Kapitel 6

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Es ist Montag und wie immer in den letzten Wochen gibt es auch heute ein neues Kapitel. Ich würde behaupten, dass das Kapitel so ein kleiner erster Meilenstein ist, denn es bringt ein wenig Licht ins Dunkeln, was Moritz angeht. Wie immer würde ich mich auch heute über Feedback freuen.

Wenn ihr das nächste Kapitel lest, ist bereits das Weihnachtsalbum draußen :) 


Nur vorsichtig öffne ich wieder die Augen, als der Schmerz langsam nachlässt. Erleichtert stelle ich fest, dass ich mich allein im Badezimmer befinde. Mühsam richte ich mich auf und schlucke als ich einen Blick in den Spiegel werfe. Meine Wange ziert ein riesiger roter Fleck, wo noch deutliche Abdrücke zu erkennen sind. Mit den Fingerspitzen gleite ich darüber und verziehe schmerzhaft das Gesicht, während mir sofort Tränen aufsteigen.

Schnell wische ich mir diese mit dem Handrücken wieder weg und straffe die Schultern. Die Gedanken überschlagen sich, wie so oft bereits in den letzten Monaten. Die ständige Angst und immer wiederkehrende Albträume müssen so langsam ein Ende finden. Das dies im Gegenzug die Trennung von Moritz bedeutet, lässt mich schlucken. Seit fast vier Jahre gehe ich gemeinsam mit ihm durchs Leben. Wir haben uns damals während des Studiums kennengelernt, in dem wir die selbe Vorlesung besucht haben. Bei einer gemeinsamen Gruppenarbeit nur wenige Tage späten waren wir ins Gespräch gekommen, bis er mich irgendwann auf ein Kaffee, abseits des Studiums eingeladen hat. Es hatte wenige Dates benötigt, bis ich die Schmetterlinge ebenfalls spürte.

Immer wieder tauchen die Bilder vor meinem inneren Auge auf. Der erste Kuss, das erste Kennenlernen unserer Eltern, das erste Ich liebe dich, dicht gefolgt von dem Entschluss zusammen zuziehen. Seitdem war vieles passiert. Moritz hatte das Studium abgebrochen und ein neues begonnen, während ich mein Fotografie-Studium beendet habe und kurz darauf die ersten kleineren Aufträge absolviert habe und so, nach und nach weitere Auftraggeber auf mich aufmerksam geworden waren. Über die letzten drei Jahre hatte ich mir so einen gewissen Kundenstamm aufbauen können, sodass ich mittlerweile von meiner Leidenschaft gut leben konnte.

So leise wie möglich öffne ich die Tür des Badezimmers und lausche einen Moment der Stille, ehe ich leise in Richtung Schlafzimmer schlürfe. Müde und erschöpft greife ich nach meinem Schlafshirt und tausche es gegen mein vorheriges Outfit. Ich schlüpfe unter die Decke und kuschle mich in dieser ein, während mir langsam eine Träne über die Wange rollt. 

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Die nächsten Tage und Wochen verlaufen eher schleppend, als ich an meinem Laptop die Bilder eines vergangenen Auftrages durchgehe, um sie schnellstmöglich an den Kunden zu geben. Das Klingeln meines Telefons lässt mich vom Bildschirm aufschauen. Ein leichtes Lächeln huscht über meine Lippen, als ich den Namen von Amelie erkenne. ,,Hey!" Begrüße ich sie fröhlich, während wir direkt in ein Gespräch verfallen. ,,Was ich dich eigentlich fragen wollte." Setzt sie an und spüre, wie mein Herz aufgeregt beginnt zu rasen. ,,Wir brauchen noch ein paar Bilder für den Shop für die Weihnachtssachen und Wincent meinte, ich soll dich fragen. Du hast ja schon die Bilder für's Album geshootet."

Sofort verändert sich mein eben noch sanftes Lächeln in ein Strahlen und ich nehme ein leichtes Kribbeln in der Bauchgegend war. ,,Sehr gerne. Wann denn?" Neugierig öffne ich meinen Kalender und stelle mit einem lesen Seufzen fest, dass dieser bis Ende des Jahres bereits ziemlich gefüllt ist. ,,Wann passt es dir denn am besten?" Ich puste die Wangen auf und stoße die Luft laut wieder aus. ,,Ich weiß ja nicht, wie euer Terminkalender aussieht, aber ganz spontan Donnerstag?" Mit einem Hauch von Hoffnung spreche ich diese Worte aus. ,,Ich spreche das schnell mit Wincent ab und melde mich dann nochmal bei dir." Sofort stimme ich zu.

Es dauert nur wenige Minuten, bis sich mein Display erneut erhellt. Eine unbekannte Nummer hat sich nach ganz oben in den Chat geschoben. Das kleine Bild neben der Nummer lässt mich zufrieden lächeln. Wincent hat mir soeben den vorgeschlagenen Termin bestätigt.

Die nächsten zwei Tage vergehen wie im Flug, während ich gerade mein Equipment zusammenpacke, spüre ich den Blick von Moritz in meinem Rücken. ,,Bis heute Abend!" Verabschiede ich mich und werfe einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Er sieht mich noch einmal kritisch ab, bevor er den Abstand zwischen uns beiden überbrückt.

Er greift nach meinem Handgelenk und schaut mir direkt in die Augen. ,,Muss das sein?" Überrascht hebe ich eine Augenbraue und sehe ihn fragend an. ,,Was meinst du?" ,,Das du für diesen Typ arbeitest und dann auch noch so aussiehst." Er mustert mich einmal von oben bis unten und schüttelt dann den Kopf. Der Druckschmerz an meinem Handgelenk lässt langsam die Tränen aufsteigen. ,,Bitte Moritz, es tut weh." Das Grinsen auf seinen Lippen wird immer stärker, jedoch sein Griff ebenfalls.

Plötzlich löst sich sein Griff und ich spüre einen stechenden Schmerz auf meiner Wange. Sofort laufen die Tränen über meine Wangen und ich sehe ihn aus verschwommenen Augen an. ,,Jetzt hör auf zu heulen!" Erhebt er die Stimme, während ich nur schnell nicke. Eingeschüchtert wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht und greife nach meiner Handtasche und meinem kleinen Rucksack. Einen letzten Blick werfe ich zurück, bis ich erleichtert hinter mir die Wohnungstür schließe

Schnellen Schrittes laufe ich die Treppen nach unten und atme nur wenige Sekunden später die frische Luft ein. Ich schließe für einen Moment die Augen und fasse einen Entschluss. Zielstrebig gehe ich auf meinen Wagen zu, verstaue meine Taschen und starte den Motor. Während der Fahrt lausche ich der angenehmen Stimme des Radiomoderatoren, welcher immer wieder die Hits der letzten Wochen ankündigt.

Eine knappe halbe Stunde später verschließe ich den Wagen und laufe auf das etwas abgelegene Bürogebäude zu. Ich lehne mich mit meinem Gewicht gegen die große Glastür und steige die wenigen Treppen nach oben. In der zweiten Etage angekommen höre ich bereits Weihnachtsmusik und beginne zu grinsen. Ich atme noch ein letztes Mal durch, ehe ich die Hand hebe und anklopfe. Nur wenige Sekunden später wird die Tür aufgerissen und Amelie steht mit einem breiten Grinsen vor mir.

Auf den Grund - Wincent WeissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt