Kapitel 8

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P.o.V. Rezo

Als ich mich auf den Heimweg machte, war es schon spät, obwohl der Himmel noch genau so aussah wie heute Mittag. Da ich erst am Montag zur ersten Probe erscheinen musste und für normale Leute das Wochenende heute begonnen hatte, schickte ich Ju eine kurze Nachricht mit der Frage, ob heute Abend etwas auf dem Programm stand. Seine Antwort lautete platt: „Hol auf dem Weg Pizza."

Eine halbe Stunde später schloss ich die Tür zu unserer Wohnung auf und balancierte dabei die Pizzakartons mit einer Hand neben mir her. Aus dem Wohnzimmer kam mir schon der Klang von Musik entgegen und als Ju mich sah, schnappte er sich die Kartons und drückte mir stattdessen ein Glas mit zartrosaner Flüssigkeit und Eiswürfeln in die Hand. Perplex blieb ich im Gang stehen und schnüffelte neugierig am Glas, wobei mir sofort der unverwechselbare Geruch von starkem Alkohol in die Nase stieg. 

„Du sollst das nicht inhalieren, sondern trinken," dröhnte es von der Küchennische also nahm ich einen großen Schluck von dem süßen Gebräu und schlurfte dann die verbliebenen Schritte zum Wohnbereich. Während Ju die Pizzen aus den Kartons auf Teller verfrachtete, lag T bereits auf der Couch und hatte augenscheinlich die Kontrolle über die Musik übernommen.

„Schmeißen wir eine Party? Hab ich was verpasst?" erkundigte ich mich bei meinen Mitbewohnern, die den Anschein machten, dass hier gleich eine Party stattfand. Diese Vermutung verneinte T jedoch und schaute nun endlich von dem Tablet hoch, dass unsere Anlage steuerte.

„Wir haben gestern deine Ankunft nicht richtig gefeiert, also holen wir das heute nach," erklärte er, „außerdem glaube ich, dass du die Ablenkung dringend nötig hast."

Zwar hatte ich meinen besten Freunden nicht viel erzählt, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass Julia sofort mit einem der Beiden telefoniert hatte, sobald ich zur Tür heraus gewesen war. Manchmal nervte es mich etwas, wie gut sich meine Freunde untereinander verstanden, aber sie waren mein verrückter Haufen und das hatte ich schon vor langer Zeit akzeptiert.

Also ergab ich mich meinem Schicksal, nahm einen weiteren Schluck des ominösen Getränks in meiner Hand und setzte mich ebenfalls auf die Couch. Wenige Sekunden später kam Ju mit den drei Tellern zu uns und quetschte sich zwischen uns, nachdem T sich aufgerappelt und gerade hingesetzt hatte.

„So jetzt wird erstmal gegessen und dann trinken wir," verkündete mein bester Freund dann und aktivierte im nächsten Moment die LED-Beleuchtung, die er vor einigen Monaten angebracht hatte.

„Also saufen wir drei uns die Rübe zu, bis wir nicht mehr wissen, wer wir sind und dann ins Koma fallen, ja?" erkundigte ich mich und beäugte eine Ansammlung von verschieden farbigen Flaschen, die auf der Küchenzeile standen.

Die laute Stimme von Ju riss mich aus meinen Gedanken und ich musste meine Aufmerksamkeit erstmal auf ihn fokussieren, bevor ich verstand, was er sagte: „...über den Blauwal im Raum reden."

„Redet man nicht über den Elefanten im Raum," warf T ein, während er fast den Inhalt seines Glases auf der Couch entleerte.

„Ach ja, also wir müssen- wir müssen mal über den Elefanten im Raum reden," korrigierte sich Ju und wandte seinen Blick zu mir, wobei ich erst jetzt bemerkte, dass er mit mir redete.

„Hä, was?" fragte ich wenig originell und schaute verwirrt zwischen den Beiden hin und her.

„Den Elefanten man," wiederholte T, als müsste ich genau wissen, um was es gerade ging.

Daraufhin musste ich so verwirrt ausgesehen werden, dass T, etwas wackelig, aufstand, um den Tisch herumschlurfte und sich neben mir wieder fallen ließ. Langsam beschlich mich das Gefühl, dass hier gerade, ohne mein Wissen, eine Intervention stattfand.

„Also wir haben uns heute hier versammelt, weil- weil- äh wieso haben wir uns noch mal versammelt," begann Ju und dachte dann augenscheinlich sehr angestrengt nach, über was genau er nochmal mit mir sprechen wollte.

„Wir wissen, dass dich etwas- äh beschäftigt und wir hoffen, dass du- dass du uns erzählst, was das ist," half T ihm auf die Sprünge und schickte dann einen erwartungsschwangeren Blick in meine Richtung.

Vielleicht hatte ihnen Julia doch nicht erzählt, was genau ich mit ihr besprochen hatte und nur stark mit dem Zaunpfahl gewunken. Meine beste Freundin hatte eine sehr gute Menschenkenntnis und erkannte ziemlich schnell, wenn etwas nicht stimmte. Wohingegen meine Mitbewohner oft viele weniger subtile Hinweise benötigten, um zu begreifen, dass etwas im Busch war.

Als mein besoffenes Gehirn endlich ganz begriffen hatte, was meine Freunde von mir wollten, seufzte ich etwas zu laut und versuchte ein bisschen um den heißen Brei herumzureden, was sie beide aber ziemlich schnell bemerkten.

„Rezo, was genau- läuft da, oder ne- also wie- was-" er gestikulierte wild in der Luft herum und stotterte, mangels passender Worte, einen wilden Buchstabensalat zusammen.

„Ju will wissen, was mit dir und dem kleinen Braunhaarigen eigentlich abgeht, also- ne warte- also was da bei dir abgeht wegen- äh ja wegen ihm," formulierte T jetzt einen halbwegs verständlichen Satz und ich war überrascht, wie sehr Alkohol die kognitiven Fähigkeiten einschränken konnte. 

„Ich weiß nich- aus irgendeinem Grund kann ich ihn nicht vergessen. Die Worte, die Augen, das Lächeln oh mein Gott und seine Hände- wie soll ich das einfach verdrängen. Es hat sich so anders angefühlt, so real und wirklich," gestand ich und redete dann einfach weiter, weil niemand sonst etwas sagte, „ich habe keine Möglichkeit ihn zu erreichen oder- keine Ahnung ihn zu sehen, aber ich fühle diese starke Anziehung und ich kann sie nicht abschalten. Es ist, als hätte er mich mit einem Fluch belegt, dem ich nicht entkommen kann."

„Wow..." war das Einzige, was Ju dazu sagte, während er seine Gedanken zu sortieren schien, „der Typ hat dir ja ordentlich den Kopf ver- äh verkreiselt."

„Übertreib nicht- ich- weiß ja auch nicht- ich- das ist alles ein bisschen viel einfach," versuchte ich mich zu erklären, stolperte aber über meine Unfähigkeit, meine Gefühle verständlich auszudrücken, „es ist halt nicht so, dass ich ihn je wieder sehen würde, selbst wenn ich wollte, also ist das eigentlich total irrel- irrela- irrelevant, aber irgendwie... hab ich mehr für ihn übrig, als ich sollte und ich kann damit nicht umgehen."

Pretty Soul •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt