegte sich dann so weit von mir weg, dass ich ihm wieder in die Augen schauen konnte, bevor er es herausbrachte: „Ich muss -?" Der Rest ging in undeutlichem Gemurmel unter.

Verwirrt blickte ich ihn an und gerade als ich ihn auffordern wollte, sich zu wiederholen, verschwamm das Bild vor meinen Augen und egal wie sehr ich versuchte die letzten Fetzen der Szene festzuhalten, alles wurde schwarz. 

„Nein, hey bleib bei mir," rief ich, bevor ich registrierte, dass ich in meinem Bett lag. Die ganze Szene war ein Traum gewesen. Verschwommen hingen die Bruchstücke in meinem Kopf herum und brachten mich zum Nachdenken. Die Straßen waren mir irgendwie bekannt vorgekommen und auch die letzte Kreuzung hatte ich schon mehrfach gesehen. Das Einzige, was ich klar erkannt hatte, war der junge Mann gewesen. Mexi hatte dort vor mir gestanden und in meinen Armen gelegen. Was hatte er mir sagen wollen? Wenn ich darüber nachdachte ihn jemals so verstört zu sehen, wie ich es eben getan hatte, zerriss es mir beinah mein Herz. 

Irgendwie fühlte ich mich jetzt weniger ausgeruht als vor meinem Powernap und rieb mir über die Augen, um meine Gedanken zu sortieren. Wieso träumte ich von ihm? Viel wichtiger, was war das für eine Szene gewesen? Keine schöne harmonische Situation, viel mehr eine Art Albtraum. Bei dem Gedanken an Mexi und seine Tränen wurde mein Herz schwer und schlug dann zwei Takte schneller als zuvor. Von seinen strahlenden Augen, über seine weichen Haare bis hin zu seinen muskulösen Armen hatte sich alles in mein Hirn gebrannt und wie ich mich kannte, würde es da für immer bleiben. Ich würde ihn nie wieder sehen und das belastete mich mehr als es sollte.

Sich in seinen One-Night-Stand verknallen? Schaffte auch nur ich.

Pretty Soul •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt