3 | Schulden

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„Die Schlampe hat mich beklaut"

Da wäre ich mir nicht so sicher, wenn Hanna eine Diebin wäre, dann würden bei mir auch Einnahmen fehlen. Die Möglichkeit mich zu beklauen hätte sie, also kann das unmöglich die Wahrheit sein. Ich frage mich sowieso, wie sie für so einen Typen arbeiten konnte.

„Was hat sie dir denn geklaut?", frage ich weiter nach und tue so, als würde ich ihm glauben.

„Geld", schnaubt er verächtlich.

„Ein bisschen ausführlicher, sonst ist dein anderer Fuß auch gleich dran" drohe ich gelassen.

„Sie hatte mehr Freier als ich zu Anfang wusste. Sie hat mich verdammt nochmal lächerlich gemacht, weil sie mich abgezogen hat! Das Geld was ihr diese Typen gegeben haben, hat die Schlampe einfach eingesteckt!"

„Du willst mir also sagen, dass das Geld, wofür sie gearbeitet hat, DIR zusteht?"

„So läuft es in unserem Business, Süße" grinst er frech.
Das hofft er wohl, dass es so läuft.

„Also ich sehe das eher so, dass DU ihr etwas schuldest" entgegne ich ihm „Immerhin hatte sie die ganze Arbeit oder hast du dich auch ab und zu ficken lassen und ihr dafür dein Geld gegeben?"

Das ist mal wieder typisch Mann, welchen Teil der Arbeit hat er bitte erledigt, dass es rechtfertigt, dass ihm ein Teil des Geldes zusteht?

Der laute Knall der aufschwingenden Tür reißt mich von dem erbärmlichen Anblick vor mir los.
Was macht Sedat denn schon hier? Er wollte sich heute doch um die Ware kümmern.

„Anna, was ist hier los?!" knurrt er mir entgegen.
Woher wusste er, was hier abgeht? Wer hat ihm Bescheid gegeben? Ich hatte doch ausdrücklich gesagt, dass er sich mit diesem Problem hier nicht beschäftigen soll, also wer von diesen Idioten hat ihn angerufen.

„Ich kümmere mich um den Laden, sowie du es wolltest"

„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich gesagt habe, dass du jemanden anschießen
sollst!" Er atmet einmal tief durch bevor er fortfährt

„Komm"

Er geht an mir vorbei zu der Tür des Pokerraums und fordert mich mit einer Geste auf ihm zu folgen. Ich nicke schnell den fünf Männern zu und folge anschließend Sedat in den Raum.

Behutsam schließe ich die Tür hinter mir und die Luft im Raum wird langsam immer schwerer, während keiner etwas sagt. Ist er jetzt wirklich sauer auf mich?

„Sedat hör zu-" beginne ich, doch er unterbricht mich sofort.
„Nein Anna, du hörst mir erstmal zu." spricht er mit Nachdruck und atmet erstmal tief durch.

„Hanna hat mich angerufen und mir erzählt, dass sie Probleme mit ihren ehemaligen Zuhältern hat und sie gerade auf der Suche nach ihr sind"
Mir fiel beinahe die Kinnlade runter. Ach, sie ruft Sedat an, aber geht bei mir nicht ans Handy? Dieses Miststück, hat sie sich erstmal bei ihm ausgeheult, obwohl sie wusste, dass er sich gerade nicht mit ihren Problemen befassen kann?

„Wann hat sie dich angerufen?" platzt es aus mir heraus.

„Vor einer halben Stunde" antwortet er und mustert gleichzeitig mein unruhiges Verhalten.

„Hier stimmt etwas nicht! Sarina sagt die Typen waren heute Mittag schon aufgetaucht. Ich habe den ganzen Tag versucht Hanna zu erreichen, also warum ruft sie dich erst vor einer halben Stunde an?"

Nachdenklich studiert er mein Aussage. Er muss selber merken, dass hier irgendetwas gewaltig schief läuft.

„Die Typen haben gedroht den Laden abzufackeln und waren sehr davon überzeugt, dass sie mir überlegen sind" verdeutlichere ich meine Aussage.

„Also wussten sie ganz genau, dass heute eigentlich nicht genügend Leute hier sein würden und dass du mich nicht anrufen würdest" schlussfolgert er.

Und dann trifft mich die Erkenntnis, wie ein Schlag. Im selben Moment sieht mir Sedat mit der gleichen Gewissheit ins Gesicht.

„Fuck" zischt er wütend und reißt die Tür auf.
„Es war alles ein abgekartetes Spiel."

„WO IST HANNA?!", brüllt Sedat die zwei Typen an, die immer noch auf dem Boden knien.
Verwirrt sieht der widerliche Typ zwischen mir und Sedat hin und her.
Nein! Nein, nein, nein. Das kann nicht wahr sein.

„Sedat!! Wer ist gerade beim Lagerhaus?"
Perplex wendet er sein Gesicht von dem Typen ab, alle Aufmerksamkeit liegt jetzt auf mir.

„Fuck!" zischt er erneut.

„Sie hat uns wohl beide verarscht" grinst der Typ vor unseren Füßen.
Damit hat wohl keiner von uns gerechnet, dass Hanna so hinterlistig ist und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen will. Dumm ist sie jedenfalls nicht, aber dennoch hat sie ihren Plan nicht ganz durchdacht. Schließlich hat sie nicht damit gerechnet, dass ich Verstärkung hole und dass der Laden diesen kleinen Zwischenfall überlebt. Es wäre das reinste Chaos ausgebrochen, wenn er wirklich abgebrannt wäre und niemand hätte in dem Moment auf die Ware im Lagerhaus geachtet. Ein gutdurchdachtes Szenario um das Wesentliche aus den Augen zu verlieren, das perfekte Ablenkungsmanöver.

Ihr Fehler war einzig und allein, dass sie mich nicht mit einkalkuliert hat.

„Kümmert euch um die Zwei ich fahre mit den anderen zurück zum Lager", bestimmt Sedat und stürmt wütend mit den anderen beiden Männern, die mit ihm hier hergekommen sind, zurück zu den Autos. Mit quietschenden Reifen brettern sie die Straßen entlang und ein paar Sekunden später ist nichts mehr von ihren Motoren zu hören.

Der Spielsüchtige am Automaten sieht misstrauisch zu mir und mustert die Waffe in meiner Hand. Wie viel hatte dieser Typ eigentlich mitbekommen?
Ich lege meinen Kopf schief und begutachte ihn kritisch. So langsam wird er nervös und rutscht auf seinem Hocker hin und her. Allein seine Reaktion bringt mich zum Schmunzeln.

Einer der Männer von Tarik räuspert sich, wodurch er die Aufmerksamkeit auf sich zieht, aber da er ebenfalls eine Waffe in der Hand hält, wirkt das nicht gerade beruhigend auf den Typen.
„Spiel weiter, das betrifft dich nicht!"
Seine Worte klingen eher wie eine Drohung, aber zeigen eine deutliche Wirkung.
Ohne zu zögern wendet er sich wieder seiner Spielsucht zu und beginnt das Kleingeld in den Automaten zu stecken. Das Rattern der Räder und die klingelnden Geräusche des Automaten rücken wieder in den Hintergrund, da die beiden Idioten vor uns den Fokus auf sich ziehen.

Was soll ich mit den beiden jetzt anstellen? Solange wir nicht wissen wo Hanna ist und was sie sonst noch alles geplant hat, können wir sie unmöglich wieder frei lassen.

„Wann habt ihr das letzte Mal mit Hanna gesprochen und wie? Persönlich oder per Telefon?"

„Wir haben ihr heute morgen einen Besuch abgestattet" beginnt der jüngere. Er ist zwar nicht ganz so dick, aber dafür genauso hässlich.

Erwartungsvoll durchbohre ich ihn mit meinem Blick in der Hoffnung, dass er mir mehr verrät.

„Halt deine Fresse!" spuckt der Widerling dazwischen.
„Ich habe keinen Bock mehr auf die Scheisse! Ständig verarscht uns diese Schlampe nur!", kontert der jüngere zurück und seufzt ergebend.

„Sie hat mit uns einen Deal gemacht. Ihre Schulden sind beglichen, wenn wir euch ausrauben und um es zu verschleiern, den Laden abzufackeln."

„Das war aber nur ein Vorwand.", schlussfolgere ich „Sie wollte, dass wir das denken, damit sie in Ruhe die Drogen klauen kann"

Somit hat sich mein vorheriger Verdacht bestätigt. Nur warum jetzt? Das ergibt doch keinen Sinn.
Das vibrierende Geräusch meines Handys auf dem Holztisch reißt mich aus den Gedanken. Die Anzeige auf dem Display verrät mir, dass es Yusuf, Sedat's älterer Bruder ist.

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Capo de la CataniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt