Kapitel 17

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P.o.V. Mexi

Seit diesem Abend im Club waren drei Tage vergangen und trotzdem spielten die Szenen in Dauerschleife vor meinem inneren Auge. Keine Sekunde konnte ich vergessen und eigentlich wollte ich das auch gar nicht. Es war das Einzige, was mich diese letzten Tage bei Sinnen gehalten hatte.

Vater hatte mich erneut darauf hingewiesen, dass es sich nicht schicken würde eine junge Dame so lange zappeln zu lassen. Damit verwies er, wie so oft in den letzten Wochen, auf den Umstand, dass ich Maribelle noch keinen Antrag gemacht hatte. Bis jetzt hatte ich mich immer gut aus diesen Gesprächen herauswinden können, aber so langsam hatte ich keine Ausreden mehr im petto.

Jetzt, da ihr Geburtstag in einem Monat bevorstand, wäre das natürlich der ideale Zeitpunkt, aber je näher der Termin rutschte, je größer wurde auch meine Panik. Dieses Leben hatte ich nie gewollt, jedoch hatte das, seit ich mich erinnern konnte, nichts gezählt. Meine Eltern hatten von je her entschieden was am besten für mich war und damit hatte ich mich abfinden müssen.

Es gab zwei Versionen von mir, die unabhängig voneinander existieren. Maximilian, der gute Sohn, der Erbe von Rosenbach, der brave Schwiegersohn, der sicherlich niemals einen Mann auch nur ansehen würde. Und dann gab es noch Mexi, der sich aus dem Haus schlich, der sich einen Scheiß um seinen Ruf scherte und der mit Männern schlief. Die meisten Menschen in meinem Leben hatten Max kennengelernt, meine Eltern und Maribelle eingeschlossen, auch wenn der nur eine Fassade war, die ich aufrecht erhielt, um in dieser Welt zu überleben.

Jedenfalls hatte ich beschlossen, dass mit Rezos Geschmack auf den Lippen und seinem Geruch in der Nase nicht viel mit mir anzufangen war. Also hatte ich alle Termine heute verschoben und beschlossen ins Fitnessstudio zu gehen, allerdings verzichtete ich lieber darauf einen der Fitnessräume des Hotels zu nutzen, sondern machte mich auf den Weg zu einem Studio in der Nähe, welches ich schon länger hatte ausprobieren wollen.

Die übliche Eskorte war mir erspart geblieben und so betrat ich ohne viel Hin und Her das schicke Gebäude und fuhr hinauf in den dritten Stock. Der Eingangsbereich wirkte ziemlich edel und als ich meinen Blick durch den Raum schweifen ließ, machte alles einen gut gepflegten und hochwertigen Eindruck. Hier würde ich mich sicher wohler fühlen als in irgendeinem Meetingraum.

Gerade als ich mich zur Anmeldung wenden wollte, erhaschte ich einen Blick auf die Person hinter dem Tresen und das Blut in meinen Adern gefror. Am liebsten hätte ich mich auf dem Absatz herumgedreht und wäre schreiend aus dem Laden gerannt, obwohl das wahrscheinlich meinem Ruf einem irreparablen Schaden zugefügt hätte. Dort stand einer der Freunde von Rezo und räumte Pakete in ein Regal ein. Er schien mich noch nicht bemerkt zu haben, aber da dies nur noch eine Frage der Zeit war, machte ich ein paar vorsichtige Schritte auf den Tresen zu.

Das Lächeln, welches auf seinen Lippen gelegen hatte, wurde in der Sekunde von einem harten Ausdruck abgelöst, als er mich sah. Einige Sekunden sagte niemand etwas und sein Gesichtsausdruck von dieser Nacht spukte mir wieder in den Kopf.

„Was willst du hier," fragte er mit einem Unterton in der Stimme, der mir überdeutlich sagte, dass ich am besten hier vor seinen Augen in Flammen aufgehen sollte.

„Eigentlich wollte ich mich hier anmelden," meine Stimme zitterte und drohte zu versagen. In meinem Hals hatte sich ein riesiger Kloß gebildet.

„Hast du nichts Besseres zu tun? Meinen besten Freund verarschen zum Beispiel?"

Autsch. Der hatte gesessen.

„Hör zu, diese ganze Sache hätte niemals so laufen dürfen. Das weiß ich und es tut mir unfassbar leid, dass Rezo wegen mir leidet. Allerdings konnte ich einfach nichts machen, es ist, als würde er mich anziehen, wenn er nur in meiner Nähe ist."

Mein Gegenüber, den ich, dank seines Namenschildes, als Ju identifizieren konnte, kniff seine Augen zusammen und musterte mich wie eine Katze, die eine Maus beobachtete.

„Du bist ja genauso bescheuert wie Rezo," stellte er fest und stützte seine Hände auf dem Tresen ab, „unglaublich das ich das jetzt sage, aber ich gebe dir eine Chance."

Verwirrt blinzelte ich ein paar Mal: „Wie meinst du das?"

Statt zu antworten, kramte er unter sich nach einem Zettel und griff sich dann einen Stift. Damit kritzelte er etwas auf das Blatt und reichte es mir dann. Es war eine Telefonnummer.

„Das ist seine Nummer. Du schreibst ihm und entschuldigst dich, dann könnt ihr endlich die Verhältnisse klären. Ich halte das ständige Gejammer nämlich nicht mehr aus. Solltest du wieder scheiße bauen, habe ich dich schneller gefunden, als du Hoppla sagen kannst. Verstanden?"

„Verstanden."

„Gut, dann füll das hier aus und gib es mir wieder, dann gebe ich dir ein Bändchen," Ju drückte mir ein Klemmbrett in die Hand und wies mir den Weg zu einer kleinen Sitznische mit einem Tisch. 

Perplex stand ich da mit dem Zeug in der Hand und brauchte erstmal ein paar Momente, um mich zu sammeln. Dann tapste ich zu einem der Stühle und begann gewissenhaft das Blatt auszufüllen, dass auf dem Klemmbrett befestigt war. Von meinem Namen und dem Geburtstag über meinen Wohnort bis hin zu einem kleinen Zusatz, der ans untere Ende der Seite gekritzelt worden war:

"Ich verspreche kein Arschloch mehr zu sein."

Daneben war ein kleines Quadrat, dass ich ankreuzte und dann nochmal die Antworten überflog, um nichts zu vergessen.

Eigentlich wäre es gar nicht hilfreich für meine Psyche und das Emotionschaos in mir, wenn ich Rezo ab jetzt öfter sehen würde. Allerdings war dort ebenfalls ein immer stärker werdender Drang, der mich zu ihm zog. Früher hatte ich dem widerstanden, war geflüchtet und hatte Scherben hinterlassen. Jetzt konnte ich das nicht. Etwas war anders und ich würde herausfinden, was es war.

Seufzend erhob ich mich von dem Stuhl und schlurfte zum Tresen, wo Ju bereits die Hand nach dem Klemmbrett ausstreckte und mir im Tausch ein blaues Armbändchen aushändigte.

„Wir haben täglich von 6 bis 22 Uhr geöffnet, samstags und sonntags bis Mitternacht, die Getränke sind gratis und das Bändchen dient als Chip für die Türen und Spinde."

Er wies mich an ihm zu folgen und wir traten kurz darauf in die Umkleide mit angrenzender Dusche und zwei abgetrennten Toiletten.

„Wenn du etwas nicht findest, wende dich an mich oder einen von meinen Mitarbeitern," er drehte sich bereits zum Gehen, wandte seinen Kopf jedoch noch ein letztes Mal zu mir um, „und vögeln in den Duschen ist übrigens unerwünscht aber geduldet."

Dann verschwand er und ließ mich sprachlos stehen. 

Pretty Soul •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt