16 | Überraschung

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Ich hätte nicht gedacht, dass mich einmal Feiern gehen für mehrere Tage ausnocken würde. Meine Glieder fühlen sich träge an, während ich die letzten Stufen zu meiner Wohnung erklimme.

Im Flur schlüpfe ich aus meinen Pumps und kicke sie an die Seite. Mein nächster Halt endet am Kühlschrank auf der Suche nach etwas Essbaren, was schnell fertig ist, oder am besten schon bereit ist, in meinen Magen zu wandern.

Ich greife nach dem nächst besten Joghurt und lasse den Kühlschrank wieder zu fallen.

Im Augenwinkel nehme ich etwas schemenhaftes wahr, doch so in meiner Routine gefangen, greife ich zur Besteckschublade und will nach einem Löffel greifen.
Erst als mein Gehirn realisiert, schnellt mein Kopf wieder hoch und erschrocken weiche ich zurück.

„Fuck! Bist du bescheuert?!"

Dunkelbraune Augen starren mir entgegen.

„Wo warst du?" Mit verschränkten Armen steht Sedat vor mir und schaut mich misstrauisch an.

„Hast du schon mal etwas von einer Klingel gehört?!"

„Du warst nicht mehr da und da fragte ich mich, wo du so schnell hin bist"

Er mustert meine Aufmachung, da ich nicht mehr das gleiche trage wie vorhin. Skeptisch sieht er mir wieder in die Augen.

„Ich war bei Emily! Zufrieden?!", schnauze ich zurück. Wenn er merkt, dass er mir mit seinen Fragen Unbehagen bereitet, könnte er misstrauisch werden. Noch heute morgen habe ich ihm versprochen mich von Luciano fern zu halten, aber wirklich eine Wahl hatte ich nicht, doch würde er es verstehen? Oder anders gefragt, würde er mir glauben?

„Die ganze Zeit? Und dafür hast du dich umgezogen?"

„Wird das hier ein Verhör?"
Wütend knalle ich den Joghurtbecher auf die Arbeitsplatte.

„Du hast keinen Grund so gereizt zu sein!"

„Ach, ich habe keinen Grund?! Du brichst in meine Wohnung ein, weil ich nicht da bin und wartest den ganzen Nachmittag auf mich, um mich dann auszufragen!"

„Erstens habe ich einen Ersatzschlüssel und zweitens wolltest du heute doch einspringen? Ich habe mich nur gewundert, als Sarina mir mitteilte, du seist nach einer halben Stunde wieder abgehauen. Und dann bist du nicht wiedergekommen und erreichen konnte ich dich auch nicht. Jetzt sehe ich dich fertig gemacht vor mir UND DU WILLST MIR SAGEN, DU WARST DREI STUNDEN BEI EMILY?!", wird er zum Ende hin immer lauter.

„Ja vielleicht war ich nicht nur bei Emily, aber ich habe auch noch ein Privatleben!"

„Privatleben? Willst du mich VERARSCHEN!"

„Weißt du was, ja ich war bei Luciano! Das ist es doch, was du hören wolltest oder nicht? Er hat mich erpresst! Wenn ich nicht zu ihm gegangen wäre, dann wäre euer Deal geplatzt!", spucke ich ihm ins Gesicht.

„Du bist derjenige, der schwanzgesteuert handelt, nicht ich", füge ich noch wütend hinzu, doch er sagt nichts mehr. Er sieht mich nur an.

Enttäuscht von ihm schnappe ich mir meinen Joghurt und dränge mich an ihm vorbei. Nach ein paar Minuten kommt er ebenfalls ins Wohnzimmer und setzt sich stillschweigend links auf den abgewinkelten Teil der Sofalandschaft.

Ich bin still. Alles was ich zu sagen hatte, habe ich bereits. Auch wenn ich mein Versprechen gebrochen habe, ich habe es nicht für mich getan, aber vielleicht sollte ich mir Emilys Ratschlag zu Herzen nehmen und daran denken, was für mich das Beste ist.

„Ich wusste, dass du bei ihm warst", durchbricht er die Stille.
„Und du kannst dir sicher denken, wie ich explodiert bin, als ich dachte, dass du mich noch am selben Tag hintergehst."

„Aus Angst habe ich dir einen Teil meiner Geschichte vorenthalten und weil es sicherer für mich war. Doch jetzt zweifelst du alles an und stellst mich sofort in Frage."

„Es tut mir leid, aber du weißt was ich für ein Vertrauensproblem habe..."

„Richtig DU hast dieses Problem Sedat, also wälze es nicht auf mich ab. Ich werde nicht der Sandsack für dein Misstrauen sein!"

Unsere Blicke kreuzen sich. Ich weiß, dass es ihm leid tut, aber das reicht nicht.

„Ich will Abstand Sedat. Zwar werde ich bei dem geschäftlichen weiterhin dabei sein müssen, aber aus dem Laden werde ich mich vorerst zurückziehen.", spreche ich meine Gedanken aus.

„Anna, es tut mir leid. Du weißt, dass der Laden ohne dich nicht läuft! Wir können uns aus dem Weg gehen, ich werde auch nicht oft vorbeikommen, wenn du da bist, aber ich brauche dich."

„Und ich brauche diesen Abstand ...und für den Fall, dass ich irgendwann nicht mehr da bin, solltest du dich vielleicht schon mal um Ersatz kümmern."

„Anna...!", mahnt er drohend.

„Du kannst mir nicht garantieren, dass sie nicht herausfinden wer ich bin oder das meine Familie es nicht tut."

Eine Weile ist es still, bis er sich niedergeschlagen durch die Haare fährt.

„Ich melde mich, wenn die Ware kommt.", sagt er schließlich.

Er weiß, dass ich recht habe. Niemand kann mir Sicherheit garantieren. Unzufrieden mit meiner Entscheidung steht er auf, mein Blick liegt weiterhin auf dem halb gegessenen Joghurtbecher. Die Haustür öffnet sich und fällt zwei Sekunde später wieder ins Schloss. Sogleich entweicht die angestaute Luft aus meinen Lungen, aber ein wenig fühlt es sich, wie eine Erleichterung an, so als wenn eine Last weggefallen wäre.

Der Appetit ist mir vergangen und Erschöpfung macht sich in mir breit. In die Wolldecke eingekuschelt, platziere ich meinen Kopf auf eines der weichen Kissen und lasse den Fernseher laufen, während ich versuche einzuschlafen. Die Sirenen unter mir hallen durch die Straßen, aber lange halten sie mich nicht mehr wach.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 10 ⏰

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