Kapitel 10

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P.o.V. Rezo

Am späten Nachmittag, nachdem Rewi mich noch übermäßig mit Kuchen und Snacks gefüttert hatte, ging ich diesmal durch den Park und genoss die warmen Sonnenstrahlen. Meine Laune hatte sich erheblich verbessert und ich machte sogar einen kleinen Stopp am Fluss, um den Enten zuzusehen.

Im Gruppenchat unserer WG hatten Ju und T bereits ihren Unmut darüber verkündet, dass ich, ohne etwas zu sagen, verschwunden war. Als ich sie jedoch informierte, dass mein Ziel lediglich Rewis Wohnung gewesen war, beruhigten sie sich und wollten folglich nur noch wissen, wann ich denn ‚meinen hübschen Arsch wieder nach Hause schwingen würde'.

Gerade, als ich weitergehen wollte, wurde ich auf eine kleine Menschentraube aufmerksam, die sich circa 100 Meter vor mir gebildet hatte. Während ich die Entfernung verringerte, hörte ich immer mehr verschiedene Stimmen, die mehr oder weniger durcheinander redeten und den Auslöser einer Kamera, der immer wieder losklickte.

Nun interessiert, schlich ich immer näher heran, bis ich einen guten Blick auf das Geschehen werfen konnte- und bereute es sofort.

Zuerst fiel mein Blick auf den hektisch gestikulierenden Fotografen, der lustige Verrenkungen machte, während er unerbittlich auf den Auslöser der Kamera eintippte, um nicht den perfekten Moment zu verpassen.

Jedoch sah ich mir dann das Motiv an, dass er so sehr mit seinem Blitzlicht malträtierte- und mein Herz setzte mehrere Schläge aus.

Vor einem großen, wunderschönen Weidenbaum stand Mexi und an seiner Seite, mit liebevollen Blicken füreinander, Maribelle. Gerade hatten sie sich aus einem innigen Kuss gelöst und strahlten nun wieder in die Kamera, wie das perfekte Paar, dass sie waren.

Meine Augen füllten sich mit Tränen, die ich nur schwer wegblinzeln konnte, doch bevor ich mich abwenden und davonrennen konnte, sprach mich ein großgewachsener Mann im Anzug an und bat mich, ziemlich unhöflich, von hier zu verschwinden. Leider hatte diese kurze Interaktion für so viel Aufsehen gesorgt, dass nun auch Maribelle zu uns hinübersah. Entgegen meiner Hoffnung schien sie sich zu freuen, ihr Gesicht erhellte sich noch ein bisschen mehr, wenn das überhaupt möglich war, und sie zog sofort an Mexis Arm, um ihn auf mich aufmerksam zu machen.

In dem Moment, kurz bevor er mich erblickte, wurde mir unfassbar schlecht und ich hoffte, dass das alles hier nur ein böser Traum war und ich jeden Moment aufwachen würde. Doch, als er mir in die Augen sah, wusste ich, dass meine stille Gebete umsonst gewesen waren.

Seine Augen weiteten sich, als hätte er ein Gespenst gesehen und schiere Panik breitete sich in seinem Gesicht aus. Das strahlende Blau, das mich in dieser Nacht so verzaubert hatte, war nun von Angst erfüllt.

Da ich mich bis jetzt nicht von der Stelle bewegt hatte und meine zitternden Beine mich sicherlich auch keine zwei Meter getragen hätten, wurde der Mann im Anzug, den ich für einen Bodyguard hielt, etwas ungemütlich und blickte sich dann nach seiner Chefin um.

„Miss Vargas, dieser junge Herr weigert sich, sich von hier zu entfernen, wie-" doch weiter kam er nicht, da Maribelle bereits auf uns zugekommen war und sich mir um den Hals warf.

„Komm runter Tyron, er ist ein Freund, beschütz uns doch lieber vor den tollwütigen Enten dort drüben," wies Maribelle ihn an, ihre Stimme nah an meinem Ohr.

Nun sicher ihrem Blick nicht begegnen zu können, blickte ich auf, direkt in seine Augen. Mittlerweile hatte er sich wieder etwas gefangen, aber da war jetzt etwas anderes in seinem Blick- ein verzweifeltes Flehen, das er stumm an mich richtete.

Ebenso geräuschlos formte ich mit meinen Lippen nur ein Wort: „Lügner." Er schien zu verstehen und wieder stand Panik in seinem Gesicht. In dem Moment, als sich Maribelle von mir löste, verschwand der Ausdruck und eine liebevolle Maske legte sich über alles, dass man eben noch so klar hatte herauslesen können.

„Schatz, das hier ist der junge Mann aus dem Flugzeug, von dem ich dir so viel erzählt hatte. Rezo, das ist mein Freund, von dem ich berichtet hatte."

Er hatte sich viel schneller wieder gefangen als ich, denn er streckte mir strahlend eine Hand entgegen, die ich zögerlich nahm, sodass wir wie zwei Fremde wirkten, die sich zum ersten Mal trafen.

„Schön dich kennenzulernen, ich bin Maximilian, du kannst mich aber auch Max nennen, das tun die meisten," stellte er sich vor und ich bemerkte die Anspannung in seiner Stimme. Er war förmlich, lächelte ein Lächeln, das seine Augen nicht erreichte und wirkte überhaupt nicht wie er selbst. Als würde er eine Rolle spielen, der er schon viel zu lange verkörperte.

Angestrengt beruhigte ich mein Herz und vertrieb das Beben aus meiner Stimme, bevor ich, ebenfalls mit einem falschen Lächeln, die Begrüßung erwiderte: „Freut mich ebenfalls, ich bin Rezo."

Mit jeder Sekunde, die wir dort zu dritt standen, als wäre die Welt vollkommen in Ordnung, brodelte eine unfassbare Wut in mir hoch. Ich war wütend, auf Mexi und auch auf mich. In der Sekunde, in der mein Gehirn die Situation begriffen hatte, hätte ich Maribelle zur Seite ziehen und ihr die Situation erklären sollen, doch ich hatte feige geschwiegen. Außerdem kribbelte meine Hand von der Berührung mit Mexi immer noch und mein Herz schlug verräterisch schnell in meiner Brust.

 Gleichzeitig fühlte ich mich hingegen, als wäre mein Herz in eine Millionen kleine Teile zersplittert worden und jemand würde immer noch darauf herumtrampeln, bis sie völlig zerstört waren.

„Wir müssen nächste Woche unbedingt etwas unternehmen, ich habe gesehen, dass eine außergewöhnliche Kunstausstellung hier im Park errichtet werden soll, vielleicht können wir sie uns zusammen ansehen," betrieb Maribelle weiter Konversation, als bemerke sie die knisternde Spannung in der Luft nicht im Geringsten.

„Oh ja das hört sich wunderbar an, wir besprechen das nochmal. Ich muss jetzt allerdings nach Haus und will euch auch gar nicht weiter stören," brachte ich heraus und wandte meinen Blick nun direkt ihr zu.

„Schade, es hat mich so gefreut dich wiederzusehen, wir bleiben in Kontakt," bestätigte sie und umarmte mich erneut zum Abschied.

Mexi oder Max, wie auch immer er sich in seinem echten Leben nannte, schüttelte mir noch einmal steif die Hand und verabschiedete sich ebenfalls von mir.

In dem Moment, als ich außer Sichtweite der Beiden war, sammelten sich die zurückgehaltenen Tränen mit einem Schwall in meinen Augen und ich rannte los.

Pretty Soul •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt