Kapitel 16

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Ihr Lieben,

Es tut mir leid, dass so lang kein neues Kapitel kam, aber manchmal passieren unvorhergesehene Dinge. Ich möchte gar nicht so sehr darauf gehen, aber kann euch versichern, dass es mir wieder besser geht und ab sofort wieder neue Kapitel kommen. Vielleicht nicht mehr jeden Montag, aber auf jeden Fall wieder regelmäßig.

Ich hoffe, ihr habt Verständnis und auch immer noch Interesse daran, wie es zwischen Nele und Wincent weiter geht. Jetzt wünsche ich euch erst einmal viel Spaß beim Lesen und würde mich natürlich auch heute wieder über Feedback freuen.


Langsam, aber verständnisvoll beginnt er zu nicken, ehe er meinem Blick ausweicht. ,,Dann bring ich dich gleich nach Hause." Murmelt er leise. Nur kurz streift sein Blick meinen, jedoch wendet er mir dann den Rücken zu und beginnt die einzelnen Sachen aufzuräumen. ,,Ich hab mir ein Taxi bestellt. Du musst ja in die komplett andere Richtung." Bringe ich ihm entgegen. Er sieht mich für einen Augenblick an und nickt als Antwort.

Enttäuscht von mir selbst, raufe ich mir die Haare und eile ihm dann zu Hilfe. ,,Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass ich schon soweit bin, aber ich schaff es einfach nicht. Ich hab gemerkt, dass ich einfach noch Zeit brauche und wie gesagt, es hat wirklich nichts mit dir zu tun. Ich fühle mich in deiner Gegenwart sehr wohl. Das letzte, was ich will, ist dich zu verletzen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass ich genau das tun würde, wenn ich uns etwas vormache, indem ich es einfach unkommentiert weiterlaufen lasse. Das möchte ich dir nicht antun, weil du das nicht verdient hättest. Ich weiß aktuell selbst noch nicht, wo meine Reise hingehen wird. Ich hab gerade die ersten verschobenen Termine wieder aufgenommen und möchte wieder einen Alltag haben und wieder etwas mehr Struktur in mein Leben bringen. Ich hätte mir für den Moment gewünscht, dass du mich auf genau dieser Reise begleitest, aber ich muss den Weg erst einmal allein gehen. Ich brauche wieder mehr vertrauen, dass hab ich in den letzten Sitzungen auch gelernt, aber da muss ich zu allererst bei mir anfangen und das schaff ich gerade nicht." Beende ich meinen kleinen Monolog. Unsicher sehe ich auf und blicke direkt in das Gesicht von Wincent.

Er dreht die Weinflasche in seinen Händen, legt sie dann in den kleinen Picknick-Korb und lässt den Kopf in den Nacken fallen. ,,Ich hab gesagt, dass ich dir die Zeit gebe, die du brauchst und dazu stehe ich. Ich hab den Abend bis gerade einfach nur genossen, weil ich wusste, dass vielleicht der Moment kommen wird, indem dir alles zu viel wird und du den Abstand brauchst. Du weißt, dass ich dich auch nach Hause gebracht hätte." Kurz nicke ich und greife nach meiner Handtasche. Ich werfe einen schnellen Blick auf mein Handydisplay und seufze. ,,Mein Taxi ist da." Lasse ich ihn wissen. Nur langsam nickt und richtet sich wieder auf. ,,Komm gut heim." Murmelt er nur leise. ,,Trotzdem, danke für den schönen Abend." Seufze ich und werfe ihn einen letzten entschuldigenden Blick zu, ehe ich ihm den Rücken zuwende und die Dachterrasse des Gebäudekomplexes verlasse.

Das Taxi steht bereits vor dem Eingang, als ich erneut an die frische Luft trete. Die ältere Dame sieht mich über den Rückspiegel fragend an und ich nenne ihr meine Adresse. ,,Ist bei ihnen alles okay?" Überrascht sehe ich sie an und nicke nur langsam, bis ich es durch ein leichtes Kopfschütteln revidiere. ,,Kennen Sie das, wenn man über seinen Schatten springt und im Grunde dann belohnt wird, mit dem, was man sich gewünscht hat. Doch, wenn man es dann hat, kann man es gar nicht genießen, weil man daran zweifelt, ob man sich nur in seiner Traumvorstellung alles so perfekt ausgemalt hat, es dann jedoch dann ganz anders ist." Sie scheint kurz zu überlegen, nickt dann aber. ,,Vielleicht hinkt der Vergleich, aber ich bin vor knapp dreißig Jahren nach Berlin gezogen, wegen meiner ersten großen Liebe. Er hat damals sein Studium hier begonnen, doch dann ist unsere Beziehung zerbrochen, weil wir unterschiedliche Ansichten von unserer Zukunft hatten. Wir kamen beide aus einer Kleinstadt, knapp zwei Stunden von Berlin entfernt und ich wollte nie in die Großstadt, bin aber damals über meine Schatten gesprungen, ihm zu liebe, weil ich ihn verletzen wollte und dabei seine Wünsche über meine gestellt." Immer wieder sieht sie mich über den Rückspiegel an und ich werfe einen Blick aus dem Fenster und lasse die Lichter der Hauptstadt an mir vorbei ziehen und beginne zu grübeln.

,,Wenn Sie einen Rat wollen, kann ich Ihnen sagen, dass Sie vor allem auf ihr Bauchgefühl hören sollen. Sie dürfen sich nicht für die Bedürfnissen und Wünsche für eine andere Person verbiegen, auch, wenn man denkt, dass man seine Chance verpasst. Rainer ist der Mann für den ich damals nach Berlin gezogen bin. Er war vor drei Jahren durch Zufall mein Fahrgast. Ich konnte mir damals eine Familie mit ihm vorstellen, er jedoch nicht. Was soll ich sagen? Wir haben uns wieder getroffen und sind wieder ein Paar und ich würde behaupten, glücklicher als wir es damals je waren. Wir haben in der Zeit beide eine Familie gegründet und sind gereift. Das soll nicht heißen, dass sie sich dreißig Jahre Zeit nehmen sollen, um genau zu wissen, was sie wollen, jedoch braucht man manchmal ein bisschen länger um herauszufinden, was das beste für einen selbst ist. Das fängt dabei an, dass sie sich selbst vertrauen mit Ihrer Entscheidung, um gefestigt dieser standzuhalten. Sie sind eine junge Frau, im Grunde steht Ihnen die Welt offen und wenn Sie die Möglichkeit haben, nehmen Sie sich die Zeit, die sie brauchen, schreiben eine Pro und Kontra Liste, aber man sollte seine Entscheidung vorher gut durchdacht haben, um sie nicht irgendwann zu bereuen." Ich nicke nur langsam und lasse mir ihre Worte noch einmal durch den Kopf gehen. 

Auf den Grund - Wincent WeissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt