Kapitel 11

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P.o.V. Rezo

Erst beim dritten Versuch schaffte ich es, den Schlüssel ins Schloss zu manövrieren und die Tür mit einem lauten Knall gegen die Wand zu öffnen. Dort, im Türrahmen, blieb ich beim Anblick meines Zuhauses stehen und starrte einfach ins Innere der Wohnung. Mein Gehirn hatte das eben Geschehene noch nicht verarbeiten können, doch jetzt, in meinem Safe Space, registrierte ich endlich, was gerade passiert war. Mexi nannte sich eigentlich Max. Mexi war anscheinend der Erbe eines großen Betriebes und mit Maribelle zusammen, die Beiden führten eine feste Beziehung.

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen... Maribelle Vargas, die Tochter des Gründers der Ricardo Vargas Immobiliengruppe – RV Real Estate und der Sohn des Hotelmoguls Arthur Rosenbach- Maximilian Rosenbach waren das It-Pärchen der Stadt, auch wenn ihre Gesichter weitestgehend unbekannt waren. Aus diesem Grund benutze er einen anderen Spitznamen, wenn er sich Leuten vorstellte, von denen er nicht wollte, dass sie ihn erkannten. Jedes Wort an diesem Abend war gelogen gewesen, alles, was er gewollt hatte, war ein bisschen Spaß. Mein Gehirn funktionierte nicht mehr genug, um zu evaluieren wieso er sowohl seine bezaubernde Freundin als auch seine One-Night-Stand belog und es war auch nicht mein Problem. Nichtsdestotrotz musste ich schnellstmöglich Maribelle davon erzählen, um ihr die Demütigung der öffentlichen Anschuldigungen ihres Partners ersparen zu können.

Noch während ich mit zitternden Fingern versuchte mein Handy aus der Tasche zu holen, stolperten zwei Gestalten in den Flur, die der Krach von eben wohl auf mich aufmerksam gemacht hatte.

„Hey Rezo, das nächste Mal kannst du die Tür etwas sachter-," Ju brach mitten im Satz ab, stürzte auf mich zu und ließ sich vor mir auf den Boden fallen. Seit wann saß ich auf dem Boden?

Den vertrauten Geruch meines besten Freundes in der Nase, krallte ich mich an den Körper vor mir und vergrub mein Gesicht in seinem Shirt. Im nächsten Moment spürte ich eine weitere Person, die ihre Arme um uns beide legte und zu einem großen Ball von Kleidung, Haaren und Tränen verschmelzen ließ.

Eine ganze Zeit saßen wir dort, bis ich es schaffte mich wieder etwas zu beruhigen und mir die Luft zum Atmen allmählich ausging. Vorsichtig löste ich mich von der nassen Stelle auf Jus Shirt und merkte, wie meine besten Freund etwas mehr Platz zwischen uns ließen und trotzdem nah bei mir blieben. 

Plötzlich hielt mir jemand Taschentücher hin, die dankbar annahm und mir mehrfach die Nase putze, bis ich wieder halbwegs gut Luft bekam. Langsam halfen sie mir aufzustehen und brachten mich zu unserer Couch, die noch viel weicher und bequemer wirkte als sonst, verglichen mit unserem harten Fliesenboden.

T verschwand aus meinem Blickfeld, dass an den Rändern etwas unscharf geworden war und kramte in der Küche herum, während Ju neben mir Platz nahm und eine warme Hand auf meinen Rücken legte.

Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf und ich wollte ihnen sofort alles erzählen, aber bevor ich auch nur einen Ton herausbekam, sah Ju mich an und stoppte mich: „Hey Großer, lass dir Zeit, wir sind hier und hören dir zu, aber beruhig dich noch ein bisschen." Dann griff er sanft nach meinem Kopf und zog ihn auf seine Schulter, sodass er seinen dagegen lehnen konnte.

Mit einem klackenden Geräusch stellte er mehrere Tassen auf dem Tisch ab und reichte mir dann eine davon, wobei mir sofort der süßliche Geruch meines Lieblingstees in die Nase stieg. 

Gerade als ich mich bereit fühlte ihnen von meinen Erkenntnissen zu berichten, blitzen die Szenen von eben vor meinem geistigen Auge auf und ein stattdessen kam nur ein ersticktes Schluchzen aus meiner Kehle. Wie hatte ich nur Gefühle für ihn entwickeln können? Es wäre besser gewesen, wenn er wirklich in einer anderen Stadt am anderen Ende von Deutschland gewohnt hätte, statt hier in Aachen zu sein und mir eigenhändig mein Herz aus der Brust zu reißen. Innerlich spürte ich wie meine Gefühle für ihn langsam von Zuneigung in Enttäuschung und schließlich in Abneigung umschlugen.

„Hey," versuchte Ju erneut mich zu beruhigen und legte seinen Kopf auf meine Schulter, was meinem Herzen, das sich kalt und leer anfühlte, wieder stetig Wärme zuführte, „erzähl uns bitte was passiert ist, wir machen uns Sorgen."

Mit zittrigen Händen griff ich nach meiner Tasse und nahm zwei tiefe Schlucke von dem brühend heißen Tee, der mir sofort alle Geschmacksnerven im Mund abtötete.

Durch ein leichtes Räuspern testete ich meine Stimme und versuchte dann ihnen zu erklären, was passiert war: „Ich- ich war im Park- und da hab ich ihn gesehen-"

Als ich das sagte, weiteten sich die Augen meiner Freunde deutlich und sie starrten mich entgeistert an, ihre Gedanken schienen sich merklich zu überschlagen.

„Warte- du hast den Typen- also den aus dem Urlaub, im Park gesehen?" ungläubig suchte T mein Gesicht nach einem Hinweis ab, der ihm mitteilte, dass ich einen Scherz machte.

„J-ja- a-aber- er- er hat sich nicht so gefreut mi-mich zu sehen, d-denke ich."

„Dieser Arsch, hat er dich irgendwie beleidigt oder ausgelacht? Muss ich ihn malträtieren?" mein bester Freund wechselte sofort von seiner Sorge um mich zu Wut auf Mexi und spannte sich neben mir an.

„N-nein- er hat- er-," kurz unterbrach ich mein Gestotter und holte tief Luft, „er ist Maximilian Rosenbach."

Es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre T die Tasse geradewegs aus der Hand gefallen. Die Anspannung von Ju löste sich plötzlich und er sah mich an, sein Gesichts von Emotionen völlig leer. Beide benötigten mehrere Sekunden, um sich wieder zu fangen.

„Warte-," es war T, der als Erstes seine Stimme wiederfand, „DER Maximilian Rosenbach? Rosenbach Hotels? Freund von Maribelle Vargas- oh mein Gott, ich glaub das nicht- seine Freundin war die Frau aus dem Flugzeug?"

Bei dieser Erkenntnis regte sich Ju zu meiner Rechten auch wieder und sprang von der Couch auf, um sogleich aufgebracht durchs Zimmer zu laufen: „Dieses verdammte Arschloch, ich glaub es nicht. Hat einen Haufen Kohle, eine wunderhübsche Freundin und betrügt sie im Urlaub mit Fremden, die er dazu noch anlügt, während sie wahrscheinlich alleine im Zimmer sitzt. Ich kann nicht mehr, das muss ein neues Level von Betrug sein, was der da abzieht."

„Wie hast du das überhaupt herausgefunden, er wird es dir ja nicht einfach so erzählt haben, oder?" wandte sich T jetzt wieder mir zu und bremste damit Ju, der in eine fortlaufende Schimpftirade verfallen war.

„Ich habe beide zusammen gesehen, sie kam sofort zu mir und- als sie uns vorgestellt hat- es hat in meinem Kopf einfach Klick gemacht."

„Und was hat er gesagt?"

„Er hat mich angestarrt wie ein Reh im Scheinwerferlicht."

Pretty Soul •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt